Biokraftstoff tanken
06.07.2021    Maya Timmann
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Nachhaltigkeit funktioniert nicht ohne Innovation – das gilt im Allgemeinen wie im Speziellen im Mobilitätssektor. Und doch wird die öffentliche Debatte und die bisherige Realität in der Industrie von E-Antrieben bestimmt. Alternativen? Mangelware. Jedoch nur in der öffentlichen Wahrnehmung kritisiert Claus Sauter, Vorstandschef von VERBIO, einem führenden Biokraftstoffproduzenten in Deutschland. Um die äußerst ambitionierten Klimaziele auch im Verkehrssektor zu erreichen, brauche es mehr Offenheit für alternative Technologie und die Nutzung aller verfügbaren Lösungen, so Sauter.

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Zur Person

Claus Sauter, CEO von VERBIO

Claus Sauter

Seit Mai 2006 ist der diplomierte Kaufmann Claus Sauter, der Gründer der VERBIO Vereinigte BioEnergie AG, auch deren Vorstandsvorsitzender. In dieser Position verantwortet er die Bereiche Strategische Unternehmensentwicklung, Vertrieb und Handel, Finanz- und Rechnungswesen, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Investor Relations und Recht

Die Bundesregierung hat die Klimaziele jüngst deutlich verschärft: Statt um 55 Prozent müssen Unternehmen ihre CO2-Emissionen bis 2030 um 65 Prozent reduzieren; Klimaneutralität soll für die Wirtschaft schon 2045 verpflichtend sein. Kann das Ziel realistisch erreicht werden?

Claus Sauter: Ich halte das für vollkommen unrealistisch. Das ist eine gigantische Herausforderung. Ich bin 25 Jahre in dem Geschäft und habe Erfahrung damit, was möglich ist. In Sachen Verkehr sind wir Emissions-seitig heute auf dem Niveau von 1990. Das heißt: Die letzten 30 Jahre haben wir nichts erreicht. Und jetzt wollen wir praktisch in zehn Jahren das aufholen, was 30 Jahre lang verschlafen wurde? Es fehlt meines Erachtens an politischem Willen, wenn es um konkrete Wege der Umsetzung geht.

Wie kann Ihrer Meinung nach die Energiewende für Gesellschaft und Wirtschaft bezahlbar gestaltet werden?

Sauter: Am Ende des Tages zahlt doch immer der Verbraucher. Das können wir drehen und wenden, wie wir wollen. Die Industrie ist ja nur Hersteller der entsprechenden Produkte, ein Erfüllungsgehilfe.

Biokraftstoffe sind in der öffentlichen Diskussion teils negativ besetzt – hier fällt häufig das Stichwort Palmöl. Was entgegnen Sie dem und welche Rolle sollten Biokraftstoffe aus Ihrer Sicht im Zuge der Verkehrswende spielen?

Sauter: Ja, Biokraftstoffe sind in Misskredit geraten. Wir verwenden jedoch hiesige Rohstoffe und insofern leiden wir aus unserer Sicht zu Unrecht unter diesem negativen Image. Ich komme selbst aus der Landwirtschaft. Mitte der 90er-Jahre habe ich angefangen, mich mit Biokraftstoffen zu beschäftigen, weil man zu dieser Zeit einfach nicht wusste wohin mit den Getreide-Überschüssen. Jetzt wurden die Gesetze nachgeschärft und es gibt klare Vorgaben, Reststoffe und Rückstände zu verwenden.

Vor diesem Hintergrund haben wir eine Technologie entwickelt, mit der wir aus reinem Getreidestroh Biomethan – das ist das gleiche Molekül wie Erdgas – herstellen können. Sprich: jedes Erdgas-Auto, jeder Erdgas-Lkw oder -Bus kann mit unserem Biomethan aus Stroh fahren. Und das ist hocheffizient. Wir brauchen vier Ballen Stroh, um genügend Energie zu produzieren, damit ein Mittelklasse-Pkw ein Jahr fahren kann. Allerdings ist man politisch komplett auf Elektromobilität gepolt und hat auch alle Weichen entsprechend gestellt. Fakt ist: Elektromobilität hat in bestimmten Bereichen mit Sicherheit ihre Berechtigung und ist auch dort angebracht. Aber nicht in dieser Ausschließlichkeit. Das Sinnvollste wäre es doch, dass die Politik verbindliche Ziele vorgibt und dann Industrie und Wirtschaft nach dem besten und preisgünstigsten Weg suchen lässt. So passiert es zum Beispiel in den USA.

Welche Voraussetzungen braucht es für die Produktion marktfähiger Mengen an Biokraftstoffen?

Sauter: Das ist ganz einfach, denn es ist eigentlich alles da. Es braucht lediglich konkrete Vorgaben. Ich mache einBeispiel: Diejenigen, die Diesel und Benzin verkaufen, haben eine konkrete gesetzliche Vorgabe, dass sie die damitverbundenen CO2-Emissionen im Jahr 2021 um sechs Prozent reduzieren müssen. Wenn Sie das nicht tun, zahlen Sie eine Strafe in Höhe von etwa 40 Cent pro Liter Diesel. Deshalb sparen diese Unternehmen CO2 ein, indem sie Biokraftstoffe von uns kaufen. Die konkrete Vorgabe in dieser Industrie für das Jahr 2030 liegt bei einer Einsparung von 25 Prozent. Das heißt, wir werden jetzt unsere Produktionskapazitäten ausdehnen, und neue Anlagen bauen. Zusätzlich kommen zunehmend Erdgas-Lkw auf die Straße und da sind wir im Spiel – während wir bei Pkw durch die Fokussierung auf E-Mobilität praktisch ausgeschlossen sind.

Wie gehen Forschung und Innovationsgeist in Ihrem Haus zusammen? Was tun sie, um an kreativen Lösungswegen für die Herausforderung Verkehrswende zu arbeiten?

Sauter: Daran sind bei uns ganz viele Leute beteiligt – denn niemand allein kennt die Lösung oder den besten Weg. Wir müssen eine Idee entwickeln und ein Gefühl: Wohin geht es die nächsten drei, fünf oder zehn Jahre? Und dann müssen wir hier im Unternehmen die Weichen stellen. Wir veranstalten mindestens einmal im Jahr ein Strategie-Meeting, in dessen Rahmen die Leute aus allen Bereichen zusammenkommen. Dort tauschen wir uns über Ziele und Wege aus. Ist die Strategie dann einmal festgelegt, fließt das Ganze in die einzelnen Bereiche – vor allen Dingen in die Forschung und Entwicklung. Denn dann geht es um die Frage: Welche nachhaltigen Produkte aus Rohstoffen der Landwirtschaft wollen wir zukünftig herstellen? Und da kommen regelmäßig spannende Idee und kreative Ansätze auf den Tisch.

06.07.2021    Maya Timmann
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