Illustration von einem weiblich und männlich Zeichen
18.10.2021    Maya Timmann
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Gendern, also das Einbeziehen aller Geschlechter in die Sprache, soll verhindern, dass sich Bevölkerungsgruppen – in den meisten Fällen weibliche und diverse Personen – ausgeschlossen fühlen. Immer mehr Einrichtungen führten sich zuletzt gendersensible Sprache ein, darunter zum Beispiel die öffentlich-rechtlichen Medien oder auch Konzerne aus der Wirtschaft.

Doch die Gleichstellung über die Sprache stößt auch auf Kritik. In Universitäten, in der Presse, in der Politik und sogar vor Gericht wird über Gendersternchen und Co. gestritten. Manche sprechen sogar vom „Tod der deutschen Sprache“. Wie sieht es in der unternehmerischen Praxis also wirklich aus? Welchen Anklang findet gendern in der Wirtschaft? Und welche Formulierungen geschlechtergerechter Sprache sind für den Alltag überhaupt geeignet?

So wird in deutsche Unternehmen gegendert

Gendern in Unternehmen ist nicht selbstverständlich. Laut einer Befragung des Münchner Ifo-Instituts und des Personaldienstleisters Randstad nutzen 35 Prozent der befragten Firmen in der Kommunikation nach außen gendergerechte Sprache. In der internen Kommunikation mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gendern jedoch nur 25 Prozent der Firmen.

Einen Einblick in den Sprachgebrauch der Dax-Konzerne gibt eine Umfrage der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ und der Hochschule Darmstadt. Demzufolge steht die Mehrheit der Dax-Unternehmen dem Thema geschlechtergerechte Sprache positiv gegenüber. Bei zehn Unternehmen kommt Gender-Sprache bereits zum Einsatz, sechs weitere planen dies künftig. Zwei Konzerne hätten sich laut Umfrage gegen die geschlechtergerechte Sprache entschieden. Als Begründung gaben die Konzerne, welche gendern, an, dass dies ihrem Verständnis von einem diskriminierungsfreien Umgang miteinander entspräche.

Warum sich zwei Unternehmen gegen die gendergerechte Sprache entschieden? Laut eigenen Angaben halten sie geschlechtergerechte Formulierungen für den falschen Weg, um für mehr Gleichberechtigung zu sorgen. Zudem sei gendern nicht notwendig, da Diskriminierung in ihren Unternehmen sowieso nicht vorkomme.

Warum sollten Unternehmen genderneutrale Sprache nutzen?

Respekt und Sichtbarkeit für alle Geschlechter: Das ist das Ziel der geschlechtergerechten Sprache. Die optimale Form spricht nicht nur Männer und Frauen an, sondern auch Menschen, die sich als trans*, inter* oder nicht-binär identifizieren. Auf diese Weise trägt gendern dazu bei, Diskriminierung zu vermeiden.

Warum das generische Maskulinum in Wort und Schrift nicht ausreicht? Die Forschung kommt zum Ergebnis, dass die alleinige Nutzung der männlichen Bezeichnung in der deutschen Sprache andere Geschlechter ausgrenzt. Denn wo ausschließlich die männliche Form genutzt wird, wird schlussendlich auch nur an Männer gedacht. Das generische Maskulinum ist daher nicht geschlechtergerecht und für Unternehmen, die alle Geschlechter gleich behandeln möchten, weniger geeignet.

Ob gendergerechte Sprache in der externen Kommunikation von Unternehmen Sinn macht, hängt vor allem von den eigenen Werten und den Zielgruppen ab. Eine allgemeine Empfehlung ‒ auch in Bezug auf die Art und Weise des Genderns ‒ lässt sich nicht geben. Ein Abwägen der Vor- und Nachteile kann aber bei der Entscheidung helfen.

Die Vorteile gendergerechter Sprache

  • Wird gegendert, werden Frauen gedanklich mit einbezogen. Beim generischen Maskulinum dagegen denken die meisten zunächst nur an Männer. Unternehmen haben durchs Gendern also die Möglichkeit, einen größeren Teil der Zielgruppe anzusprechen. In bestimmten Gruppen, gerade bei jüngeren Generationen, ist gendergerechte Sprache häufig ein Muss.
  • Die Verwendung geschlechtergerechter Sprache in Stellenanzeigen kann zu mehr Bewerbungen von Frauen und somit zu mehr Diversität im Unternehmen führen.
  • Sowohl Mädchen als auch Jungen trauen sich mehr Berufe zu, wenn diese mit gendergerechter Sprache beschrieben werden, wie ein Experiment zeigte. Mit Blick auf den Fachkräftemangel könnten geschlechtergerechte Formulierungen deshalb von hoher Bedeutung sein. Auch gesellschaftlich könnte die geschlechtergerechte Sprache in der Erziehung von Kindern so langfristig zur Gleichstellung von Mann und Frau beitragen.
  • Untersuchungen zeigen, dass Menschen in Ländern, deren Sprache sowieso geschlechtsneutral ist, von vornherein ganz anders über Geschlechterrollen denken. Gender-Gaps in der Gesellschaft sind dann auch nicht so offensichtlich.

Die Nachteile gendergerechter Sprache

  • Texte können durchs Gendern länger werden und sind mitunter nicht lesefreundlich. Einige Formen geschlechtergerechter Sprache sind grammatikalisch zudem schlichtweg falsch.
  • Neue Sprach-Regeln führen zu Reaktanz, also Widerstand in der Gesellschaft. Es entsteht das Gefühl, etwas vorgeschrieben zu bekommen und im Sprachgebrauch eingeschränkt zu werden. Dadurch besteht auch die Möglichkeit, dass der Einsatz geschlechtergerechter Sprache in der externen Kommunikation zu negativen Reaktionen etwa in den sozialen Medien führt.
  • Frauen werden durch Gendersprache sichtbarer. Doch nicht in allen Situationen spielt das Geschlecht überhaupt eine Rolle. Es wird deshalb befürchtet, dass das Geschlecht durch die Sprache überbetont werden könnte und die Verwendung der geschlechtergerechten Sprache nicht immer angemessen ist.
  • Gendern ist nicht immer barrierefrei. Werden Sonderzeichen wie das Gender-Sternchen oder ein Doppelpunkt genutzt, können Texte für blinde oder lesebehinderte Personen nicht korrekt vorgelesen werden. Das weibliche und männliche Geschlecht wird dann zwar in der Sprache bedacht, das eigentliche Ziel der Gendersprache – sprich: wirklich alle Personen in die Kommunikation einzubeziehen – wird dadurch jedoch verfehlt.
  • Das Schreiben deckt nur einen kleinen Teil unserer Sprache ab. Sollen alle Personen einbezogen werden, muss auch beim Sprechen gegendert werden ‒ und das kann sich nicht nur unnatürlich anfühlen, sondern auch den Zuhörenden irritieren.

Leitfaden: Richtig gendern auf einen Blick

Die verschiedenen Formen des Genderns sind nicht immer im gleichen Maße geschlechtergerecht. Einige Formen beziehen zwar Mann und Frau mit ein, lassen Menschen mit anderer Geschlechtsidentität jedoch außen vor.

Generell gilt: Einen allgemeinen Standard für sprachliche Gleichbehandlung gibt es nicht. Auch die Art des Textes kann über die Genderform entscheiden.

Geschlechterneutrale Formulierung

Der einfachste Weg sind sicher neutrale Formulierungen. Der beschriebenen Personengruppe wird dabei kein Geschlecht zugeordnet. So wird aus „Mitarbeiter“ beispielsweise „Mitarbeitende“, aus „den Kollegen“ wird „das Kollegium“.

Die Vorteile: Die genderneutrale Formulierung stört den Lesefluss nicht, spart Platz und ist außerdem barrierefrei. Im Gegensatz zu den meisten anderen Formen des Genderns schließt diese außerdem auch nicht-binäre Personen mit ein. Wer mit der Sprache – ohne das Geschlecht zu betonen – geschlechtlich gleichstellen und gleichzeitig für eine bessere Lesbarkeit sorgen möchte, trifft mit dieser Art des Genders die beste Wahl. Auch im Gespräch funktioniert die neutrale Form problemlos.

Paarform

Bei der Verwendung von sowohl der maskulinen als auch der weiblichen Form spricht man von der Paarform. Ein Beispiel dafür: „Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“.

Die Paarform ist einfach zu verwenden und leicht verständlich, macht Texte jedoch deutlich länger. Um Platz zu sparen, ließe sich auch ein Schrägstrich zwischen die Wörter setzen oder das sogenannte Binnen-I („MitarbeiterInnen“) nutzen. Jedoch funktioniert diese Form in der deutschen Rechtschreibung nicht immer, wie das Beispiel „ArztIn“ zeigt. Zudem kann es sich beim Sprechen unnatürlich anfühlen.

Ein weiterer Nachteil der Paarform: Gendern sollte nicht nur die männliche und weibliche Form einbeziehen, sondern auch Menschen, die sich als nicht-binär identifizieren. Nur dann kann man wirklich von inklusiver Sprache sprechen.

Gendern mit Sonderzeichen

Doppelnennungen führen automatisch zu längeren Texten. Deshalb können Sonderzeichen wie das Gender-Sternchen eine Lösung sein. Der Vorteil liegt hier darin, dass nicht nur Menschen angesprochen werden, die sich dem weiblichen oder männlichen Geschlecht zugehörig fühlen. Denn auch das dritte Geschlecht wird damit gender-fair abgebildet.

Andere Sonderzeichen – etwa der Gender-Doppelpunkt – haben ebenfalls zum Ziel, alle Menschen sprachlich einzubeziehen. Dennoch ist auch diese Form des Genderns nicht perfekt: Für blinde Menschen oder Menschen mit einer Lesebehinderung werden Sternchen und Doppelpunkt häufig falsch vorgelesen. Außerdem funktioniert diese Form zwar beim Schreiben, jedoch nicht beim Sprechen.

18.10.2021    Maya Timmann
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