ein alter Mann steht im gelben Regenmantel mit ausgebreiteten Armen im strömenden Regen
21.11.2023    Fanny Rosenberg
  • Drucken

Wir betreiben Sickcare statt Healthcare, indem wir erst dann zum Arzt gehen, wenn bereits Beschwerden vorliegen, sagt Irmi Huber. Ihr Unternehmen neotes bestimmt mit epigenetischen Selbsttests das biologische Alter sowie die Wahrscheinlichkeit bestimmter Erkrankungen.

Ergänzend werden die Testergebnisse mit Ärzten und Ernährungsberatern besprochen, sodass Imbalancen im Körper frühzeitig erkannt und durch Veränderungen im Lebensstil sowie durch die Einnahme altersrelevanter Mikronährstoffe ausgeglichen werden. In manchen Fällen erfolgt weitere Diagnostik im Rahmen der Präventivmedizin.

Zur Person

die Ärztin Dr. med. Irmi Huber

Dr. med. Irmi Huber

ist Ärztin und Mitgründerin des Start-ups neotes

Haben Sie die Tests selbst gemacht, und haben Sie seitdem etwas in Ihrem Leben verändert?

Irmi Huber: Ich habe den neotes bioAge Test mehrfach durchgeführt. Mein biologisches Alter war 4,5 Jahre jünger als das chronologische. Eine sehr schwere Lebensphase, in der ich meinen Lebensgefährten durch einen aggressiven Krebs verloren habe, hat mich epigenetisch wieder deutlich altern lassen.

Ich messe täglich meine wesentlichen Biomarker mit dem Oura-Ring und weiß, dass ich meine Longevity wieder deutlich verbessert habe, mein aktives Leben jedoch meine Selbstoptimierung nach dieser Lebenskrise verzögert. Inzwischen kümmere ich mich bewusst um meine Gesundheit mit Meditation, spirituellem Coaching und Achtsamkeitstraining.

Anhand epigenetischer Marker misst neotes das biologische Alter des Körpers und kann somit feststellen, wie sehr dieser bereits Alterungsprozessen unterliegt und wie hoch das Risiko bestimmter Erkrankungen ist. Wie genau funktioniert das?

Huber: Epigenetische Marker sind chemische Veränderungen an der DNA, die nicht die Sequenz selbst verändern, sondern die Art und Weise, wie Gene gelesen werden. Das bekannteste Beispiel für einen epigenetischen Marker ist die DNA-Methylierung. Dabei wird eine Methylgruppe an das Cytosinmolekül eines DNA-Strangs angehängt. Diese Methylierung kann dazu führen, dass ein Gen weniger häufig abgelesen oder ganz stumm geschaltet wird.

Studien zeigen, dass bestimmte Muster von DNA-Methylierung mit dem Alter variieren und so als Marker für das biologische Alter dienen können. Diese Erkenntnisse nutzen wir und können mit Selbsttests das biologische Alter ermitteln sowie Aussagen zum individuellen Lifestyle und zu Krankheitsrisiken treffen.

Welche neue Erkenntnis auf dem Feld der Longevity hat Sie zuletzt so richtig zum Staunen gebracht?

Huber: Die Möglichkeiten der Stammzell- und Gentherapie. Die Stammzelltherapie kann eine zelluläre Ursache des Alterns beheben. Stammzellen, wesentlich für die Reparaturprozesse im Körper, nehmen mit dem Alter ab und sind nicht mehr so funktionsfähig. Durch Stammzelltherapie kann dieses Phänomen gelindert werden. Die CRISPR-Technologie, eine Art Genschere, erlaubt Wissenschaftlern, das Erbgut von Organismen mit beispielloser Präzision zu verändern, indem sie spezifische Abschnitte der DNA ausschneidet und ersetzt. Dafür wurde 2020 der Nobelpreis für Chemie vergeben.

Einer der zwölf Gründe des Alterns ist die Instabilität des Genoms; Veränderungen in unserem Erbgut, die zu Fehlfunktionen im Körper führen. Heute wird dazu Basisforschung betrieben, übermorgen kann sich daraus ein Gen-Engineering entwickeln, das eine Therapie für genetische Erkrankungen oder sogar für die Verjüngung darstellt.

21.11.2023    Fanny Rosenberg
  • Drucken
Zur Startseite