Illustration eines Mannes auf einem Fahrrad mit eckigen Reifen als Symbolbild für Greenwashing und Greenhushing
01.03.2024    Patrick Wessel
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Nicht wenige Unternehmen werben mit sogenannten grünen Versprechen, etwa ihrer vermeintlichen Klimaneutralität. Dabei sieht die Realität oftmals ganz anders aus. Aus diesem Grund reagierte die EU mit neuen Richtlinien auf Greenwashing: Seit März 2023 müssen Unternehmen ihre umweltbezogenen Aussagen unabhängig prüfen lassen und wissenschaftlich nachweisen. Vor allem müssen umweltbezogene Aussagen klar und verständlich kommuniziert werden.

Neben denen, die trotzdem noch Greenwashing betreiben, existieren natürlich auch Unternehmen, die grundlegend nachhaltig praktizieren – aber nicht öffentlich darüber kommunizieren. Das Phänomen Greenhushing steht dem Greenwashing aber hinsichtlich seines wirtschaftlichen Einflusses in nichts nach. Beides verhindert eine nachhaltige Transformation. Wirtschaftlich sowie gesellschaftlich.

Zur Person

Portraitbild von Nuvia Maslo

Nuvia Maslo

ist Chief Marketing Officer und Teil des Managementteams bei VERSO.

DUP UNTERNEHMER-Magazin: Wie beeinflussen Umwelt- und Nachhaltigkeitsaussagen von Unternehmen deren Produkte und Dienstleistungen?

Nuvia Maslo: Durch neue Regularien sind Unternehmen beispielsweise dazu verpflichtet, ihre Nachhaltigkeitsberichte zu veröffentlichen. Die Betriebe müssen nun also klar und deutlich offenlegen, was und vor allem wie produziert oder angeboten wird. Dadurch wird der Wettbewerb zum einen fairer gestaltet, zum anderen werden Unternehmen belohnt, die in ihrer Substanz wirklich nachhaltiger sind. Somit machen wir einen großen Schritt in Richtung belegbare und wirksame Nachhaltigkeit.

Welche Aufgaben ergeben sich dadurch für Unternehmen wie VERSO?

Maslo: Wir unterstützen als erstes hinsichtlich der Datenlage mit unserer Software. Das bedeutet zunächst, festzustellen, wie nachhaltig das Unternehmen im Kern ist und wie die Kommunikation dieser Daten nach außen hin stattfindet. Wir stellen dabei oft fest, dass ganz viel Wissen auf diesem Gebiet fehlt. Unternehmen sind unsicher und wissen häufig nicht, wie eine geeignete Nachhaltigkeitskommunikation stattfinden kann. Die Angst vor dem Vorwurf des  Greenwashings ist groß. Damit verschenken auch Unternehmen Potenzial in der Kommunikation nach außen, die nachweislich einen nachhaltigen Weg eingeschlagen haben, aber aus den genannten Gründen ins grüne Schweigen, Greenhushing, verfallen.

Was genau verbirgt sich hinter dem Begriff Greenhushing?

Maslo: Unter Greenhushing versteht sich das bewusste Verschweigen von Erfolgen im Bereich der Nachhaltigkeit. Oftmals befürchten die Unternehmen, dass ihnen Greenwashing vorgeworfen werden könnte oder generell zu wenig in Nachhaltigkeit zu investieren. Mir ist aber auch wichtig zu erwähnen, dass bei Nachhaltigkeitskommunikation nicht nur die grünen, also Umweltaspekte, gemeint sind. Auch soziale, gesellschaftliche und finanzielle Gesichtspunkte  gehören zu einer nachhaltigen Transformation. Deswegen ist es umso wichtiger, dass Unternehmen nicht in eine Schweigespirale geraten und ihre Nachhaltigkeitsziele, Erfolge – aber auch Unzulänglichkeiten – nach außen tragen.

Wie funktioniert in diesem Sinne eine authentische Kommunikation nach außen?

Maslo: Der erste Schritt einer strategischen Nachhaltigkeitskommunikation besteht darin, die Datenlage zu ermitteln. Anschließend gilt es, die Führungskräfte und Mitarbeitenden mit an Bord zu holen. Mir ist es immer wichtig, in dem jeweiligen Unternehmen ein gemeinsames Cockpit zu schaffen und ein Kernteam in die Verantwortung zu nehmen. Diese Mitarbeitenden fungieren als Botschafter der Nachhaltigkeitsziele des Unternehmens, kennen sich aber auch mit den Zahlen aus – denn was nicht messbar ist, kann nicht effektiv weiterentwickelt werden. Wichtig ist zudem, dass die Mitarbeitenden hinter der nachhaltigen Transformation des Unternehmens stehen. Nachhaltigkeit ist keine Modeerscheinung, sondern Haltung und Managementprinzip. Hier gilt es, sich wirklich darauf einzulassen. Deswegen nenne ich die Führungskräfte auch gern Nachhaltigkeitsbotschafterinnen und -botschafter. Sie sollten zum einen Aushängeschild des Unternehmens sein, aber auch gleichzeitig mit gutem Beispiel vorangehen und die anderen Mitarbeitenden motivieren sowie sensibilisieren.

Auf welche Weise funktioniert eine Sensibilisierung im Hinblick auf eine verantwortungsbewusste Kommunikation?

Maslo: Bei der Zusammenarbeit mit unseren Kundinnen und Kunden gibt es eine goldene Regel: Selbstreflektion statt Superlative. Das bedeutet, ehrlich in den Spiegel zu schauen und sich von übertriebener Marketingkommunikation fernzuhalten. Betriebe sollten eine klare Haltung in der Kommunikation zeigen, indem sie Erfolge im Nachhaltigkeitsbereich als Teil einer fortlaufenden Reise präsentieren, anstatt als endgültige Errungenschaften. Kein Unternehmen ist perfekt und zu einhundert Prozent nachhaltig. Hier ist ganz klar der Weg das Ziel.

Was würden Sie jungen Unternehmen raten?

Maslo: Nachhaltigkeit muss integraler Bestandteil der Identität sein. Dabei geht es weit über den engen Fokus auf Klimaneutralität hinaus. Wir müssen Nachhaltigkeit in einem ganzheitlichen Kontext betrachten, vergleichbar mit dem Ansatz einer Wirtschaft 2.0. Dabei geht es nicht mehr ausschließlich um Profit als oberstes Unternehmensziel, sondern darum, wirklich etwas zu bewegen – und zwar wirtschaftlich wie gesellschaftlich. Dabei gilt es die eigenen  Mitarbeitenden, aber auch andere Stake- und Shareholder bis hin zu lokalen Interessengruppen mit einzubeziehen. Wichtig bei alledem ist, die Ganzheitlichkeit im Auge zu behalten und festzustellen, wo genau das Ambitionslevel und die Potenziale in Sachen Nachhaltigkeit liegen. Welche Themen wirklich wesentlich sind, kann sehr individuell sein. Je spezifischer die Schritte darauf abgestimmt werden, desto mehr wird das Unternehmen damit auch erreichen können.

01.03.2024    Patrick Wessel
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