Böse Überraschung für die Finanzmärkte: ein schwarzer Schwan.
25.02.2022    Martin Hintze
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Es herrscht Krieg in Europa. Russland hat in der Nacht zum Donnerstag mit einem umfangreichen Militärschlag gegen die Ukraine begonnen und damit Schockwellen durch die Kapitalmärkte geschickt. Der deutsche Leitindex Dax büßte am Donnerstag vier Prozent ein, blieb aber knapp über der Marke von 14.000 Punkten. Damit summiert sich das Minus seit Jahresbeginn bereits auf etwa 12,5 Prozent. Das Plus des vergangenen Jahres von 16 Prozent ist somit in nur acht Wochen beinahe pulverisiert worden.

Auch die US-Technologiebörse Nasdaq stand zunächst unter Druck und hatte am Mittwoch die Gewinne aus dem Jahr 2021 wieder abgegeben. Besonders betroffen: die Tech-Riesen aus dem FANG+-Index. Sie hatten seit dem Rekordhoch im November knapp 25 Prozent an Börsenwert verloren. Auch der marktbreite US-Index S&P 500 hatte – Stand Mittwoch – seit Jahresbeginn mehr als zehn Prozent eingebüßt.

Wall Street auf Achterbahnfahrt

Am Donnerstag folgte an der Wall Street jedoch eine bemerkenswerte Aufholjagd. Der S&P legte vier Prozent, die Nasdaq sogar sieben Prozent zu. „Buy the dip“, lautete offenbar das Motto der Investoren. Sie nutzten den Kursverfall für Zukäufe. Doch die Nervosität bleibt groß.

Mit der Ukraine-Krise haben die Finanzmärkte nach der Coronapandemie einen weiteren „Schwarzen Schwan“ – ein unerwartetes negatives Ereignis, das die Märkte dominiert. Momentan scheinen sich die Börsen im Risk-off-Modus zu befinden. Riskante Wertpapiere werden von Investoren massenweise abgestoßen, die sicheren Häfen sind gefragt. So stieg der Goldpreis zwischenzeitlich um zwei Prozent, während die Kurse der Kryptowährungen wie Bitcoin in die Knie gingen.

Der Preis für Rohöl der Nordseesorte Brent ist erstmals seit 2014 über die Marke von 100 US-Dollar je Barrel geschossen. Auch die Preise für Gas und Kohle sind erheblich gestiegen. Offenbar befürchten Marktteilnehmer, dass die Sanktionen gegen Russland auch den Energiesektor betreffen könnten. Russland ist für mehr als zehn Prozent des globalen Ölangebots verantwortlich.

Großes Risiko: Inflation wird weiter angeheizt

Wie sind die Aussichten für die kommenden Wochen? Angesichts der dramatischen Lage in der Ukraine scheint nur eines sicher: Die Kursschwankungen dürften anhalten. „Wir rechnen in den nächsten Tagen und Wochen mit einem Anstieg der Volatilität, die den Anlegern gute Nerven abverlangen wird“, sagt Norbert Frey, Leiter Fondsmanagement der Fürst Fugger Privatbank.

Die Eskalation des Konflikts droht die ohnehin schon gestiegene Inflation weiter anzuheizen. Denn mehr als die Hälfte der Erdgasimporte bezieht Deutschland aus Russland. Auch wenn die Bundesrepublik kurzfristig einen Stopp der Gaslieferungen überstehen könnte, würden die Preise für Gas in die Höhe schnellen. Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) rechnet mit einem Anstieg der Teuerungsrate auf 6,1 Prozent in diesem Jahr, sollte es zu gravierenderen Liefereinschränkungen kommen. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) Deutschlands würde dann im nächsten Jahr um ganze 1,4 Prozent geringer ausfallen, warnen die Ökonomen.

Wie reagieren die Notenbanken?

Die Experten von Deka Investments gehen davon aus, dass sich bereits in diesem Jahr deutliche Bremsspuren zeigen werden. Demnach dürfte das deutsche BIP 2022 nicht mehr um gut drei, sondern nur noch um etwa ein Prozent steigen. „Die Europäische Zentralbank wird in diesem Umfeld jedoch ihre Zinswende erst einmal zurückstellen. Diese wäre allerdings nur verschoben, nicht aufgehoben“, heißt es im Deka-Marktausblick.

„Trotz der Tragödie ist Panik kein guter Ratgeber“, sagt Ulrich Stephan, Chef-Anlagestratege Privat- und Firmenkunden der Deutschen Bank. Er rät Anlegern dazu, ihr Risikoprofil und ihren Anlagehorizont zu überprüfen. „Hat sich die strategische Risikoeinstellung nicht geändert, könnte bald die Zeit kommen, um die Quote risikobehafteter Anlagen wieder aufzustocken. Wahrscheinlich ist es wegen der Unsicherheit und der hohen Volatilität kurzfristig aber noch zu früh, Positionen aufzubauen.“

25.02.2022    Martin Hintze
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