Eine Frau sitzt vor ihrem Laptop und denkt nach
30.11.2022    Madeline Sieland
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Nur 29 Prozent der Personalerinnen und Personaler in kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) sehen sich sehr gut auf eine mögliche Rezession vorbereitet. Das zeigt eine Umfrage des Softwareanbieters Personio.

36 Prozent der Befragten wünschen sich derzeit deutlich mehr Zeit für die Bedürfnisse der Mitarbeitenden und die strategische Personalentwicklung. 37 Prozent sind der Ansicht, dass ihnen – neben einer nachhaltigen Personalstrategie (38 Prozent) – vor allem effizientere Abläufe helfen würden, Mitarbeitende in Zeiten globaler Krisen besser zu führen.

Verwaltungsaufwand als Bremsklotz

„Personalverantwortliche sind insbesondere in herausfordernden Phasen gefordert, Unternehmen und Mitarbeitende zu unterstützen und resilient aufzustellen“, sagt Cassandra Hoermann, Head of People Experience bei Personio.

Bewerbungen verwalten, Krankmeldungen entgegennehmen und dafür sorgen, dass das Gehalt pünktlich bei den Angestellten ankommt – das genügt heute bei Weitem nicht mehr. Das Rollenverständnis des Personalwesens hat sich gewandelt: Es gilt, Arbeitsbedingungen aktiv zu gestalten und Mitarbeitende konstant zu betreuen.

„Damit HR aber überhaupt in der Lage ist, Ressourcen für strategische Personalarbeit zu schaffen, müssen repetitive, administrative Routineaufgaben digitalisiert und automatisiert werden“, so Hoermann. Und das erkennen immer mehr Unternehmen, wie eine Umfrage von SD Worx zeigt, einem Anbieter von Softwarelösungen für die Personalverwaltung: Rund 52 Prozent der deutschen Unternehmen stellen die Digitalisierung von HR-Prozessen verstärkt in den Fokus.

Sind viele Tools im Einsatz, ist Mehrarbeit programmiert

Dringenden Handlungsbedarf sieht Jordi Romero, CEO von Factorial, bei KMU. Das spanische HR-Start-up Factorial bietet eine All-in-one-Softwarelösung für KMU an und zählt nach einer Finanzierungsrunde seit Kurzem zum elitären Kreis der Einhörner – also zu den Start-ups, die mit rund einer Milliarde Euro bewertet werden.

Nach Romeros Erfahrung nutzen Personalverantwortliche in der Mehrheit der kleinen Betriebe immer noch Excel-Tabellen und E-Mails, um Aufgaben wie Schichtkalender, Einarbeitung, Krankenstand und Gehaltsabrechnung zu verwalten. Doch sobald sich nicht alle relevanten Informationen gebündelt an einem Ort finden, steigt der Aufwand erheblich. Durch die Automatisierung und Zentralisierung von Prozessen wie Rekrutierung, Einarbeitung, Abwesenheitsmanagement, Gehaltsabrechnung und Zeiterfassung hilft Factorial dabei, den Aufwand für sich wiederholende Verwaltungsaufgaben um bis zu eine Woche pro Monat zu reduzieren.

Durch Digitalisierung Freiräume schaffen

Die Rechnung ist simpel: Je schlanker und effizienter HR-Prozesse gestaltet sind, desto mehr Zeit bleibt Personalverantwortlichen für strategische Themen. „Das Personalmanagement hat in allen Branchen einen tiefgreifenden Wandel durchlaufen – vom Fokus auf Personalkontrolle hin zu der primären Funktion, ihre Mitarbeitenden zu befähigen und zu fördern. Wenn dies richtig gemacht wird, führt es zu einer zentralen Stärke von KMU: einer menschenzentrierten Kultur, die viele Arbeitskräfte suchen“, sagt Romero.

Angesichts dessen plädiert Hoermann dafür, die Zeit, die man durch die Digitalisierung von HR-Prozessen gewinnt, insbesondere in die Verbesserung der Employee-Experience zu investieren. Denn, so Hoermann, eine gute Employee-Experience stärkt die Motivation der Mitarbeitenden, fördert deren Produktivität und beeinflusst in der Folge das Unternehmensergebnis positiv.

Mehrheit der Angestellten sieht Mängel in der Employee-Experience

Personio hat nicht nur Personalverantwortliche zu aktuellen Herausforderungen befragt, sondern auch Angestellte um eine Einschätzung gebeten. 52 Prozent von ihnen sagen, dass es bei ihrem Arbeitgeber keinen ganzheitlichen Ansatz im Hinblick auf die Employee-Experience gibt.

So sehen 32 Prozent klare Mängel bei der internen Kommunikation, 30 Prozent wünschen sich eine bessere Work-Life-Balance. Und 23 Prozent hätten gerne mehr Zeit und Ressourcen zur Erledigung der anfallenden Aufgaben. Etwa die Hälfte der Befragten gibt zudem zu, dass eine schlechte Employee-Experience direkte Auswirkungen auf die individuelle Leistungsfähigkeit hat.

Wie gut kennen Sie Ihre Angestellten?

Die Employee-Experience kann auch dadurch verbessert werden, dass Angestellte tatsächlich entsprechend ihrer individuellen Stärken eingesetzt werden.

Das Problem dabei ist allerdings: „Viele Arbeitgeber haben sich dazu verleiten lassen, über die Jagd nach externen Fachkräften die internen Mitarbeiterressourcen zu übersehen. Statt die einzelnen Skills zu kennen und auch gezielt für Inhouse-Fortbildungen zu nutzen, schauen die HR-Abteilungen nur nach außen“, sagt Markus Skergeth, Geschäftsführer von Skilltree. Das Unternehmen hat eine Software entwickelt, mit der sich die Kompetenzen der Angestellten verwalten und mit den Anforderungen in neuen Projekten matchen lassen.

Laut der Skilltree-Studie „Industriereport Fachkräftemangel 2022“ kennen lediglich 18 Prozent der Arbeitgeber den vollständigen beruflichen Werdegang ihrer Mitarbeitenden. „Während in der Bewerbungsphase die Berufserfahrung noch wichtig ist, verliert sie ab dem Start im Job an Bedeutung. Neue Mitarbeitende werden im Onboarding eher ‚eingenordet‘, anstatt die in vorigen Jobs gelernten Skills sinnvoll zu nutzen“, sagt Skergeth.

Geld sparen dank Skill-Management

Ein Fehler – insbesondere in Zeiten des Fachkräftemangels. Denn bis zu 30 Prozent der vermeintlich fehlenden Skills seien bereits im Unternehmen vorhanden, ohne das es den Entscheidern bewusst sei, so der Skilltree-Chef: „Human Resources existieren nicht nur auf dem Arbeitsmarkt, sondern vor allem im eigenen Unternehmen.“

Und werden diese Ressourcen richtig genutzt, lässt sich bares Geld sparen: Laut „Industriereport Fachkräftemangel 2022“ halten 30 Prozent der Befragten Einsparungen bei der Personalbeschaffung von bis zu 25 Prozent für möglich, weitere 27 Prozent sogar bis zu 50 Prozent.

30.11.2022    Madeline Sieland
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