Symbolbild Artikel Medizinische Versorgungszentren
15.02.2023    Mark Simon Wolf
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Die klassische Einzelpraxis sowie Berufsausübungsgemeinschaften finden bei jungen Medizinerinnen und Medizinern immer weniger Zuspruch. Das liegt auch daran, dass viele von ihnen gern im Angestelltenverhältnis arbeiten möchten. Diese Möglichkeit finden sie vor allem in Medizinischen Versorgungszentren (MVZ). Dort arbeiten Ärztinnen und Ärzte einer oder mehrerer Fachrichtungen unter einem Dach zusammen.

Deutschlandweit gab es laut der Kassenärztlichen Bundesvereinigung bis Ende 2021 mehr als 4.000 MVZ. Während sie als wichtiger Faktor für den Erhalt der Versorgungssicherheit gelten, gibt es seit der Einführung im Jahr 2004 auch immer wieder Kritik. Befürchtet wird, dass der Kauf und Betrieb von MVZ durch Investoren ökonomischen Druck auf die Ärztinnen und Ärzte ausüben könnte, der sich zum Nachteil der Patientinnen und Patienten auswirkt.

Neues Gesetz für Medizinische Versorgungszentren geplant

Die Gesundheitsministerinnen und -minister der Länder haben auf einer Konferenz im Sommer 2022 dafür plädiert, die Regelungen für die Gründung und den Betrieb von MVZ weiter zu verschärfen, um den Einfluss fachfremder Investoren zu beschränken.

Durch das GKV-Versorgungsstrukturgesetz wurde der Kreis der gründungsberechtigten Gruppen zwar schon 2012 eingeschränkt. Bestehende investorenbetriebene MVZ bleiben davon allerdings unberührt. Außerdem ist es Investoren weiterhin möglich, beispielsweise über den Kauf von Krankenhäusern das Recht zu erwerben, Medizinische Versorgungszentren zu gründen. 

Das Bundesgesundheitsministerium unter Minister Karl Lauterbach hat nun angekündigt, noch in diesem Jahr ein neues Gesetz auf den Weg zu bringen, um den Handlungsspielraum für Investoren in MVZ weiter zu begrenzen.

„Die zunehmende Ökonomisierung der Medizin in sämtlichen Bereichen der Gesundheitsversorgung setzt falsche Anreize, da sie zu den ihr übergeordneten gesundheitlichen Versorgungszielen und damit einer am medizinischen Bedarf orientierten und wirtschaftlichen gesundheitlichen Versorgung in einem deutlichen Spannungsverhältnis steht“, teilte ein Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums DUP UNTERNEHMER auf Anfrage mit.

Geteilt wird die Kritik etwa von den kassenärztlichen Vereinigungen mehrerer Bundesländer. Die Bundesärztekammer spricht sich dafür aus, den Anteil der investorenbetriebenen MVZ an der Gesamtheit der Einrichtungen zu begrenzen. 

Forderung nach sachlicher Debatte

Mit Blick auf die Pläne des Bundesgesundheitsministeriums fordert der Vorsitzende des Bundesverbands Medizinische Versorgungszentren, Peter Velling, eine sachliche und faktenorientierte Debatte. „Wenn der Bundesgesundheitsminister den Patienten von MVZ mittels eines ,Bild‘-Interviews suggeriert, sie würden reihenweise schlecht, falsch oder überbehandelt, trägt er zu einer gefährlichen Verunsicherung auf Patientenseite bei“, so Velling.

Ähnlich sieht das Jörn Thiemer vom Zahnärzteverbund Zahneins. Er beruft sich auf strenge Kontrollmechanismen, die für investorenbetriebene MVZ ebenso gelten wie für Einzelpraxen oder Berufsausübungsgemeinschaften (siehe Interview unten).

Außerdem leisten MVZ laut Thiemer einen wichtigen Beitrag dazu, junge Medizinerinnen und Mediziner, die sich nicht selbstständig machen wollen, für den Job zu gewinnen. „Wenn es keine investorenbetriebenen MVZ mehr gibt, wird es eine wachsende Versorgungslücke geben. Ich glaube, es wird eher dazu kommen, dass die Politik sich wünscht, dass es mehr gibt, die dort investieren. Denn ohne Geld zu verdienen, macht es keiner“, so Thiemer.

Welche konkreten Konsequenzen sich für Investoren und MVZ aus dem neuen Gesetzentwurf ergeben, bleibt zunächst noch unklar. Anders als die ebenfalls angestoßene Krankenhausreform sind entsprechende Pläne nicht im Koalitionsvertrag festgehalten.

Porträtfoto Jörn Thiemer

Dr. Jörn Thiemer

leitet als Zahnarzt ein zahnmedizinisches MVZ und ist Chief Dental Officer (CDO) beim Dentalverbund Zahneins

„MVZ sind eine Option für junge Mediziner“

Medizinische Versorgungszentren breiten sich auch in der Zahnheilkunde aus. Im Verbund von Zahneins sind mehr als 80 Praxen zusammengeschlossen. Zahneins möchte nach eigenen Angaben höchste zahnmedizinische Qualität mit einem attraktiven Arbeitsplatz verbinden. Im Interview spricht Chief Dental Officer Jörn Thiemer über die geplanten Einschränkungen für investorenbetriebene MVZ.



Wie ordnen Sie die Pläne des Gesundheitsministeriums ein?

Jörn Thiemer: Ich halte das nicht für sinnvoll. Nicht nur, weil wir eine der betroffenen Gruppen wären, sondern auch, weil MVZ eine der wenigen Möglichkeiten sind, junge Leute, die jetzt von den Unis kommen, in einen Job zu bringen. Wir haben im Schnitt bei zehn Zahnarztpraxen, die abgegeben werden, einen Interessenten. 

Woran liegt das, und welche Vorteile bieten die MVZ?

Thiemer: Ich kann heute ohne Probleme eine Stelle mit zwei oder drei Ärztinnen besetzen, die sich abwechseln, wenn sie in Elternzeit sind. Wenn heute jemand in Hamburg oder in München anfangen möchte, kann ich ihm oder ihr eine Stelle anbieten. Wir bieten eine Option für junge Mediziner, die keine eigene Praxis wollen. 

Ein Kritikpunkt ist, dass investorenbetriebene MVZ zunehmend den ökonomischen Druck auf die Medizin verstärken. Wie erleben Sie das in der Praxis?

Thiemer: Ärzte müssen einen hohen Kredit aufnehmen, um eine Praxis zu eröffnen. Es kann aber genauso einen Investor geben, der das Geld zur Verfügung stellt. Es spielt für die Praxis keine Rolle, woher das Geld kommt. Mal kommt es von der Bank, mal von Investoren.

Es wird auch immer wieder angeführt, die MVZ würden im Schnitt deutlich mehr pro Patient abrechnen als einzelne Ärzte. Das ist definitiv nicht richtig. Wir haben in Deutschland ein unglaublich gut funktionierendes Kontrollsystem. Wenn jemand in der Abrechnung deutlich über dem Schnitt liegt, wird der Mehrbetrag gnadenlos von den Krankenkassen abgezogen.

15.02.2023    Mark Simon Wolf
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