Illustration in schwarz-weiß mit vielen Menschen und unterschiedlichen Geschlechtern, die mit Regenbogenfahnen miteinander verbunden sind. Das Bild steht für Diversität und LGBTIQ+
01.03.2022    Christian Buchholz
  • Drucken

Diversität gewinnt in der Wirtschaft an Bedeutung: Während vor sechs Jahren für 45 Prozent der deutschen Unternehmen das Einbeziehen aller Mitarbeitenden im Sinne von Diversität relevant war, sind es 2021 bereits 69 Prozent. Das geht aus einer Studie des Personaldienstleisters Michael Page hervor. Doch laut Stuart Bruce Cameron reicht das nicht aus – vor allem LGBTIQ+-Menschen fehlt es an Wertschätzung und Anerkennung. Mit ­UHLALA hilft er, die Chancengerechtigkeit von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, trans- sowie intergeschlechtlichen Menschen im Berufsleben zu realisieren und transparent zu machen.

Zur Person

Portraitfoto Suart Bruce Cameron, der CEO von UHLALA.

Stuart Bruce Cameron

ist Gründer und CEO der UHLALA Group, einer Organisation, die Unternehmen dabei hilft, das Thema Vielfalt voranzutreiben und die LGBTIQ+-Community sichtbarer zu machen

Über die vergangenen Jahre wurde die Gesellschaft scheinbar immer offener; queeres Leben gehört vermeintlich zur Normalität. Warum braucht es den PRIDE-Index der UHLALA Group dennoch, um LGBTIQ+-Diversity in der Arbeitswelt sichtbarer zu machen?

Bruce Cameron: Zunächst stimmt es natürlich, dass sich in den vergangenen Jahren zumindest im Bereich der rechtlichen Gleichstellung Dinge für LGBTIQ+-Menschen verbessert haben. Inwiefern daraus auf die Stimmung und Situation in der Gesellschaft geschlossen werden kann, bin ich mir bei den steigenden Zahlen LGBTIQ+-feindlicher Übergriffe nicht sicher.

Unseren PRIDE-Index braucht es mit Blick auf die Arbeitswelt allerdings aus unterschiedlichen Gründen ganz dringend. Zum einen richtet er sich selbstverständlich an LGBTIQ+-Personen. Ihnen kann er bei der Suche nach einem passenden Arbeitgeber eine Orientierungshilfe sein und aufzeigen, wo LGBTIQ+-Mitarbeitende wertgeschätzt werden und wo intern Strukturen und eine Kultur verankert sind, die diese Wertschätzung auch erfahrbar machen.

Zum anderen richtet sich der Index aber auch an alle Unternehmen in Deutschland. Über eine Teilnahme am PRIDE-Index stellen sie ihr bisheriges LGBTIQ+-Diversity-Management auf den Prüfstand, erfassen den Status quo und erhalten Anregungen zu Entwicklungspotenzialen. Außerdem heben sie sich durch ihre Platzierung im Index von anderen Arbeitgebern ab und haben so einen echten Vorteil im Wettbewerb um Nachwuchstalente und neue Mitarbeitende.

Wie war die Resonanz von Unternehmen und Konzernen auf den PRIDE-Index?

Cameron: Unser Angebot, das eigene LGBTIQ+-Diversity-Management über eine kostenlose Selbstevaluation auf den Prüfstand zu stellen, ist bei vielen deutschen Unternehmen gut angekommen. Sie haben den umfangreichen Fragebogen unseres PRIDE-Audits durchlaufen und eine Selbstauskunft abgegeben. Diejenigen teilnehmenden Unternehmen, die mindestens mit gut abgeschlossen haben, werden im PRIDE-Index 2021 geführt. Von über 150 Unternehmen, die die Selbstauskunft durchlaufen haben, haben es 77 in den Index geschafft. Darunter sind neben 62 großen Unternehmen auch 15 mittelständische, was uns ganz besonders freut.

Haben Sie auch Ablehnung erfahren?

Cameron: Nein, das Gegenteil war der Fall – wir haben viel Zuspruch und Bestätigung für den PRIDE-Index erhalten. Es gilt hier zu betonen, dass sich im Bereich LGBTIQ+-Diversity im Unternehmenskontext in den vergangenen Jahren tatsächlich einiges getan hat. Vor zehn Jahren hat es viel Anstrengung und Einsatz verlangt, Unternehmen für das Thema LGBTIQ+-Diversity zu interessieren und davon zu überzeugen. Es war nur eine überschaubare Anzahl von Unternehmen, die die Bedeutung des Themas gleich begriffen hat und sich dafür eingesetzt hat. Inzwischen ist in der Breite angekommen, dass Diversity und Inklusion – und zwar eben auch für LGBTIQ+-Mitarbeitende – ein echter Gamechanger ist. Und genau das zeigen die 150 Unternehmen, die bereits im ersten Jahr am PRIDE-Index teilgenommen haben: Diversity wird nicht nur als eindimensionales Engagement begriffen, sondern als eines, das neben Gender-Diversity alle Säulen und Dimensionen umfasst. Das ist ein tolles Zeichen!

Wo sehen Sie nach Auswertung der Ergebnisse noch Handlungsbedarf für Unternehmen?

Cameron: Grundsätzlich ist ein ganz wichtiger erster Schritt zunächst, sich die Bedeutung von LGBTIQ+-Diversity-Management bewusst zu machen. Es handelt sich nicht um ein Nischenthema, sondern um eines, das für Unternehmen erfolgsentscheidend und im Wettbewerb um geeignete Mitarbeitende ausschlaggebend ist.

Die Ergebnisse des PRIDE-Index zeigen, dass viele der Teilnehmenden Konzerne oder Unternehmen mit einer großen Belegschaft sind. Dennoch sind auch mittelständische Unternehmen im Index gelistet und haben zum Teil eindrücklich gezeigt, dass ein erfolgreiches Engagement für LGBTIQ+-Diversity nicht von der Unternehmensgröße alleine abhängt. Dennoch stellen wir fest: Besonders im deutschen Mittelstand ist das Potenzial für LGBTIQ+-Diversity noch beachtlich. Wir ermutigen hier immer wieder, sich auf den Weg zu machen und erste Schritte zu wagen.

Dabei muss nicht bei Null angefangen werden. Es lohnt sich zum einen, zunächst den aktuellen Stand, etwa durch unser PRIDE-Audit, zu erfassen. Davon ausgehend können konkrete, nächste Schritte abgeleitet werden. Zum anderen empfiehlt es sich sehr, von anderen zu lernen und so typische Fallstricke zu umschiffen. Das kann über Konferenzen gelingen oder über den Austausch mit anderen Unternehmensvertreterinnen und -vertretern sowie LGBTIQ+-Mitarbeitendennetzwerken in unserem LGBTIQ+-Employer-Excellence-Programm „We Stay PRIDE“.

Laut den Ergebnissen des PRIDE-Index 2021 setzen sich Allianz, SAP und McKinsey besonders für Mitarbeitende der LGBTIQ+-Community ein. Wie sieht das Engagement im Alltag dort konkret aus?

Cameron: Die Top-3-Unternehmen in unserem PRIDE-Index sind echte LGBTIQ+-Diversity-Champions. Sie haben in ihren Unternehmen Strukturen und Prozesse verankert, die Wertschätzung und Chancengerechtigkeit für LGBTIQ+-Mitarbeitende erfahrbar machen. Dazu zählen etwa Ansprechpersonen für LGBTIQ+, ein firmeninternes LGBTIQ+-Mitarbeitendennetzwerk mit eigenem Budget sowie auch Prozesse, um etwa Trans-Mitarbeitende bei der Transition zu unterstützen.

In allen Kategorien des PRIDE-Audit-Fragebogens haben die drei bestplatzierten Unternehmen im Rahmen des Index überdurchschnittlich gut abgeschnitten. Besonders heben sie sich auch dadurch ab, dass sie LGBTIQ+-Diversity in allen Dimensionen denken. Dazu gehört der Blick über das eigene Unternehmen hinaus: Sie implementieren Diversity beispielsweise auch im Bereich Suppliermanagement.

Welche Ziele verfolgen Sie mittel- und langfristig mit dem PRIDE-Index?

Cameron: Zunächst werden wir in diesem Jahr unser PRIDE-Audit weiter verfeinern und so neben großen und mittelständischen Unternehmen auch noch gezielter und passgenauer kleine Betriebe sowie die öffentliche Verwaltung ansprechen. Das ist ein ganz wesentlicher Schritt, denn: Das Engagement für LGBTIQ+-Mitarbeitende ist – wie gesagt – nicht nur für große Konzerne möglich. Auch die öffentliche Verwaltung sowie kleine und mittelständische Unternehmen können hier vorangehen und Wertschätzung leben. Die 15 Mittelständler in unserem PRIDE-Index, allen voran Monster Deutschland, zeigen das schon jetzt eindrücklich.

Zum anderen möchten wir unseren PRIDE Index als Arbeitgeberbenchmark verstetigen und etablieren. Er soll ein echter Leitindex im Bereich LGBTIQ+-Diversity in der DACH-Region werden. Als Vorbild dient uns hier beispielsweise der Human-Rights-Campaign-Index in den USA, welcher jedes Jahr über 1.000 Unternehmen listet und ein fest verankerter Referenzpunkt in Sachen gelebter Wertschätzung und LGBTIQ+-Diversity ist.

01.03.2022    Christian Buchholz
  • Drucken
Zur Startseite