Illustration eines Arbeitgebers, der von seinem Weisungsrecht Gebrauch macht und seinen Angestellten Anweisungen erteilt
20.12.2022    Madeline Sieland
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Muss ein Angestellter ins Ausland gehen, weil der Arbeitgebende es so verlangt? Ein deutscher Pilot einer irischen Fluglinie hatte da seine Zweifel – obwohl im Arbeitsvertrag geregelt war, dass er auch an anderen Orten stationiert werden kann.

Nachdem alle deutschen Standorte der Fluglinie geschlossen wurden, hat man den Piloten nach Italien versetzt. Er sollte zu den dort geltenden Arbeitsbedingungen und Gehältern weiterhin beschäftigt werden.

Die entsprechende Änderungskündigung nahm der Pilot unter Vorbehalt an – und klagte. Sowohl das Arbeitsgericht Nürnberg als auch das Landesarbeitsgericht Nürnberg haben die Klage abgewiesen. Dann war das Bundesarbeitsgericht (BAG) am Zug.

Versetzung ins Ausland ist vom Weisungsrecht gedeckt

In der ersten Stellungnahme zum Urteil schreibt das BAG (5 AZR 336/21): „Der Arbeitgeber kann aufgrund seines arbeitsvertraglichen Direktionsrechts den Arbeitnehmer anweisen, an einem Arbeitsort des Unternehmens im Ausland zu arbeiten, wenn nicht im Arbeitsvertrag ausdrücklich oder den Umständen nach konkludent etwas anderes vereinbart worden ist.“

Und weiter heißt es: „Ist – wie im Streitfall – arbeitsvertraglich ein bestimmter inländischer Arbeitsort nicht fest vereinbart, sondern ausdrücklich eine unternehmensweite Versetzungsmöglichkeit vorgesehen, umfasst das Weisungsrecht des Arbeitgebers nach § 106 Satz 1 Gewerbeordnung auch die Versetzung an einen ausländischen Arbeitsort. Eine Begrenzung des Weisungsrechts auf Arbeitsorte in der Bundesrepublik Deutschland ist dem Gesetz nicht zu entnehmen.“

Im Arbeitsvertrag genügend Spielräume lassen

„Auch wenn für die Luftfahrtbranche Besonderheiten gelten, so rückt die Verhandlung vor dem BAG weltweite Versetzungsmöglichkeiten – auch ohne konzernweite Versetzungsklauseln – ins Scheinwerferlicht“, sagt Sophia-Clara Schulte, auf Arbeitsrecht spezialisierte Anwältin bei der Kanzlei Noerr. „Die Entscheidung hat für sämtliche international tätige Unternehmen Bedeutung, zum Beispiel für Firmen aus der Automobilbranche oder dem Maschinenbau.“

Schulte empfiehlt ihren Mandanten, „sich bei der Ausgestaltung von Arbeitsverträgen einen entsprechenden Spielraum hinsichtlich des Arbeitsorts vorzubehalten und das arbeitgeberseitige Direktionsrechts nicht einzuschränken. Abgewogen werden müssen hierbei jedoch auch Wechselwirkungen eines nicht konkreten Arbeitsortes mit dem Schutz vor betriebsbedingten Kündigungen, sodass im Einzelfall oder jedenfalls gruppenbezogen entschieden werden muss.“

Was umfasst das Weisungsrecht?

Das Direktions- beziehungsweise Weisungsrecht ist in § 106 Gewerbeordnung verankert. Demnach kann der Arbeitgebende „Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen“. Dadurch können Arbeitnehmende entsprechend der betrieblichen Erfordernisse eingesetzt werden.

Allerdings gilt das nur, solange der Arbeitsvertrag, eine Betriebsvereinbarung, ein Tarifvertrag oder andere gesetzliche Vorgaben – etwas das Bundesurlaubsgesetz oder das Arbeitszeitgesetz – dieser Anweisung nicht widersprechen.

Das heißt also: Je genauer die Arbeitsbedingungen festgelegt sind, desto weniger Spielraum gibt es bei der Ausübung des Weisungsrechts. Denn vertragliche Vereinbarungen haben immer Vorrang.

Zudem ist das Weisungsrecht dadurch eingeschränkt, dass das „billige Ermessen“ bei Anweisungen beachtet werden muss. Konkret bedeutet das: Die betrieblichen Interessen und die Arbeitnehmerinteressen müssen gegeneinander abgewägt werden; Willkür soll dadurch verhindert werden.

Des Weiteren hat der Arbeitgebende ein Weisungsrecht hinsichtlich „der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb“. Was damit gemeint ist? Zum Beispiel klare Vorgaben für den Dresscode. Oder es wird untersagt, das Smartphone in gewissen Bereichen des Betriebsgeländes zu nutzen.

Wer ist weisungsbefugt?

Weisungsbefugt ist allerdings nicht nur die Unternehmensleitung. Diese kann das Weisungsrecht an Führungskräfte und andere Mitarbeitende delegieren, falls diese für einen Teilbereich der Firma die Verantwortung tragen.

Mitarbeitende, die diese Anweisungen nicht befolgen, verstoßen gegen ihre Hauptpflicht: die Erbringung von Arbeitsleistungen. Die Folge können Abmahnungen bis hin zu (fristlosen) Kündigungen sein.

20.12.2022    Madeline Sieland
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