Handschuh eines Weihnachtsmannes, der auf einem Smartphone tippt
14.12.2021
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Online shoppen und nur eine Bezahloption haben? Ein No-Go in einer Welt, bei der Payment-Anbieter von Kreditkarte bis Kryptowährung alle Zahlungsmittel digital nutzbar machen. Der Wettlauf im E-Commerce hat Kundinnen und Kunden eine Reihe an neuen Shopping-Möglichkeiten gebracht, die mittlerweile Hygienefaktoren sind.

Neben diversen Bezahloptionen geht es dabei etwa um intuitives Shop-Design, stabile Online-Performance, schnelle Lieferzeiten und direkte Verfügbarkeit. Gerade im so wichtigen Weihnachtsgeschäft können kleine Fehler teuer werden. Drei Herausforderungen, denen Händler begegnen – und Beispiele, wie es besser geht.

Fokus auf das stationäre Erlebnis

Mehr Ladenfläche, mehr Umsatz – das ist angesichts des wachsenden Anteils von Onlineumsätzen am Gesamthandelsumsatz schon lange eine Milchmädchenrechnung. Wer in den vergangenen Jahren vor allem das stationäre Erlebnis aufgewertet hat, wurde von der Pandemie – inklusive Kontaktbeschränkungen und Lockdown – kalt erwischt. Das zeigt etwa der Tierbedarfshändler Fressnapf, der eher noch versucht hat, seine Filialen als systemrelevant geöffnet zu lassen, als konsequent das Online-Business auszubauen. Zooplus, ein auf den Onlinehandel spezialisierter Wettbewerber, hat das genutzt, um seine Marktposition zu stärken.

Zudem ist absehbar, dass häufig genutzte Notprogramme wie „Click & Collect“, bei dem Bestellungen online ausgelöst und in oder vor der Filiale abgeholt werden können, auf Dauer keinen Bestand haben. Die Konsumentinnen und Konsumenten haben gelernt, dass sie online quasi alles bekommen. Und das bequemer – Lieferung an die Haustür – sowie oft zu besseren Konditionen als im Laden. Unternehmen dagegen, die vor Corona schon online aktiv waren, haben die Situation genutzt, um das nächste Level zu erreichen. So klafft die Lücke zwischen Champions League und Mittelmaß im Onlinehandel seit 2020 immer weiter auseinander.

Ein Sonderfall ist Fielmann. Das Augenoptik-Unternehmen ist bekannt für seine Läden, die in nahezu jeder Einkaufspassage zu finden sind. Um der wachsenden Bedeutung des Onlinegeschäfts gerecht zu werden und dabei keinen Kanalkonflikt zwischen stationärem und Online-Verkauf zu provozieren, ordnet Fielmann jeden online erlösten Euro dem Store zu, der dem Kunden am nächsten ist und wo die Produkte abgeholt werden können. Eine Win-win-win-Situation, denn Fielmann macht online Geschäft, die Läden können mit Service punkten und die Kundinnen und Kunden sind zufrieden.

Die IT-Systeme können nicht mit der Innovationsgeschwindigkeit mithalten

Ladezeiten, Check-out-Prozess, Payment, Logistik, Personalisierung – wer mit seinem Onlineshop in diesen Kategorien noch große Baustellen hat und sie nicht angeht, wird mittelfristig Probleme bekommen. Um sich dem Konkurrenzkampf zu stellen, braucht es moderne Technik und eine gleichzeitig solide wie agile Shop-Software.

Tatsächlich scheitern Einzelhändler wie Rewe genau daran: Obwohl unter anderem das Filialnetz dafür sorgen sollte, dass Rewe seinen Kundinnen und Kunden auch mit Online-Lieferungen gute Dienste erweisen könnte, versagt der Konzern im Online-Handel aufgrund veralteter Hard- und Software noch immer. Reine Online-Anbieter wie Picnic oder gar Quick-Commerce-Player wie Gorillas und Flink haben hier die Nase vorn.

An anderer Stelle zeigt etwa die Baumarktkette Hornbach, wie sehr sich technische Updates lohnen: Bis auf Platz 20 der erfolgreichsten E-Commerce-Player im B2C-Bereich hat es der Onlineshop geschafft. Das Rezept: „Wer seinen Kunden im E-Commerce etwas bieten will, das über den Standard hinausgeht, muss auch zum Technologieunternehmen werden“, sagt Andreas Schobert, Chief Technology Officer im Hornbach-Vorstand, kürzlich im Handelsblatt.

Falscher Fokus: Viel Planung, kaum Handlung

Am Markt zeichnet sich klar ab: Wer nicht schon vor Jahren online losgelegt hat, hat es heute schwer. Viele Händler befinden sich noch auf der Aufholjagd, müssen erst Standard-Features im Shop integrieren, um den Anschluss nicht zu verlieren. Andere, die schon länger im Onlinegeschäft aktiv sind, können weiter denken: die Expansion in andere Länder oder die Weiterentwicklung zur Plattform oder zum Marktplatz sind realistische nächste Schritte, weil sie ihre Hausaufgaben gemacht haben.

Gerade KMUs können große Unternehmen immer Marktanteile abgraben, indem sie nämlich auf eine Nische, auf einen USP oder eine Kundenkohorte setzen. Mit einem Angebot alle zu erreichen, ist schwer. Stattdessen können Händler besondere Kundengruppen in den Fokus nehmen und ihnen das bestmögliche Angebot machen. Shopping-Clubs, Sonderangebote und -konditionen wären konkrete Möglichkeiten, die aktivsten bestehenden Kundinnen und Kunden zu regelmäßig wiederkehrenden zu machen.

Alle Gewinner im Handel – stationär und digital – zeichnet eine Eigenschaft aus: Sie passen sich schneller an die Kundenanforderungen an als der Wettbewerb. Größe, Ressourcen und Geschäftsmodell spielen nur eine untergeordnete Rolle. Die gute Nachricht lautet also: Es ist nie zu spät, solange noch Geld für Investitionen da ist. Es braucht nur mehr Ambitionen, ein anderes Mindset. Unternehmen müssen Vorreiter werden wollen, nicht nur Nachahmer.

Zur Person

Porträt von Alexander Graf

Alexander Graf

Seriengründer und E-Commerce-Unternehmer. Wenn es um die Digitalisierung des Handels geht, ist der Host des Branchen-Podcasts „Kassenzone“ ein gefragter Experte

14.12.2021
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