Papierschiffe mit Ruderern; im ersten Schiff hält jemand mit einem Fernrohr Ausschau und weißt so den Weg
12.06.2023    Nadine Schmidt
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Als Eva Neugebauer und Juliane Willing 2015 ihr Unternehmen Frischepost gegründet haben, konnten sie erfolgreich die Brücke zwischen regionalen Lebensmitteln und E-Commerce bauen. Den beiden Gründerinnen gelang es, als zunächst alleinige Mitarbeiterinnen ein individuelles Konzept zu erarbeiten und in den folgenden sieben Jahren darauf aufzubauen.

Besonders in der Anfangszeit der Selbstständigkeit stehen die meisten jungen Unternehmerinnen und Unternehmer vor vielfältigen Herausforderungen, die viel Risikobereitschaft erfordern. Für die beiden Gründerinnen der Frischepost war es vor allem die Coronapandemie, die sie vor Probleme stellte, weil dadurch ein Großteil ihrer Firmenkunden wegbrach.

Mut zu schnellen Entscheidungen

Kurze Zeit später stiegen dann die Bestellungen der Privatkunden enorm an, sodass Neugebauer und ihr Team schnell reagieren mussten. Sie legten ihr Geschäftsmodell daraufhin langfristig auf Privatkunden aus. Auch der Ukrainekrieg brachte Spannungen in das Unternehmen, da durch die höhere Inflation erneut Kunden wegfielen.

Daraus hat Neugebauer vor allem eines gelernt: schnell mutige Entscheidungen zu treffen. In ihrer aktuellen Position beim Lebensmittellieferanten Flaschenpost profitiert sie von ihren Erfahrungen aus der Zeit als Mitgründerin von Frischepost. Dadurch konnte sie direkt ins Handeln kommen und baut nun ein deutschlandweites Netzwerk für regionale Lebensmittel auf. Mit zahlreichen zukunftsweisenden Ideen geht sie seit dem vergangenen Jahr ihren neuen Aufgaben nach.

Zur Person

Eva Neugebauer von die Flaschenpost SE

Eva Neugebauer

ist Head of Regional Procurement bei „die Flaschenpost SE“

Wie haben Sie die Gründungsphase Ihres Unternehmens Frischepost erlebt?

Eva Neugebauer: Das war eine aufregende Zeit. Juliane Willing und ich waren der Überzeugung, dass die Direktvermarktung von regionalen Lebensmitteln einen enormen sozialen und ökologischen Mehrwert schafft und einen Platz in der Gesellschaft braucht.

Anfangs haben wir alle Schritte selbst getätigt. Das heißt, wir haben in einer Testphase die Produkte selbst von Erzeugern abgeholt, gepackt und ausgeliefert. Dabei haben wir beobachtet, wie unsere Dienstleistung angenommen wurde und welche Schwierigkeiten es gab. Aus diesen ersten Erfahrungen haben wir ein Konzept erstellt und uns dann erfolgreich um verschiedene Förderungen, wie beispielsweise Exist, beworben. In dieser ersten Phase als Unternehmerinnen waren wir viel unterwegs, haben Gespräche geführt und konnten daraus viel lernen.

Zu welchem Zeitpunkt Ihrer Selbstständigkeit mussten Sie mutig sein?

Neugebauer: Ich musste immer mutig sein. Mein Team und ich haben stets einen Schritt weitergedacht und fest an unser Produkt geglaubt. Wir sind davon ausgegangen, dass es gelingen wird, obwohl wir zum Teil noch nicht wussten, was funktionieren kann. Infolgedessen wuchs auch die personelle Verantwortung, da wir mit der Zeit 200 bis 300 Mitarbeitende eingestellt haben.

Wir haben von Anfang an auf Nachhaltigkeit gesetzt und viele mutige Entscheidungen getroffen, die wir konsequent durchgesetzt haben. Ein Beispiel ist unser Pfandsystem für Milch- und Joghurtflaschen sowie Verpackungen.

Außerdem haben wir auf Elektromobilität gesetzt, was 2015 noch kein so aktuelles Thema war, wie es heute ist. Dementsprechend gab es zum Beispiel noch keine ausreichende Lade-Infrastruktur für die Autos, was unser Vorhaben zusätzlich erschwert hat. Wir waren sehr mutig, da wir langfristig gedacht und nach unseren Werten entschieden haben, obwohl damit eine große Komplexität und ein hohes Risiko einhergingen.

Warum lohnt es sich, Risiken einzugehen, und wie profitieren Sie heute von diesen Erfahrungen?

Neugebauer: Nur wer Risiken eingeht, kann daran wachsen und sich weiterentwickeln. Durch meine Risikobereitschaft konnte ich viele inspirierende Menschen treffen und in den Austausch gehen. Außerdem kann man sich nur am Markt differenzieren, wenn man Wege geht, die bisher noch niemand gegangen ist. Sprich: Wege, von denen man nicht weiß, ob sie funktionieren. Ohne Risiko geht es also nicht. Die Geschäfte, die einen hohen Impact aufweisen, sind am risikoreichsten, und jene, die weniger riskant sind, bringen entsprechend wenig Veränderung. Es lohnt sich also, mutig zu sein, um erfolgreich zu sein.

Auf Ihrem LinkedIn-Profil schreiben Sie, dass Sie die Vision von Frischepost nun bei Flaschenpost weiterführen. Wie gelingt Ihnen das in Ihrer neuen Position?

Neugebauer: In meiner neuen Position ist es mir möglich, die Werte, die wir bei Frischepost vertreten haben, in erweiterter Form weiterzuleben. Bei Flaschenpost arbeiten wir dezentral an derzeit 33 Standorten und können den Kundinnen und Kunden somit ein regionales Sortiment anbieten. Die Standorte werden stetig weiter ausgebaut. Mir ist es besonders wichtig, den Spagat zwischen ausgewählten regionalen biologischen Lebensmitteln und solchen aus konventioneller Erzeugung zu schaffen. Mein Ziel ist es, den bewussten Konsum von Lebensmitteln zu fördern und Transparenz über deren Herkunft und den Erzeugenden zu schaffen.

12.06.2023    Nadine Schmidt
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