Symbolbild einer Analyse vom Aktienmarkt
09.08.2021    Gerhard Michel
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Viele der „Neu-Investierenden“ wählen die Aktie als Anlagevehikel aus, weil es wegen der stark gestiegenen Preise anderer Vermögenswerte wie Anleihen und Immobilien kaum Anlagealternativen gibt und sie wegen gestiegener Notierungen auf weiter kletternde Kurse vertrauen. Ob diese Aktienneulinge über ein ausreichendes Durchhaltevermögen verfügen, wird sich – genau wie bei allen Generationen vor ihnen – erst bei fallenden Kursen zeigen.

Kolumnenkasten von Gerhard Michel

Wie kann man Investierende langfristig für den Aktienmarkt begeistern?

Wenn man die deutsche Aktienkultur historisch betrachtet, dann stellt man fest, dass die Anzahl der Aktionärinnen und Aktionäre, Anleger in Einzelwerte, Fonds und ETFs in Deutschland in den Jahren 2000 und 2001 größer war als heute. Ihre Anzahl fiel nach dem Platzen der Dotcom-Blase, bis sie im Jahr 2010 mit nur 11,8 Prozent ihren Tiefpunkt erreichte. Zwei ernüchternde Fakten lassen sich somit festmachen:

  1. Die Anzahl der Aktionärinnen und Aktionäre ist prozentual seit dem Jahr 2000 nicht gestiegen.
  2. Die Anzahl der Aktionärinnen und Aktionäre sinkt, wenn die Aktienpreise fallen.

 

Punkt 2 bedingt auch Punkt 1. Betrachten wir daher Punkt 2 etwas genauer:

Warum kehren Enttäuschte dem Aktienmarkt den Rücken zu?

Diese Frage ist ernst zu nehmen, da die Enttäuschung über die erlittenen Verluste in Erzählungen häufig an die Kinder weitergegeben wird und somit auch nachfolgende Generationen ein kritisches Verhältnis zu einem volkswirtschaftlich wichtigen Instrumentarium wie der Börse entwickeln. Formulierungen wie „Aktien sind mir zu risikoreich“ treffen – wohl eher unterbewusst – den Kern des Problems sehr gut.

Risiko entsteht aus Mangel an Bildung

Diese Tatsache erkennen wir alle in unserem „außerbörslichen“ Leben an. Wer keinen Führerschein hat, sollte nicht Auto fahren. Und jemand, der keine Gastronomieerfahrung hat, sollte kein Nobelrestaurant eröffnen. Es ist verwunderlich, dass gerade in einem komplexen Themenbereich wie der Unternehmensbewertung – Börse ist nichts anderes als Unternehmensbewertung – so wenig Augenmerk auf eine solide Ausbildung gelegt wird. Der menschliche Reflex, nach dem vermeintlich leicht verdienten Geld zu greifen, hebelt logische Überlegungen nur zu leicht aus.

Illustration von Gerhard Michel

Gerhard Michel ist Investor und Finanzcoach. In Einzelcoachings, Seminaren und als Gastdozent vermittelt er die quantitative, fundamentale Aktien- / Unternehmensanalyse

Aktienpreise sagen nichts über innere Werte aus

Daher sollten Investierende sich weiterbilden, um auf der Basis von fundamentalen Unternehmensanalysen innere Werte von Unternehmen selbstbestimmt und sicher berechnen zu können. Diese einmal zu leistende Fortbildung bewirkt ein neues Mindset, das es möglich macht, den Unternehmenswert abgekoppelt vom Aktienpreis zu betrachten. Sollten Aktienpreise unter die errechneten Unternehmenswerte fallen, so sind intelligente Investorinnen und Investoren in der Lage, hervorragende Unternehmen zu einem günstigen Preis zu kaufen. Sie handeln somit konträr zu denen, die bei fallenden Preisen dem Aktienmarkt den Rücken zukehren und sie bleiben dem Aktienhandel für immer treu.

Nicht jedes Investment ist sinnvoll

Investorinnen und Investoren, die sich mit den in den Geschäftsberichten der Unternehmen hinterlegten Werten auseinandersetzten, erkennen bald, dass es unterschiedliche Qualitätsklassen von Firmen gibt. Es gibt zum Beispiel hervorragende Unternehmen, bei denen sich ein Investment lohnt, wenn der gebotene Preis nicht zu hoch ist. Es gibt mittelmäßige Unternehmen, bei denen sich ein Investment lohnt, wenn der gebotene Preis niedrig genug ist. Und es gibt Unternehmen, bei denen sich ein Investment niemals lohnt – egal wo der Preis gerade liegt.

Fundamentalinvestoren stärken solide und erfolgreiche Unternehmen

Fundamental Investierende fangen Kurseinbrüche eher auf, als dass sie diese verstärken. Nur eine breite Ausbildung in der fundamentalen Unternehmensanalyse kann nachhaltig die Aktienkultur stärken und somit der gesamten Volkswirtschaft zugutekommen. Denn Fonds- und ETF-Anleger, welche die Investmententscheidung wegen Zeit- oder Interessenmangel auslagern (auch die Zusammensetzung eines ETFs wird von anderen bestimmt), verlassen bei fallenden Kursen das Börsenparkett genauso schnell wieder wie sie gekommen sind. Es ist somit im Interesse der soliden Unternehmen sowie aller Finanzinstitutionen, dass die Bundesbürger mehr über das Berechnen eines Unternehmenswerts lernen.

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09.08.2021    Gerhard Michel
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