Ein grüner Fallschirm.
16.03.2022    Arne Gottschalck
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Gutes Geld – das ist die Hochglanzfloskel, welche die nachhaltige Geldanlage meistens umschreibt. Die Floskel ist durchaus richtig, aber eben nicht so ganz. Und das kann mittelfristig massive Folgen haben.

Nachhaltigkeit in Sachen Geldanlage – das ist die Kunst, neben den nüchternen Finanzkennzahlen bei der Auswahl noch andere Aspekte zu berücksichtigen. Etwa aus der Ökologie oder der Art, Unternehmen angemessen zu führen.

Diese unterschiedlichen Aspekte lassen sich zu drei Hauptgruppen zusammenfassen, die auch Pate für den Namen der entsprechenden Anlageprodukte standen – ESG: E für Ecology, die Umwelt, S für das Soziale sowie G für Governance, die gute Unternehmensführung. Der Dreiklang untermalt einen der größten Trends der Geldanlage, mit hohen Mittelzuflüssen. Bereits 2020 machten ESG-Investments fast 36 Prozent der weltweiten Anlagen aus. Zwei Jahre zuvor waren es nur 33,4 Prozent, protokolliert das „Global Sustainable Investment Review“.

Sind nachhaltige Investments ein Allheilmittel?

Entsprechend lakonisch titelte Reuters in einem Beitrag, 2021 sei das Jahr der ESG-Anlage. So wird es auch weitergehen, sind sich viele Fachleute einig. Schon 2025 sollen weltweit 53 Billionen Dollar in ESG-Strategien stecken, kalkulieren die Experten von Bloomberg. 2016 waren es noch 22,8 Billionen. Dahinter stecken Großinvestoren, aber auch der gesellschaftliche Trend, auf Umwelt und Co. zu achten. Eben gutes Geld…

So zeigt auch eine Befragung von Morgan Stanley unter den Anlegern der Zukunft, den Millennials, wie hoch aufgehängt das Thema wirklich ist: 99 Prozent von ihnen interessieren sich für diesen Anlageansatz. In der Gesamtbevölkerung sind es nur 79 Prozent, so das Papier mit dem Namen „Sustainable Signals“.

Sind grüne Anlagen damit auch die Silberkugel gegen die Untoten der Börse, ein Allheilmittel für alle Fälle? Etwa für einen massiven Börsenrücksetzer? So einfach ist es nicht.

Das Kernproblem grüner Geldanlagen

Ein Kernproblem ist der Begriff der Nachhaltigkeit. Zwar haben sich mit dem Dreiklang ESG eine Reihe von Kriterien herausgebildet, die das Phänomen näher umreißen. Aber wie diese Kriterien untersucht und gewertet werden, darüber besteht keine Klarheit. Wie nachhaltig ist etwa ein Unternehmen, das Solarzellen auf dem Dach montieren lässt, aber gleichzeitig Billigzulieferer aus Asien in Anspruch nimmt? Keine einfache Fragestellung – auch nicht für die spezialisierten Ratingagenturen und Großanleger.

Für den Normalinvestor bedeutet das: Nachhaltig ist nicht gleich nachhaltig. Im schlimmsten Fall wird sogar Greenwashing betrieben – stellen sich Unternehmen also besser dar, als sie in Wahrheit und gemessen an ESG-Kriterien sind. Das hat erhebliche Folgen: Denn was ist, wenn dadurch das Vertrauen der Anleger schwindet?

„Wenn Anleger endlich zu dem Punkt kommen, durch ihr Geld etwas Positives in der Gesellschaft bewegen zu wollen, kann Greenwashing beziehungsweise bereits die Anmutung von Greenwashing die Überzeugung und den Willen deutlich schmälern“, sagt Jan Köpper von der GLS Bank. Schlimmstenfalls könne dann Resignation einziehen. Und das wiederum könnte zu weniger Tiefgang führen, wenn es darum geht, die Spreu vom nachhaltigen Weizen zu trennen.

Dabei hilft es nicht unbedingt, dass der Begriff der Nachhaltigkeit bei den Menschen nicht wirklich bekannt ist. Laut einer Studie der BaFin, der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, aus dem Jahr 2019 können zwischen einem Viertel und einem Drittel der befragten Personen das Risiko einer nachhaltigen Geldanlage nicht einschätzen. Fehlt dieses Wissen, kann selbst das beste Finanzprodukt der Welt im Portfolio wenig helfen.

Dazu kommt: Eine Studie der Bürgerbewegung Finanzwende zeigt, dass nachhaltige Fonds seit 2019 über 800 Millionen Euro in Öl- und Gasunternehmen gesteckt haben – eine Branche, die unter anderem für ihre Gefahren für die Umwelt bekannt ist. Möglich macht das der „Best in class“-Ansatz, bei dem Investoren Aktien jener Firmen auswählen, die sich in Sachen Nachhaltigkeit besser schlagen als die Konkurrenz. Wenn aber die Auswahl oft nicht zu anderen Aktien im Portfolio führt, kann das Verhalten eines Fonds im Krisenfall auch kein anderes sein. Das bedeutet in Anlehnung an ein altes Börsianer-Bonmot: Fällt Butter, fällt Biokäse.

Je strenger die Auswahl, desto größer das Klumpenrisiko

Aber auch wenn Finanzprodukte wirklich ein eigenes Nachhaltigkeitsprofil haben, bedeutet das noch lange nicht, dass sie im nächsten Krisenszenario eine weiße oder besser grüne Weste wahren. Das wiederum hat auch etwas mit dem Anlageuniversum zu tun. Üblicherweise durchleuchten die Finanzexperten von Fondsgesellschaften und Vermögensverwaltungen ein großes Universum – sie wählen dann die Papiere aus, die in ihren Augen das beste Chancen-Risiko-Verhältnis aufweisen, und konstruieren daraus ein Portfolio.

Werden nun zusätzlich zu den Finanzkennzahlen Nachhaltigkeitskriterien angelegt, schmälert das die Auswahl. Zu sehr? Kommt darauf an. Ein Beispiel: Der MSCI World umfasst rund 1600 Aktien; der nachhaltiger ausgerichtete MSCI World ESG nur eine Handvoll weniger. Wer aber die Weltmarktführer in Sachen Nachhaltigkeit haben will, kann zum MSCI World ESG Leaders greifen mit nur noch etwas über 700 Aktien. Finanzexperte Andreas Beck aus dem Management des Fonds Global Portfolio One sagt daher: „Es gibt unterschiedlich strenge ESG-Filter. Die toleranteren führen noch zu breit gestreuten Portfolios, die strengeren hingegen haben ernsthafte Klumpenrisiken.“

Gefährlicher Bluechip-Bias

Diversifikation ist dabei nicht nur eine Frage der Anzahl, sondern auch der Größe – von Small bis Large Caps. Die Mischung macht’s. Das Problem: „Die bestehenden ESG-Ratings sind Bürokratiemonster“, so Beck. „Man muss die Daten richtig einschätzen und interpretieren, dann ist man nachhaltig. Die dafür notwendigen Kosten für Buchhaltung, Wirtschaftsprüfung und Consultants können oder wollen sich Mittelständler tendenziell nicht leisten. Daher sind etwa im MSCI World Index noch acht Prozent Mid Caps. Im MSCI World SRI Index sind es null Prozent.“ Ein „Bias“ also in Sachen Nachhaltigkeit zu Bluechips.

Immerhin: Das große Interesse der Investoren allein ist offenbar kein Problem. „In ausgewählten Branchen, wie beispielsweise der Energiewirtschaft, sollten Unternehmen mit nachhaltigen Geschäftsmodellen von überproportionalem Wachstum profitieren und sind Risiken – wie unbrauchbaren Vermögenswerten oder Klagen im Zusammenhang mit dem Klimaschutz beziehungsweise Klimawandel – nicht ausgesetzt“, sagt Johannes Maier, Fondsmanager für globale Infrastrukturaktien bei Bantleon. „Dadurch verbessern sich nicht nur die Wachstumschancen, sondern dies führt auch zu einem reduzierten Risikoaufschlag, was insgesamt höhere Bewertungen rechtfertigt.“ In anderen Worten: Es mag einen Preisaufschlag für Nachhaltigkeit geben, doch der ist gerechtfertigt.

Im Krisenfall dürften sich nachhaltige Investments daher nicht besser verhalten als ihre herkömmlichen Wettbewerber. Aber anderes zu erwarten wäre auch unfair. Gutes Geld ist eben gutes Geld. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

16.03.2022    Arne Gottschalck
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