drei Stücke einer Erdbeer-Creme-Torte wurden von oben auf gelbem Grund fotografiert
01.11.2023
  • Drucken

Tausende Euro Steuern und Abgaben mussten Klarna-Mitarbeitende für ihr Beteiligungsprogramm zahlen – und zwar ohne im Gegenzug je einen Euro bekommen zu haben. Über diese Nachricht berichteten letztes Jahr viele Medien. Der gemeinsame Tenor: Klarna hat seinen Mitarbeitenden durch das „Restricted Stock Unit“-Programm (RSU) übel mitgespielt.

Wie konnte das RSU-Programm von Klarna schiefgehen?

Ein RSU-Programm funktioniert wie folgt: Nach dem Ablauf einer Frist erhalten Mitarbeitende ihre Anteile und müssen abhängig von ihrer Steuerklasse bis zur Hälfte des Anteilwerts an Steuern und Abgaben zahlen. In Deutschland gibt es jedoch keine Absicherung bei einem Werteverlust der Anteile. Tritt dies ein, können die Abgaben sogar höher sein als der eigentliche Anteilswert.

Klarna befand sich auf einem historischen Hoch als das RSU-Programm eingeführt wurde. Dann jedoch folgte die größte Krise des schwedischen Zahlungsanbieters; der Aktienwert brach von mehr als 45 Milliarden auf unter 7 Milliarden US-Dollar ein. Und die Klarna-Mitarbeitenden zahlten mehr Abgaben als ihre Anteile überhaupt wert waren. Dieser Effekt wird auch Dry-Income-Problematik genannt.

Lehren aus dem Klarna-Fall ziehen 

Für viele Angestellte war dies eine existenzbedrohende Situation. Dabei ist die Intention, mit der Mitarbeiterbeteiligungsprogramme eingeführt werden, eine ganz andere. Die Vorteile sind vielfältig: Mitarbeitende werden langfristig motiviert und an den Arbeitgeber gebunden, während Unternehmen ihre Angestellten erst im Erfolgsfall (meist also beim Exit) finanziell belohnen und dadurch ihre Liquidität erhöhen.

Der Employee Stock Option Plan (ESOP) hat sich mittlerweile als beliebtes Instrument in Start-ups und kleinen und mittleren Unternehmen etabliert. Wer weniger regulatorischen Aufwand bevorzugt, kann seine Mitarbeitenden ebenso mit einem Virtual Stock Option Plan (VSOP) beteiligen. Hier erhalten Angestellte virtuelle Anteile und profitieren von den gleichen Vorzügen einer Zahlung beim Exit und/oder bei Gewinnausschüttungen.

Die entscheidende Frage ist jedoch, welche juristischen und regulatorischen Aspekte konkret zu beachten sind, um einen zweiten Klarna-Fall zu vermeiden.

Individuelle Gestaltung und Expertenberatung zur Mitarbeiterbeteiligung sind entscheidend

Der Fall Klarna zeigt, dass Blaupausen in den seltensten Fällen funktionieren, da jedes Land und Unternehmen unterschiedliche Voraussetzungen hat.

Zunächst sollten Sie ausreichend Zeit in die Entwurfsplanung eines ESOP stecken. Schließlich geht es hier um Ihr Personal – und es geht darum, neue qualifizierte Kräfte von Ihrer Mission zu überzeugen.

Das Vertragswerk muss fehlerfrei entwickelt werden, damit steuerliche und sozialversicherungspflichtige Stolperfallen gar nicht erst entstehen. Außerdem gilt es bereits im Vorfeld, Grundsatzentscheidungen zu treffen – beispielsweise, welche Personen beteiligt werden oder was für Klauseln eingebaut werden, um Konflikten beim vorzeitigen Verlassen des Unternehmens vorzubeugen.

Expertenberatung ist in diesem Prozess unerlässlich. Vermeiden Sie es, auf allgemeine Vorlagen zurückzugreifen, gerade bei der juristischen Ausgestaltung. Inzwischen gibt es zudem professionelle Beratungen, die softwaregestützt Unternehmen helfen, den Überblick zu behalten und Fehler zu vermeiden.

Mehr Sicherheit durch das Zukunftsfinanzierungsgesetz

Noch in diesem Jahr könnte das Zukunftsfinanzierungsgesetz in Kraft treten und einige Stolperfallen eliminieren. Insbesondere das Abmildern der Dry-Income-Problematik klingt vielversprechend: Beschäftigte müssten künftig keine Abgaben an das Finanzamt zahlen, ehe sie Geld aus ihren Anteilen erhalten. Anstatt wie bisher nach zwölf Jahren, sind sie mit dem Gesetz erst nach 20 Jahren fällig. Auch bei einem vorzeitigen Verlassen des Unternehmens werden künftig keine Steuerzahlungen mehr fällig, sondern erst, wenn die Anteile tatsächlich veräußert werden.

Am Verwaltungsaufwand ändert das neue Gesetz allerdings nichts. Immer dann, wenn reale Geschäftsanteile übertragen werden sollen oder die Verpflichtung dazu begründet wird, ist der Gang zum Notar erforderlich. Zudem lässt das Gesetz weiterhin offen, zu welchem Wert (der gerade im Start-up-Umfeld oft astronomische Höhen erreichen kann) der Anteilserwerb tatsächlich zu versteuern ist.

All dies spricht nach wie vor für eine virtuelle Beteiligung, auch wenn die daraus resultierenden Zahlungen als Einkommensbestandteile der Lohnsteuer unterliegen. Denn im Ergebnis erreicht die virtuelle Beteiligung genau das, was beabsichtigt ist – nämlich die Beteiligung der Mitarbeitenden am wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens.

Beispiele wie das von Klarna mögen den Eindruck erwecken, dass Mitarbeiterbeteiligung komplex und fehleranfällig sind. Dabei ist dies nur der Fall, wenn sie nicht individuell verstanden wird. Mithilfe professioneller Beratung können maßgeschneiderte Lösungen vom Vertragswerk bis hin zur Umsetzung bereitgestellt werden und einen echten Mehrwert für interessierte Unternehmen bieten.

Zur Person

Christopher Hahn ist Anwalt und Experte für Mitarbeiterbeteiligung

Dr. Christopher Hahn

ist Gründungspartner von trustberg, Rechtsanwalt, Business Angel und Mitgründer von ESOP-Direkt. Als Anwalt konzentriert er sich auf Gesellschaftsrecht, M&A und Venture Capital. Hahn ist Experte für die Ausgestaltung von Beteiligungsprogrammen und schrieb unter anderem das Standardwerk „Virtuelle Mitarbeiterbeteiligungen“

Kolumnen, Kommentare und Gastbeiträge auf DUP-magazin.de geben ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors oder der jeweiligen Autorin wieder, nicht die der gesamten Redaktion.
01.11.2023
  • Drucken
Zur Startseite