Geld nachhaltig anlegen
28.06.2021    Ulrike Maris
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Till Schultis, Berenberg Wealth and Asset Management

Till Schultis

ist im ESG Office des Berenberg Wealth and Asset Management tätig. Das unabhängige ESG Office definiert die Nachhaltigkeitsstrategie des Berenberg Wealth and Asset Management, verantwortet die Integration dieser Strategie in den Investmentprozess und überwacht die Einhaltung der ESG-Standards.

Nachhaltigkeit ist ein großes Thema. Wie gehen Sie das auf breiter Ebene an?

Till Schultis:  Ausschlusskriterien sind ein verbreitetes Instrument im Asset Management, also beispielsweise die Definition maximaler Schwellenwerte für den Umsatz in bestimmten Geschäftsfeldern oder Geschäftspraktiken. Meiner Ansicht nach benötigt man darüber hinaus ein differenziertes Vorgehen bei der Analyse von Nachhaltigkeit. Wir müssen nicht nur nach dem Status quo eines Unternehmens fragen, sondern auch nach einer authentischen Strategie, die es auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit verfolgt. Die wenigsten Firmen sind schon am Ziel, die meisten machen sich gerade erst auf den Weg und Investoren können dabei unterstützen.

Welche Strategie des nachhaltigen Investierens ist die wirkungsvollste?

Schultis: Das hängt davon ab, welche Ziele Sie verfolgen: Will man das Nachhaltigkeitsrisiko im Fonds managen? Will man ESG-Merkmale fördern? Oder will man eine positive Wirkung für Umwelt und Gesellschaft erzielen? Die Nachhaltigkeit eines Fonds wird oft auf Basis der Einzeltitel im Portfolio bewertet. Es ist aber ebenso wichtig, auf den Investmentprozess zu schauen. Man muss sich fragen: Ermöglicht der angewandte Prozess eine sinnvolle Auswahl an Titeln im Hinblick auf das zu erreichende Ziel? Aufbauend auf Ausschlüssen und dezidierter Analyse von ESG-Risiken- und -Chancen ist meiner Meinung nach „Active Ownership“ wichtig, um nachhaltiges Investieren wirkungsvoll zu gestalten.

Was bedeutet das?

Schultis: Das ist die aktive Wahrnehmung von Investoreninteressen, durch den aktiven Dialog mit Unternehmen, was gemeinhin als Engagement bezeichnet wird, sowie die Ausübung von Stimmrechten. Diese Strategie des Active Ownership erfordert intensiven Kontakt mit den Unternehmen und damit auch Zeit und Ressourcen. Aber es ist wirkungsvoll, da man hier aktiv zusammenarbeitet.

Lassen denn alle Unternehmen zu, dass Investoren Active Ownership über die Stimmrechtsausübung hinaus ausüben?

Schultis: Grundsätzlich haben alle Investoren die Möglichkeit über Hauptversammlungen oder direkt über Investor Relations in den Kontakt und Austausch mit Unternehmen zu treten. Es ist aber natürlich auch ein Teil des Active Ownership-Prozesses zu prüfen, ob die Offenheit auf Unternehmensseite zum aktiven Austausch vorhanden ist. Wir merken aber in unseren Engagement-Aktivitäten, dass Unternehmen diesen Austausch häufig wertschätzen und sogar aktiv suchen. Im Endeffekt können Investoren und Unternehmen zusammenarbeiten, um verborgene Potenziale auch insbesondere im Bereich Nachhaltigkeit zu realisieren.

Damit ein Asset Manager diesen Einfluss auf das Unternehmen ausüben kann, muss er einen vergleichsweise großen Aktienanteil besitzen, oder?

Schultis: Mit dem Anteil, den man an einem Unternehmen hält, steigt natürlich auch der Einfluss. Was sich immer stärker verbreitet, sind sogenannte kollaborative Engagements. Dabei arbeiten mehrere Investoren zusammen zu einem Thema und gehen gemeinsam auf Unternehmen zu. Häufigstes Vehikel für kollaboratives Engagement sind Initiativen, die beispielsweise aus dem Bereich der Nichtregierungsorganisationen entstehen und die eine Plattform bieten, um sich auszutauschen und zusammenzuarbeiten. Das bietet natürlich insbesondere kleineren Investoren die Chance Einfluss zu nehmen. Es finden sich allerdings nicht nur die dort zusammen, sondern auch die großen Investoren sind hier sehr aktiv.

Nachhaltiges Wirtschaften reduziert Kosten, besagen Studien, weil es Risiken reduziert. Lassen sich diese Kosten beziffern?

Schultis: Die Kosten für umwelt- oder sozialschädliches Wirtschaften fallen immer an, die Frage ist nur wo – beim Verursacher von Schäden oder an anderer Stelle. Lange Zeit wurden die negativen wie auch die positiven sozialen und ökologischen Auswirkungen des Wirtschaftens, also etwa der Güterproduktion oder der Güternutzung, nicht komplett eingepreist. Das werden sie bis heute nicht vollständig, auch weil sie häufig schwer messbar sind. Klarer zu beziffernde Kosten sind etwa Strafzahlungen für Umweltschäden oder auch Reputationsverluste durch Nichteinhaltung von Umwelt- und Sozialstandards. Es ist aber zu erwarten, dass externe Treiber wie beispielsweise Regulatorik oder gesellschaftliche Bewegungen wie Fridays for Future und auch die allgemein steigende Nachfrage nach Nachhaltigkeitsstandards weiter auf die Internalisierung dieser Kosten drängen.

Können Sie sich vorstellen, dass Unternehmen, die sich nicht um die Einhaltung von Nachhaltigkeitsstandards kümmern, irgendwann keine Investorengelder mehr bekommen?

Schultis: Die regulatorische Entwicklung heißt nicht, dass nicht-nachhaltige Geldanlagen oder nicht-nachhaltiges Wirtschaften verboten werden. Es werden zuerst einmal Transparenzpflichten geschaffen. Allerdings wird die Einhaltung von Nachhaltigkeits- und ESG-Standards für Unternehmen mehr und mehr zur Norm und Unternehmen, die diese nicht einhalten, werden sicher mit der Zeit mehr Schwierigkeiten haben, langfristige Investoren zu finden. Darüber hinaus gibt es bestimmte Geschäftspraktiken, die irgendwann nicht mehr valide sind und fortgesetzt werden können, etwa die Nutzung fossiler Brennstoffe. Unternehmen, die heute noch darauf setzen, müssen sich mit ihren Transitionsrisiken, also den Risiken, die mit dem Wandel zu einer nachhaltigeren Gesellschaft einhergehen und der Notwendigkeit, das Geschäftsmodell zu ändern, befassen.

Warum gibt es immer noch Fonds, die nicht nachhaltig sind – wenn sich Nachhaltigkeit doch so positiv auf die Rendite auswirkt?

Schultis: Da sind wir wieder bei der Frage, was genau nachhaltig ist und was nicht. Viele Studien belegen, dass die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien zur Risikooptimierung beiträgt und die Rendite stabilisiert. Das heißt aber nicht, dass außerhalb dieser Kriterien keine Rendite mehr möglich ist. Viele Nachhaltigkeitschancen können sich auch erst über einen sehr langen Zeitraum materialisieren. Jedes System braucht Zeit sich zu wandeln.

28.06.2021    Ulrike Maris
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