Illustration von zwei Menschen die auf ihr Handy schauen
16.06.2021    Fabian J. Fischer
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Wie viele Apps haben Sie auf dem Smartphone? Um die 80 Apps pro Endgerät entsprechen in etwa dem weltweiten Durchschnitt, auch wenn meist deutlich weniger Applikationen aktiv täglich oder monatlich genutzt werden. Nichtsdestotrotz befinden sich auch die selten genutzten Apps auf dem Smartphone, verbrauchen Speicherplatz und sind mit persönlichen Daten gefüttert.

Kasten für die Kolumne von Fabian Fischer

Ein Ausweg könnten in Zukunft Super-Apps bieten. Als Vorbild gilt die chinesische App WeChat, die ein ganzes Ökosystem für sich darstellt und gleichermaßen Chat-, Bezahl-, Buchungs- und Bewertungsmöglichkeiten in einem offeriert. Aber welche anderen Unternehmen haben das Zeug dazu, eine solche Super-App zu produzieren?

WeChat ist Paradebeispiel für den Netzwerkeffekt

WeChat ist wie ein digitales Taschenmesser, das in nahezu allen Lebenssituationen gezückt werden kann und dadurch sehr immersiv ist. Entsprechend fallen in der App extreme Datenmengen an, die Debatten um „gläserne Bürgerinnen und Bürger”, wie wir sie in Deutschland immer wieder geführt haben, völlig in den Schatten stellen. Innerhalb des autoritären chinesischen Systems wird die potenzielle Macht hinter diesen Datenmengen wohl nicht weiter negativ auffallen. Aus westlicher Perspektive lässt sich WeChat jedoch als „ein Einfallstor für staatliche Überwachung“ (tagesschau.de) sehen.

Dass es solche Super-Apps aber langfristig auch in Europa geben wird, könnte durch Netzwerkeffekte entstehen, wenn eine Applikation eine hohe Kundenzufriedenheit, Nutzung und Convenience erreicht. Demzufolge steigt der Nutzen eines Produkts mit der Zahl der Anwendenden. Tinder ermöglicht nach Unternehmensangaben 1,5 Millionen Dates pro Woche; das gelingt nur, wenn eine Dating-App auch entsprechend hohe Nutzerzahlen hat. Um solch einen Impact zu generieren, muss eine kritische Masse an Userinnen und Usern erreicht werden, sodass immer mehr Menschen das Gefühl haben, die App nutzen zu müssen – wodurch dann wiederum exponentielles Wachstum entsteht.

Illustration von Fabian Fischer

Fabian J. Fischer ist ein Hamburger Unternehmer, digitaler Vordenker und Investor. Als CEO von Etribes verantwortet er die strategische Weiterentwicklung des Unternehmens, das mittelständische Unternehmen und Dax-Konzerne bei den Herausforderungen der Digitalisierung berät. Fischer ist ebenso Co-Founder von Picea Capital, einem Evergreen Venture Capital Fund mit Fokus auf Early-Stage-Technologieunternehmen.

Aber auch die Worte von PayPal-CEO Dan Schulman deuten in Richtung Super-App: Er äußerte kürzlich in einem Interview mit dem Magazin „Time“ die Ansicht, dass wir zukünftig wahrscheinlich sechs bis zehn Super-Apps auf dem Smartphone installiert haben werden. Schlicht, weil sich die User nicht so viele Login-Daten merken und jede App einzeln mit Informationen füttern wollen. Zu jenem Kreis der Super-Apps will wohl auch PayPal selbst gehören, entsprechende Ankündigungen gab es zuletzt im Zuge der Quartalszahlen im Februar und Mai 2021.

WhatsApps letzte Chance: Super-App werden

Neben Zahlungsdienstleistern wie PayPal wären auch andere Unternehmen prädestiniert für die Schaffung einer Super-App. Mehr noch: Für Apps wie WhatsApp könnte es die letzte Chance sein, langfristig von Bedeutung zu bleiben. Zwar sind die Nutzerzahlen weiterhin hoch, aber der Innovationsgrad der Facebook-Tochter, die einst massiv zur Ablösung der SMS beigetragen hat, ist mittlerweile gering; andere Apps wie Signal oder Threema, aber auch der Messenger des Mutterunternehmens bieten nahezu den gleichen Funktionsumfang. Mit Payment-Dienst und einer besseren Integration von externen Unternehmen – etwa zur Buchung von Services – könnte WhatsApp wieder ein Alleinstellungsmerkmal erlangen und dadurch relevant bleiben.

Doch gerade im Bereich Payment treten nun immer mehr Anbieter auf den Plan – Lidl etwa integrierte in seine recht neue App nun auch eine Bezahl-Funktion, Google und Apple sind hier schon länger unterwegs.

Super-App, made in…?

Wahrscheinlich ist: Die Super-Apps, die wir in Zukunft sehen werden, vereinen Kommunikation und Entertainment, Payment und Commerce. Es wird darum gehen, die unterschiedlichen Nutzerbedürfnisse in diesen Bereichen – von Clubhouse-ähnlichen Gesprächsräumen bis zum Click-and-Collect-Einkauf – bestmöglich in ein Angebot zu integrieren und dabei die europäischen Datenschutz-Bestimmungen zu beachten.

Die Platzhirsche der westlichen Welt sollten jedenfalls nicht zu lange warten, bevor sie diesen Schritt gehen: Nicht nur können die Anbieter aus Asien expandieren, auch westliche Start-ups können wie aus dem Nichts auftauchen und die Userinnen und User für sich einnehmen. Denn hier gilt nicht nur der Netzwerkeffekt, sondern auch das Prinzip Land and Expand.

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16.06.2021    Fabian J. Fischer
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