Illustration zum Thema weibliche Führungskräfte und Diversität
16.04.2024
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Es ist leider ein Evergreen. In knapp 43 Prozent der Aufsichts- und Beiräte mittelständischer Unternehmen in Deutschland bleiben weibliche Mitglieder gänzlich außen vor. Männer sind in diesen Gremien immer noch unter sich. Dies ist ein Ergebnis einer Umfrage, die wir unter den Mitgliedern des ARMID (Aufsichtsräte Mittelstand in Deutschland) durchgeführt haben. Dies sind die ersten belastbaren Zahlen in Deutschland für Firmen mit einem Umsatz von 100 bis 500 Millionen Euro.

Dass über 40 Prozent der deutschen Mittelständler im Aufsichtsrat ohne weibliche Mitglieder auskommen, offenbart ein eklatantes Defizit. Es scheint, als würden wesentliche gesellschaftliche und „Good Governance“- Diskussionen des vergangenen Jahrzehnts an vielen Firmen und ihren Eigentümern ungehört vorbeigezogen sein. Damit bekräftigt die Befragung die Einschätzung, dass ein erheblicher Teil des deutschen Mittelstandes eine Bastion der Resistenz ist, Frauen den Weg in oberste Führungspositionen zu ebnen.

Es geht nicht ohne Diversität

Studien, die bisher belegt haben, dass im Mittelstand Frauen in der operativen Führung, also in Vorständen und Geschäftsführungen, stark unterrepräsentiert sind, erhalten durch die ARMID-Befragung ein Pendant bezüglich der Aufsichtsorgane. Beide Aspekte sind die zwei Seiten einer Medaille, die nicht glänzt. Denn: Ohne diverser besetzte Kontrollgremien werden auch weibliche Top-Karrieren im deutschen Mittelstand weiter die Ausnahme bleiben. Der Befund ist Wasser auf die Mühlen jener, die gesetzliche Regelungen für ein adäquates Verhältnis von Männern und Frauen in Aufsichts- und Beiräten auch für den privaten Mittelstand fordern. Die entsprechende Gesetzgebung bei großen Publikumsgesellschaften vor Jahren hat inzwischen dafür gesorgt, dass fast 40 Prozent der Kontrolleure bei den Dax- 40-Unternehmen weiblich sind.

Stand in Deutschland

Ein vergleichbares Verhältnis würde auch mittelständischen Unternehmen in Deutschland gut zu Gesicht stehen. Unter anderem können sie somit im Kampf um junge Talente sowie Fach- und Führungskräfte bei potenziellen Kandidatinnen ein weltoffenes und modernes Bild abzugeben. Untermauert werden die geringen Ambitionen des Mittelstands, den Frauenanteil bei den Aufsichts- und Beiräten zu erhöhen, durch zwei weitere Befragungsergebnisse aus der ARMID-Erhebung. Bei der großen Mehrheit von 70 Prozent der Unternehmen hat sich die Zahl der weiblichen Gremienmitglieder in den vergangenen fünf Jahren nicht verändert, bei sechs Prozent sogar verringert. Wir sehen also keinen starken Willen, an den Verhältnissen etwas zu verändern. Auch die Erwartungen für die nahe Zukunft sind eher ernüchternd. In lediglich etwas mehr als einem Viertel der mittelständischen Unternehmen ist es explizites Ziel, den Frauenanteil in den Gremien zu erhöhen.

Mehr Veränderungsbereitschaft nötig

Ein nivellierteres Bild der Fragestellung ergibt sich bei der Analyse jener knapp 58 Prozent an Mittelständlern, bei denen Frauen im Kontrollgremium mit an Bord sind. Hier liegt dann der Durchschnitt bei 34 Prozent. Dieser doch erfreuliche Wert kommt auch deshalb zustande, weil bei 14 der erfassten Organe mehr als 50 Prozent der Mandate von Frauen gehalten werden, bei sechs Unternehmen ist das Kontrollgremium sogar ausschließlich in der Hand von Frauen. Dennoch bleibt als Fazit: In den Aufsichtsgremien eines viel zu großen Teils mittelständischer Unternehmen fehlen weibliche Mitglieder gänzlich oder sind stark unterrepräsentiert. Dies ist ein Anachronismus und Schwachpunkt der Governance. Die entsprechenden Firmen wären gut beraten, an dieser Stelle ihrer Verantwortung nachzukommen und mehr Veränderungsbereitschaft an den Tag zu legen.

DIE ARMID-UMFRAGE AUF EINEN BLICK

• In der Befragung wurde die Situation von 229 Unternehmen erhoben.

• In diesen 229 Firmen sind insgesamt 1.115 Aufsichts- und Beiräte aktiv.

• Von den 1.115 Aufsichtsratsmandaten werden 223 von Frauen bekleidet. Dies entspricht einer Quote von 20 Prozent.

• Von den erfassten 229 Unternehmen sind 98 ohne weibliches Aufsichtsratsmitglied: Dies entspricht einem Anteil von 42,8 Prozent.

• In den erfassten 229 Unternehmen sind in 131 insgesamt 223 weibliche AR-Mitglieder aktiv: Dies entspricht 1,7 Frauen pro Gremium. Bei einer durchschnittlichen Gremiengröße von knapp fünf entspricht dies einem durchschnittlichen Anteil von 34 Prozent.

Zum ARMID (Aufsichtsräte Mittelstand in Deutschland e. V.):
ARMID wurde 2013 gegründet und verfolgt das Ziel, ein geschütztes Forum für die Begegnung, Vernetzung und den Dialog von Aufsichts- und Beiräten von Firmen mit einem Umsatz zwischen 100 und 500 Millionen Euro zu schaffen. Derzeit zählt der Zusammenschluss über 400 Mitglieder, die in circa 700 Firmen einem Aufsichtsmandat nachgehen. ARMID positioniert sich als „pure play“ für Profi-Aufsichtsräte. Im Zentrum des Erfahrungsaustausches stehen der „State of the Art“ der Corporate Governance im Mittelstand – von Nachfolge, Diversität, Kontrolle, strategischer Beratung bis hin zu aktuellen Fragestellungen der Digitalisierung, des Klimaschutzes und dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz in der Gremienarbeit.

Zur Person

Porträtbild von Klaus F. Jaenecke

Klaus F. Jaenecke

steht seit 2020 dem sechsköpfigen Vorstand des ARMID vor. Der ehemalige Investmentbanker und M&A-Experte nimmt seit zwei Jahrzehnten diverse Aufsichtsmandate wahr

Kolumnen, Kommentare und Gastbeiträge auf DUP-magazin.de geben ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors oder der jeweiligen Autorin wieder, nicht die der gesamten Redaktion.
16.04.2024
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