Geldübergabe: Sind Investments in Gesundheitsimmobilien ein rentables Geschäft?
06.02.2023    Madeline Sieland
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Derzeit arbeitet das Bundesgesundheitsministerium an einem Gesetz, um den Einfluss fachfremder Investoren im Gesundheitswesen zu beschränken. Denn fatal sei der Trend, „dass Investoren Medizinische Versorgungszentren mit unterschiedlichen Facharztpraxen aufkaufen, um sie anschließend mit maximalem Gewinn zu betreiben“, so Karl Lauterbach in einem Interview mit „Bild am Sonntag“.

Wirtschaftlichkeit statt Patientenwohl?

Ein Untersuchung des IGES Institut im Auftrag der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern (KVB) im Frühjahr 2022 zeigte beispielsweise, dass investorengeführte Praxen pro Behandlungsfall im Schnitt zehn Prozent mehr Honorar abrechnen als Einzelpraxen.

„Investmentorientierte Institutionen müssen vor allem wirtschaftlich sein“, sagte der Radiologe Dr. Philipp Schlechtweg damals im Interview mit DUP UNTERNEHMER. „Durch die absolute Profitorientierung geht die ärztliche Therapiefreiheit verloren: Ärzte entscheiden nicht mehr unabhängig, welche Behandlung am besten ist, sondern orientieren sich in ihren Empfehlungen daran, womit sich am meisten Geld verdienen lässt. In der Folge verschiebt sich das Leistungsspektrum vom Patientenwohl in Richtung Rendite und führt zusätzlich zu einer verstärkten Konzentration auf rentable Versorgungsbereiche und Regionen. Anstatt eines flächendeckenden und wohnortnahen Angebots droht insbesondere im ländlichen Raum Ausdünnung und damit die massive Gefährdung der Daseinsvorsorge.“

Trend zur Festanstellung bei Ärzten

Dr. Peter Velling hingegen betont: „Wenn der Bundesgesundheitsminister den Patienten von MVZ mittels eines ‚Bild‘-Interviews suggeriert, sie würden reihenweise schlecht, falsch oder überbehandelt, trägt er zu einer gefährlichen Verunsicherung auf Patientenseite bei. Dem muss dringend Einhalt geboten werden, denn eines ist klar: Es gibt keine Belege für eine qualitativ schlechtere Versorgung in MVZ.“

Velling ist Facharzt für Innere Medizin, selbst in einem Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) tätig und zudem Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands Medizinische Versorgungszentren (BMVZ). Er gibt zu bedenken: „Es wird immer vergessen, dass es in jeder Hinsicht die Ärzte selbst sind, die die Trends zur Anstellung im Allgemeinen und zur Verbreitung von MVZ befeuern. Ohne Ärzte, die sich anstellen lassen und ohne Praxisinhaber, die ihre Sitze in MVZ einbringen, würde jedes Investoreninteresse ins Leere laufen.“

Laut BMVZ gibt es bundesweit derzeit rund 5.500 human- und zahnmedizinische Versorgungszentren mit mehr als 25.000 angestellten Ärztinnen und Ärzten. Der Hauptgrund, weshalb diese die Festanstellung bevorzugen: Sie müssen nicht das finanzielle Risiko einer eigenen Praxis tragen. Administrative Tätigkeiten übernehmen zudem teils oder komplett die Investoren, wodurch mehr Zeit zur Patientenbetreuung bleibt.

MVZ sind am Investmentmarkt ein Nischenprodukt

Erst 2004 wurden mit dem GKV-Gesundheitsmodernisierungsgesetz überhaupt die Rahmenbedingungen geschaffen, solche Zentren mit Fokus auf die Primärversorgung zu gründen. Vorbild war das Konzept der Polikliniken, die es zu DDR-Zeiten gab.

Teils werden die MVZ von Ärztinnen und Ärzten betrieben, teils von Krankenhäusern oder aber von Aktiengesellschaften oder Private-Equity-Unternehmen. Und die beiden letzteren – so die oft geäußerte Kritik – hätten vor allem ein Interesse: möglichst schnell möglichst viel Rendite für Anleger erwirtschaften.

In der Assetklasse der Gesundheitsimmobilien sind Pflegeimmobilien und betreutes Wohnen für Investoren am interessantesten. Der Bereich Ärztehäuser, MVZ, Gesundheitszentren und Kliniken ist ein Nischenmarkt. Aber einer, an dem das Interesse steigt. In einer Analyse des Healthcare-Investmentmarkts von BNP Paribas Real Estate ist für 2022 von einer neuen Bestmarke die Rede: „Getrieben durch eine Vielzahl von Einzeltransaktionen summiert sich das Volumen auf rund 1,15 Milliarden Euro.“

Und weiter heißt es in dem Report: „Forward-Deals bieten Investoren einen Zugang zu Objekten, die den aktuellen rechtlichen Anforderungen entsprechen und zudem über zeitgemäße Mietvertragsmodalitäten verfügen. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass der Anteil an Projektentwicklungen bei rund 23 Prozent und damit seit 2020 auf einem konstant hohen Niveau liegt. Da sowohl die Finanzierungs- als auch die Baukosten im Jahresverlauf deutlich gestiegen sind, ist der Anteil zum Jahresende jedoch leicht rückläufig gewesen.“

Health & Life Science als strategisch relevanter Sektor

Warum Investoren den Gesundheitssektor für sich entdeckt haben, liegt auf der Hand: Insgesamt steigt das Gesundheitsbewusstsein in der Bevölkerung, Präventionsmaßnahmen werden attraktiver, qualitativ hochwertige Facharztbehandlungen sind stärker nachgefragt. Zudem nimmt infolge des demografischen Wandels der Bedarf an medizinischer Versorgung insgesamt zu. Darüber hinaus ist der Sektor konjunkturunabhängig und verspricht stabile Cashflows.

„Unseren Fokus haben wir beständig von Pflegeimmobilien auf Health & Life Science-Immobilien erweitert“, sagt etwa Berthold Becker, Geschäftsführer der TSC Real Estate. Das Unternehmen hat beispielsweise im Mai 2022 ein MVZ in Duisburg für einen Healthcare-Fonds gekauft. „Die zum Teil komplementären Segmente korrespondieren miteinander und wir wissen um deren spezielle Anforderungen, sowohl an Standorte als auch an die entsprechende nationale und lokale Infrastruktur. Gerade die Möglichkeit zur Entwicklung von lokalen Agglomerationen unterschiedlicher Unternehmen aus dem Bereich Health & Life Science ist von hoher Bedeutung. Sind die standortbezogenen Rahmenbedingungen erfüllt, kann ein sektorales Cluster entstehen, das nicht zuletzt über die nachhaltige Tragfähigkeit des Standorts entscheidet.“

Grundversorgung stärken

Auch Hauck Aufhäuser Lampe hat inzwischen diverse Gesundheitsimmobilien gekauft – und zwar für den Anfang 2021 aufgelegten Immobilien-Spezialfonds H&A Soziale Infrastruktur. Dazu gehören unter anderem drei ambulante Versorgungszentren in Berlin, der GesundheitsCampus Duisburg-Rheinhausen sowie ein MVZ in München-Pasing.

„Der steigende Kostendruck auf unser Gesundheitssystem führt zu einem Wandel des Sektors und beschleunigt den Trend zur Ambulantisierung“, sagt Patrick Brinker, Head of Real Estate Investment Management bei Hauck Aufhäuser Lampe. Der Fonds H&A Soziale Infrastruktur investiert daher in die medizinische und soziale Grundversorgung. Im Fokus stehen Gesundheitszentren mit Praxen, Physiotherapie, Reha und medizinischem Einzelhandel. Ergänzend können altersgerechtes Wohnen, ambulante Pflege oder auch Kindertagesstätten integriert werden.

06.02.2023    Madeline Sieland
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