Illustration zu Netto-Null-Emissionen zeigt Weltkugel, Fieberthermometer und Sonnenschirm
23.08.2022    Daniela Tabarelli
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Eine „integrative und nachhaltige Zukunft“ – unter diesem Leitgedanken verfolgt Capgemini elf Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen. Dazu zählen soziale Aspekte wie die Stärkung der digitalen Teilhabe und eines diversen sowie inklusiven Arbeitsumfelds. Ein weiterer Schwerpunkt ist der Klimaschutz: Capgemini will bis 2025 klimaneutral wirtschaften. Und im nächsten Schritt heißt das Ziel dann Netto-Null-Emissionen. Gemeint ist, dass unterm Strich nicht nur durch die Geschäftstätigkeit von Capgemini keine Treibhausgase mehr in die Atmosphäre gelangen, sondern dass das entlang der gesamten Wertschöpfungskette sichergestellt wird. 

Dieses Thema treibt die Beratung aber nicht nur intern voran, sondern es wird Teil aller Kundenprojekte. Capgemini-Nachhaltigkeitsexpertin Dr. Dorothea Pohlmann erklärt, warum die Reduzierung von Treibhausgasemissionen für alle Unternehmen zur zentralen Aufgabe geworden ist und wie Nachhaltigkeit zum wirtschaftlichen Erfolgsmodell werden kann.

Zur Person

Porträt Dr. Dorothea Pohlmann

Dr. Dorothea Pohlmann

ist Co-Lead des Center of Excellence Sustainability bei Capgemini in Deutschland

Welche Angebote macht Capgemini Firmen im Bereich Nachhaltigkeit?

Dorothea Pohlmann: Wir schauen immer durch die Brille unseres Kunden, um zu wissen, was ihn eigentlich antreibt, wo seine Herausforderungen liegen. Es gibt Ziele, die jeder verfolgen muss – ob auf ­EU-Ebene oder auf Deutschland bezogen. Natürlich wollen wir alle die beste Performance der Produkte zum besten Preis – und jetzt kommt die Nachhaltigkeit noch mit dazu. Dafür gilt es, in der Zusammenarbeit mit Kunden ein Rahmenwerk in den Unternehmen zu schaffen.

Welche Themen gehen Sie mit Kunden konkret an?

Pohlmann: Alle müssen das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaschutzabkommens einhalten und bis 2050 bei Netto-Null landen. Das klingt immer so lang, ist es aber gar nicht. Es braucht eine Zieldefinition: Was muss ein Unternehmen konkret tun, um die größten Emissionstreiber zu eliminieren? Gerade produzierende Firmen verbrauchen viel Energie und viele Materialien, um ihre Produkte herzustellen. Wir sind mit unseren Engineering-Kollegen nah an den Produkten. Das heißt, wir können mit Kunden erst einmal Transparenz herstellen, um dann Treibhausgasemissionen zu reduzieren.

Welche Rolle spielen neue Technologien bei der Erreichung von Nachhaltigkeitszielen?

Pohlmann: Unternehmen müssen sich den gesamten Lebenszyklus der Produkte anschauen. Sehr ­viele Treibhausgasemissionen entfallen auf Materialien und die Energie, die notwendig ist, um daraus Produkte herzustellen. Aber auch in der Nutzungsphase fallen Emissionen an. Deswegen schaut man etwa beim Auto oder auch beim Flugzeug, das eventuell mehr als 20 Jahre genutzt wird, wie man diese reduzieren kann. So können Unternehmen Nachhaltigkeit bereits im Design berücksichtigen. Im Flugverkehr beispielsweise kann es auch eine Option sein, Wasserstoff oder sogenannte Biofuels statt Kerosin zu nutzen.

Welchen Mehrwert kann die Analyse von Daten in diesem Prozess liefern?

Pohlmann: Die bestehenden IT-Landschaften unserer Kunden erzeugen und speichern eine Vielzahl von Daten. Diese nutzbar zu machen – das ist ein großer Teil dessen, was wir in Kundenprojekten tun. Alle Industrien sind innerhalb ihrer Wertschöpfungsketten verbunden. Ein Autohersteller bekommt Stahl – und der Stahlhersteller kann auch Daten zum Treibhausgas-Fußabdruck des Werkstoffs liefern. Wir müssen den Informationsfluss innerhalb der Wertschöpfungsketten sicherstellen. Nur wenn wir unsere Daten und Informationen konsequent teilen, erreichen wir es als Gesellschaft wirklich, das Ziel Netto-Null.

Welche Rolle spielen hierbei gesetzliche Vorgaben und Regularien?

Pohlmann: Das Greenhouse Gas Protocol beispielsweise schreibt Unternehmen nur vor, über die Scopes 1 und 2 zu berichten. Diese Bereiche sind auf das Unternehmen im engeren Sinne fokussiert. Erst Scope 3 umfasst auch die Wertschöpfungskette. Viele Unternehmen sagen daher: Solange ich nicht muss, werde ich nicht der Erste sein, der etwas tut. Warum das so ist? Aus Angst, durch umfassende Transparenz gegenüber Wettbewerbern eventuell schlechter in Auswahlprozessen dazustehen.

Wie wirkt sich das auf Ihre Arbeit aus?

Pohlmann: Das Wichtige für uns ist tatsächlich, den Kunden dort abzuholen, wo er steht. Wenn er ­gewisse Dinge nicht tut, gilt es nachzuvollziehen, warum er so agiert. Es kann viele Gründe haben – und die muss man natürlich verstehen. Unsere Aufgabe sehen wir darin, mit dem Kunden einen Weg zu entwickeln und dann auch der Partner bei der Umsetzung zu sein.

Worauf kommt es dabei an?

Pohlmann: Produkte aus der Perspektive von Nachhaltigkeit und Wiederverwendbarkeit zu denken beginnt bei ihrem Design. Sie sollten zum Beispiel nicht verklebt sein, um ihre Demontage zu erleichtern. Man muss mit Blick auf die Kreislaufwirtschaft sichergehen, dass Stoffe wieder zurück in den Kreislauf gelangen. Dann stellt sich immer die Frage: Wie plane ich das? Digitale Techno­logien wie beispielsweise digitale Zwillinge können diesen Prozess erheblich beschleunigen. Wir als globaler Dienstleister bieten dazu alles aus einer Hand: Strategieberatung, Engineering und IT.

Wo sehen Sie bei Nachhaltigkeitsbestrebungen besonders großes Potenzial, das noch nicht vollständig ausgeschöpft wird?

Pohlmann: Beim Thema Budget sieht man: Ein Auto darf nur einen bestimmten Preis haben. Warum macht man das Gleiche nicht mit Treibhausgasen und definiert ein entsprechendes ­Budget? Als Hersteller breche ich das herunter und gebe es an meine Zulieferer weiter. Deshalb sind Daten so immens wichtig. Wir müssen Nachhaltigkeitsbestrebungen mit der budgetären Seite verbinden. Ein Unternehmen wird nichts verändern, nur weil das Neue wahnsinnig grün wäre. Wir müssen zeigen – und das können wir –, dass es weniger Emissionen gibt, wenn man an entsprechenden Stellschrauben dreht, und dass das weniger Energie- und Materialeinsatz bedeutet, gerade in der zirkulären Wirtschaft. Das ist dann kein Nachhaltigkeits-Case mehr, sondern ein Business-Case.

23.08.2022    Daniela Tabarelli
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