RWB Vordenker 2022
17.06.2022    Holger Reher
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Zur Person

Norman Lemke

ist Vorstand und Mitgründer der RWB PrivateCapital Emissionshaus AG. Der Diplom-Kaufmann mit den Studienschwerpunkten Wirtschaftsrecht, Bank- und Börsenwesen hat zusätzlich das Examen als Steuerberater abgelegt

Wie haben sich Ergebnis und Umsatz in den letzten drei Jahren von 2019 bis 2021 entwickelt?

Norman Lemke: Wir ermöglichen Privatanlegern mit sicherheitsorientierten Dachfonds die Investition in Private-Equity-Fonds, die in der Regel nur ausgewählten, institutionellen Anlegern offenstehen. Unsere Geschäftsentwicklung lässt sich daher am besten am Kapital bewerten, das uns pro Jahr von Privatanlegern für diese Dachfonds anvertraut wird. Im Jahr 2019 waren es rund 37 Millionen Euro, 2020 bereits 42,4 Millionen Euro. Einen deutlichen Umsatzsprung von über 75 Prozent haben wir im vergangenen Jahr 2021 erreicht. Das zugesagte Kapital stieg dabei auf fast 75 Millionen Euro an.

Was ist Ihr Erfolgsrezept? Was ist der Motor für Ihr Wachstum?

Lemke: Der mit Abstand wichtigste Faktor sind talentierte, einsatzbereite und loyale Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Das klingt vielleicht banal. Doch genau diese Kolleginnen und Kollegen, die sich tief in die Materie einarbeiten, laufen keinen kurzfristigen Trends hinterher, sondern übernehmen Verantwortung, um unser Unternehmen langfristig mit- und weiterzuentwickeln. So schaffen wir es auch als Nischenanbieter mit den großen Playern des Finanzmarkts Schritt zu halten und in einigen Punkten sogar einen Schritt voraus zu sein. Kurz gesagt: Gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erkennen, binden und ihnen Verantwortung übertragen ist das, was uns den Erfolg der letzten Jahre beschert hat.

In wenigen Worten – wie sieht Ihre Digitalisierungsstrategie aus?

Lemke: Geldanlage ist zu großem Teil Vertrauenssache, und Vertrauen bauen Menschen vor allem gegenüber anderen Menschen auf. Unser Credo ist daher: Digitalisieren, wo es Mehrwerte oder Effizienzvorteile bringt, ohne jedoch die persönliche Kommunikation der Mitarbeiter untereinander und mit Anlegern, Vertriebs- und Geschäftspartnern zu ersetzen.

Was macht Ihr Unternehmen bei Kunden besonders erfolgreich?

Lemke: Das Umfeld für privaten Vermögensaufbau ist seit Jahren herausfordernd und es hat sich mit der aktuellen Gemengelage aus Niedrigzinsen, hoher Inflation und stärkeren Schwankungen an den Aktienmärkten weiter zugespitzt. Institutionelle Anleger verstärken daher seit Jahren ihre Investitionen in Private Equity, um diesen Herausforderungen zu begegnen. Private Anleger können das nicht so einfach, denn in der Regel sind Mindestanlagesummen in Millionenhöhe notwendig. Wir ermöglichen den Zugang bereits ab 5.000 Euro und haben zudem eine Lösung gefunden, wie wir monatliche Ratensparpläne ab 50 Euro anbieten können.

Welche Rolle spielt Service in Ihrem Business?

Lemke: Service spielt bei uns allein aufgrund der Anlageform eine besondere Rolle. Denn Private Equity ist eine illiquide Anlageklasse. Das heißt, unsere Kunden können ihre Fondsanteile nicht einfach zu jedem Zeitpunkt verkaufen, wie es etwa von Aktien kennen. Sie vertrauen uns ihr Kapital über mehrere Jahre an und über diesen Zeitraum wollen wir für ein kontinuierlich gutes Gefühl bei ihnen sorgen. Dazu gehört neben einer positiven Performance und einer transparenten Berichterstattung auch ein regelmäßiger Informationsfluss. Wir betreiben daher einen hohen Aufwand und informieren mehrmals pro Woche über Entwicklungen in den verschiedenen Portfolios.

Was tun Sie, um den Service zu verbessern?

Lemke: Wir hören zu und setzen pragmatisch um. Unsere Service-Abteilungen führen täglich zahlreiche direkte Gespräche mit unseren Anlegern und Vertriebspartnern und erfahren so unmittelbar, was unsere Zielgruppen beschäftigt, welche zusätzlichen Informationen oder Hilfestellungen sie benötigen. Dank unserer vergleichsweise kleinen Unternehmensgröße sind wir in der Lage viele der zunächst individuellen Wünsche pragmatisch und schnell zu erfüllen. Und wenn die gefundenen Lösungen auch anderen Anlegern Mehrwerte bieten könnten, machen wir sie für die gesamte Zielgruppe zugänglich.

Nennen Sie ein Beispiel wie Ihr Unternehmen Service lebt!

Lemke: Die Service-Bereitschaft ist bei der RWB über das Kundenservicecenter und die Betreuung der Partner hinaus im gesamten Unternehmen verankert. Gerade bei aufwendigeren Anfragen sind schnell mehrere Abteilungen involviert und wir scheuen keinen Zusatzaufwand, um den Informationsbedarf unserer Anleger und Vertriebspartner zu stillen, Fragen zu beantworten oder Bedenken auszuräumen.

Welche Rolle spielt Digitalisierung beim Service?

Lemke: Wir haben rund 80.000 Anlegerinnen und Anleger in unseren Fonds. Die Kommunikation umfasst da ein sehr weites Spektrum von einer simplen Adressänderung bis zu komplexen Fragestellungen zur Asset-Entwicklung, rechtlichen oder steuerlichen Themen. Standardanfragen lassen sich mittlerweile digital über unser Kundenportal erledigen. Bei unserem Kundenservicecenter setzen wir hingegen auch in Zukunft auf echte, menschliche Ansprechpartner und verzichten bewusst auf Chat-Bots und andere automatisierte Interaktionsmöglichkeiten.

Eines unserer digitalen Leuchtturmprojekte ist eine Online-Beratungsplattform, die wir gemeinsam mit unserem Schwesterunternehmen Walnut GmbH & Co. KG entwickelt haben. Die technische Lösung folgt unserer Überzeugung, dass bei komplexen Finanzprodukten immer eine Beratung von Mensch zu Mensch erforderlich ist, um einen potentiellen Anleger mit sehr unterschiedlichem Vorwissen und Erfahrung individuell abholen zu können, wenn er sich einer so langfristigen Anlageentscheidung nähert. Die Funktionalitäten gehen dabei weit über gängige Videokonferenzlösungen hinaus. Finanzberater können sich mit ihren Kunden im digitalen Raum treffen, Anlageprodukte besprechen, im Co-Browsing die notwendigen Dokumente ausfüllen und volldigital abschließen. Unsere Partner blieben dank der Lösung auch während der strikten Kontaktbeschränkungen in der Covid-19-Pandemie handlungsfähig. Mittlerweile haben wir uns sogar entschieden, die Plattform über einen angeschlossenen Marketplace für konkurrierende Anbieter zu öffnen, so dass sie zum führenden Tool für Alternative Investmentfonds und Vermögensanlagen avanciert ist.

Was tun Sie, um eine Service-Kultur zu etablieren und zu verbessern?

Lemke: Der Service-Gedanke steckt schon aus reinem Selbstzweck in unserer DNA. Anleger sollen uns ihr hart erarbeitetes Geld anvertrauen. Insofern ist eine gute Reputation extrem wertvoll. Eine wichtige Säule davon ist ein hervorragender Service. Daher ist er Grundlage einer jeden Entscheidung.

Was ist die größte Stärke der Company? Trauen Sie sich eine Schwäche preiszugeben?

Lemke: Wir können mit den Gehältern, die bei den ganz großen Finanz- und Versicherungskonzernen gezahlt werden, nicht bei allen Positionen mithalten. Dennoch sind wir in der Lage Spitzenpersonal zu erkennen, zu gewinnen und langfristig zu binden. Ich bin überzeugt, dass wir mit unserem Angebot an Freiraum für Mitwirkung und Weiterentwicklung einen echten Vorteil gegenüber größeren Konzernstrukturen bieten.

Was ist Ihr größtes Learning aus der Corona-Krise für Ihr Unternehmen?

Lemke: Wir sind das klassische Paradebeispiel, was das Thema Homeoffice angeht. Vor der Covid-19-Pandemie haben wir mobiles Arbeiten nur in Einzelfällen angeboten. Jetzt wissen wir: Es funktioniert auch in der Breite und wir werden das Angebot beibehalten. Wir haben allerdings ebenso gelernt, dass unsere Mitarbeiter Flexibilität schätzen und Homeoffice nicht für jeden das Nonplusultra ist. Unsere großzügige räumliche Situation hat es zugelassen, vergleichsweise früh wieder die Arbeit im Büro zu ermöglichen – selbstverständlich mit gewissen Regeln, wie eine Person je Büro.

Wie sehen Sie die Zukunft der Arbeit? Gibt es eine Maßnahme, die Sie mit Stolz erfüllt?

Lemke: Es ist keine konkrete Maßnahme, aber wenn ich einen Punkt in den Vordergrund stellen müsste, der mich mit Stolz erfüllt, dann sind es die Laufbahnen vieler verschiedener Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in unserem Unternehmen, die sich nicht selten über zehn bis 15 Jahre erstrecken. Sie wurden irgendwann einmal für eine bestimmte Position eingestellt und haben dort meist sehr gute Arbeit geleistet. Ihre volle Leistungsfähigkeit haben sie allerdings erst entfaltet, wenn wir ihre Rolle nach und nach an ihre Stärken und ihre Persönlichkeit angepasst haben. Viele von ihnen sind heute in Führungspositionen bis hin zum Vorstandsmitglied. Daran angelehnt bedeutet Zukunft der Arbeit für mich, Freiraum und Flexibilität zuzulassen, statt Potential durch starre Strukturen und vorgezeichnete Karrierewege ungenutzt zu lassen.

17.06.2022    Holger Reher
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