Comic-Sprechblase mit der Aufschrift Bang!
07.07.2021    Arne Gottschalck
  • Drucken

Die Regierungen der Welt auf den Spuren der Zentralbanken? So scheint es – denn auch sie sorgen nun für „lockeres Geld“. In der Europäischen Union etwa umfasst der Wiederaufbaufonds 750 Milliarden Euro. Ein „grüneres, stärker digital ausgerichtetes und krisenfesteres Europa“ soll damit geschaffen werden, so die Kommission.

Die Folgen dieser Hilfen werden überall auf der Welt zu spüren sein, sagt Christoph Witzke, Leiter CIO-Office bei Deka Investment. „Die US-Ausgaben verfügen über einen Gegenwert von etwa neun Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Ein derartiges Riesenpaket wie den ‚American Rescue Plan‘ hat es in der Weltwirtschaftsgeschichte bisher nicht gegeben.“ So weit die volkswirtschaftliche Analyse.

Welche Aktien vom Konjunkturboom profitieren

In der Anlagepraxis sehen die meisten Experten vor allem einen Profiteur: Aktien. Genauer: Aktien mit bestimmten Eigenschaften. „Kurzfristig mögen die fiskal- und geldpolitischen Maßnahmen gegen die Coronapandemie das Wachstum beflügeln und damit Value-Aktien Rückenwind bescheren“, sagt Florian Uleer, Country Head Deutschland bei Columbia Threadneedle Investments. Value-Aktien sind Papiere, bei denen die Anleger vor allem auf den Unternehmenswert schauen.

Und über das Kurzfristige hinaus? „In den kommenden Monaten und 2022 dürfte das globale Wachstum jedoch auf ein normales Niveau zurückgehen“, sagt Uleer. „Damit sollte auch der Inflationsdruck nachlassen, und die Zinsen dürften niedrig bleiben.“

Aktien befinden sich auch für Deka-Mann Witzke im Fokus. „Diese Anlageklasse sollte von den Konjunkturpaketen am meisten profitieren“, sagt er. Er meint jedoch: „Insbesondere zyklische Geschäftsmodelle werden durch die beschlossenen Hilfen gestützt. Die Gewinnsituation dieser Unternehmen hängt stark vom Auf und Ab der äußeren Faktoren wie Konjunktur- und Rohstoffpreisentwicklung ab. Die ultraexpansiven Maßnahmen glätten die starken Gewinnschwankungen und schaffen Vertrauen für Investitionen.“

Nachhaltige Unternehmen auf der Gewinnerseite

Profitieren könnten aber auch grüne Anlagen. Uleer von Columbia Threadneedle: „Viele der fiskalpolitischen Maßnahmen zielen auf eine nachhaltigere Wirtschaft ab, zum Beispiel der EU-Aufbaufonds. Umwelt- und soziale Kriterien sowie Aspekte der Unternehmensführung sind zentraler Teil der neuen wirtschaftlichen Realität, weil die regulatorischen Anforderungen 
an CO2-Emissionen und soziale Verantwortung weiter steigen. Daher werden ESG-Aspekte bei der Beantwortung der Frage, ob ein Unternehmen auch in Zukunft noch gute Gewinne erzielen wird, immer wichtiger. Unternehmen werden also nur dann dauerhafte Wettbewerbsvorteile haben können, wenn sie bei ESG-Faktoren gut abschneiden. Das wirkt sich auch auf die Anlagerenditen aus.“

Wie alternativlos sind Aktien?

Und was ist mit den Aktienbewertungen? Die Papiere sind nicht mehr günstig, das wissen die Experten nur zu gut. Schroders etwa nutzt eine Art Ampelsystem, das Wertpapiergruppen wie etwa Aktien aus den USA oder Rohstoffe in fünf Kategorien einteilt. Zwei der Kategorien signalisieren mehr oder weniger freie Fahrt, zwei raten zum Stoppen. Und eine weitere bedeutet, sinngemäß, auf Sicht weiterzufahren. Und genau in dieser Kategorie finden sich in den Augen der Schroders-Experten Aktien aus den USA, aus Europa und Großbritannien.

Warum dennoch so viele Profis auf Aktien vertrauen? „Tina“, lautet die Antwort, „There is no alternative“. Anleihen leiden noch immer unter den niedrigen Leitzinsen. Wenn schon, könnte das Interesse an inflationsindexierten Anleihen zunehmen. Denn die Preise steigen derzeit so schnell wie seit Langem nicht – genau das richtige Umfeld für „Linkers“, wie die Papiere in der Finanzszene genannt werden. Und ebenso für ausgewählte Aktien, wenn auch die steigende Inflation kurzfristig die Stimmung belastet, wie der Rutsch im Mai zeigte.

Langfristig jedoch sind Aktien und der damit verkörperte Sachwert im Vergleich zu anderen Anlageklassen leidlich inflationsfest. Einfach weil Qualitätsaktien höhere Erträge abwerfen, als die Inflation sie verzehren kann. Den meisten Investoren bleibt also vor allem die Aktie. „Tina“ eben. Mit viel Geld im Rücken. Das mag nicht der Big-Bang-Boom sein. Aber mehr ist zurzeit nicht drin.

07.07.2021    Arne Gottschalck
  • Drucken
Zur Startseite