Zukunft ist Jetzt!

Die Auswirkungen von Krieg, Inflation und schleppender Digitalisierung sind in der deutschen Wirtschaft flächendeckend spürbar. Jetzt sind Vordenkerinnen und Vordenker gefragt, die mit neuen Ideen und mutigen Entscheidungen Innovationen vorantreiben. Doch was macht visionäre Unternehmerinnen und Unternehmer aus?

Inhalte
Neuausrichtung

Architekten des Wandels

Vordenkerinnen und Vordenker sind nicht zufrieden mit dem, was bereits existiert. Sie streben stets danach, neue Horizonte zu erkunden und Innovationen voranzutreiben. Im 18. Jahrhundert haben das Adam Smith, später John Maynard Keynes, Henry Ford oder Milton Friedman getan und wurden so zu weltweit anerkannten Ökonomen und Vordenker.

Wenn es heute um wirtschaftliche Vorbilder und Innovationen geht, fallen andere Namen: Steve Jobs, Jeff Bezos und – trotz aller Kontroversen – auch Elon Musk. Sie sind für viele Unternehmerinnen und Unternehmer der Inbegriff für Innovationen und Erfolg. Was die alten und die modernen Vordenker eint: eine permanente Unruhe, die Fähigkeit, über den Tellerrand hinauszublicken und folglich bestehende Muster zu durchbrechen.

Interdisziplinäre Teams gehen neue Wege

Es braucht aber die richtigen Rahmenbedingungen: Denn Innovationen gedeihen oft in einem Umfeld, das die Vielfalt von Denkansätzen fördert. Das Stichwort heißt interdisziplinäre Zusammenarbeit. Visionäre Unternehmerinnen und Unternehmer bauen Teams von Fachleuten aus verschiedenen Bereichen auf. Steve Jobs, Mitbegründer von Apple, verstand das perfekt. Er brachte Menschen aus Design, Ingenieurwissenschaften und Kunst zusammen, was demnach zur Entwicklung von vielen Milliarden verkaufter Produkte wie Computer, MP3- Player, Smartphones und Tablets führte.

Was die digitalen Tools zum Verkaufsschlager macht: Sie waren und sind nicht nur äußerst funktional, sondern auch ästhetisch ansprechend. Jobs hatte bereits Ende der 1970er- Jahre den Mut, den Status quo aufzubrechen und sich dem damals neuen Thema Digitalisierung zu stellen. Amazon-Gründer Jeff Bezos und Tesla-Boss Elon Musk taten es ihm in den 2000er-Jahren nach. Doch auch im deutschen Mittelstand, bei den „Hidden Champions“ und in der hiesigen Start-up- Szene gibt es Vordenkerinnen und Vordenker – wie Jochen Schweizer (ab Seite 10), Iwona Janas (Seite 16) das Team von TapGig (ab Seite 20), und weitere. Sie beschäftigen sich mit Künstlicher Intelligenz, Quantencomputing, digitalen Tools oder gehen deshalb in Sachen Employer-Branding völlig neue Wege.

Neue Märkte erschließen

Doch egal ob technische oder prozessorientierte Neuerung: Eine prosperierende Wirtschaft ist ohne kluge Köpfe, die den Wandel als permanente Chance begreifen, kaum vorstellbar. Schließlich eröffnen erst sie mit ihren Innovationen neue Märkte, erhöhen so den Innovationsdruck und schließlich die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen. Gerade in einer Zeit, in der die technologische Entwicklung immer rasanter, die voranschreitende Globalisierung immer komplexer und die Herausforderungen des Klimawandels immer größer werden, ist der stetige Strom an neuen Ideen zwingend notwendig. Mit ausreichend Raum zur kreativen Entfaltung werden aus Vordenkerinnen und Vordenkern die Architekten des Wandels und demnach auch Wegbereiter für die Zukunft.

Events

Live-Kommunikation neu gedacht

Egal ob Konzerte oder Konferenzen – Veranstaltungen verändern sich. Das Gründer-Trio von TapGig bietet eine neue Technik für die Zukunft von Events. Sie wollen echte und prägende Begegnungen schaffen; auch auf Distanz.

Violinistin Viktoria Sholupata muss los. Um 22 Uhr beginnt die Ausgangssperre. Für ihr Publikum beginnt der Abend jetzt erst so richtig. Die Zeit ist dieselbe: ein Samstag im August, 21.45 Uhr. Die Orte sind umso verschiedener: Sholupata im ukrainischen Lwiw, das Publikum vor dem Münchner Siegestor. „… zum Frieden mahnend“, steht auf dem Bauwerk. Es ist diese Kollision der Realitäten, die diesen Live-Moment zu einer einzigartigen Begegnung macht. „Wir haben ein völlig neues Format geschaffen“, sagt Till Kaestner bestimmt. „Wir“, das sind er und seine Mitgründer Rüdiger Linhof und Chris Furtner. Einer fürs Geschäft, einer für die Kunst und einer für die Technik.

Übertragung in Echtzeit

Die Liebe zur Musik und zum Live-Erlebnis teilen alle drei. Deshalb haben sie TapGig entwickelt. Das Tool ermöglicht über eine cloudbasierte Plattform und die zugehörigen Technikboxen eine professionelle Remote-Produktion zwischen den Orten A und B. Die Übertragung erfolgt dabei in Echtzeit, in beide Richtungen sowie in hervorragender Ton- und Bildqualität. Events wie Konzerte, aber auch Konferenzen und Fortbildungen werden damit ortsunabhängig, kosteneffizienter und demnach umweltfreundlicher.

Die Einschränkungen während der Pandemie waren ein Katalysator für die Probleme und Ansprüche der Veranstaltungsbranche: Die Kosten steigen enorm, Tickets werden teurer, gerade kleinere Artists, Kulturen und Themen bleiben auf der Strecke. Harry Styles füllt die Stadien, aber mittelgroße Live-Clubs schließen. Zudem weisen gesellschaftspolitische und klimatische Krisen den Event-Spaß in seine Grenzen.

Chris Furtner, Rüdiger Linhof & Till Kaestner: Drei Gründer, eine Passion. Vierfach-Founder Furtner füllt mit seiner Band Münchner Zwietracht regelmäßig große Bierzelte. Linhof ist vielen als „Rüde“ von den Sportfreunden Stiller bekannt und zudem auch als Unternehmer in der Münchner Start-up-Szene aktiv. Und Hobbymusiker Kaestner schrieb in Führungspositionen die Erfolgsgeschichte vieler Unternehmen mit, darunter LinkedIn, T-Mobile und Monster (v. l.)

„Wollen Menschen zusammenbringen“

Und wie fühlt sich das für den Künstler an? „Es ist ein unglaublicher Moment“, sagt Linhof, TapGig-Mitgründer und Bassist der Band Sportfreunde Stiller. „Du stehst im Proberaum, plötzlich öffnet sich dieses Fenster und du bist innerhalb von Sekunden in Kontakt mit dem Publikum. Diese Direktheit. Auf meiner eigenen Bühne zu stehen, Menschen in die Augen zu sehen und gemeinsam Party zu machen. Plötzlich ist die Entfernung ein Schatz, der diese Begegnung zu etwas Besonderem macht.“

Dadurch, dass der Stream in beide Richtungen geht, soll sogar ein viel authentischerer und intimerer Moment entstehen, weil das Publikum das echte Umfeld des Gegenübers erfährt. „Wenn Viktoria Sholupata vor dem Siegestor auf einer Bühne gestanden hätte, hätte es nicht mal die Hälfte der Wirkung gehabt“, so Kaestner. „Aber so wurde über das gemeinsame Erlebnis ihrer Realität die emotionale Empathie angesprochen: Die spielt im Kriegsgebiet, hat Angst, weiß nicht, was morgen ist. Davon hätte sie auf der Bühne in München endlos berichten können, es wäre nicht so rübergekommen.“ TapGig will so auch anderen eine Live-Begegnung mit ihrer Audience ermöglichen: unabhängig von Größe, Ort und monetären oder organisatorischen Möglichkeiten. Von der Band bis zum Speaker.

Ein bisschen erinnert das an einen Videocall via Teams oder Zoom. Aber neben technischen Aspekten wie der professionellen Produktion oder der Klangqualität ist der größte Unterschied, dass das Publikum dennoch physisch zusammenkommt. „Wir wollen Menschen wirklich zusammenbringen“, sagt Furtner. „Dass sie einen Moment teilen, zusammenstehen und gesehen werden. Das funktioniert nicht, wenn jeder für sich auf seinen Bildschirm guckt.“

Wie wird aus einer Idee ein Erfolg?

Das klingt natürlich toll, und die Gründer können viel über die Einzigartigkeit ihrer Idee erzählen. „Die Herausforderung ist jetzt, Leute davon zu überzeugen“, so Kaestner. „Denn am Ende will man damit natürlich auch Geld verdienen.“ Die Gründer von TapGig setzen darum vor allem auf Ausprobieren. „Der beste Weg ist, ein Erlebnis zu schaffen, das die Leute selbst wahrnehmen können – denn es lässt sich nur schwer mit Worten beschreiben.“ Also tun sie das, stellen die Technik Multiplikatoren vor, übertragen Lesungen auf Brückenmauern und bringen die Box bis nach Ghana. Als Nächstes geht es darum, die Technik auch abseits von Konzerten einzusetzen.

So geht es weiter

Kaestner sieht da viel Potenzial in der Business-Live-Kommunikation. Messen, Corporate-Veranstaltungen, Kongresse. „TapGig kann das Fenster zum Unternehmen sein“, sagt er. In seiner Vorstellung steht bald der Geschäftsführer einer Lavendelfabrik in Frankreich inmitten seiner blühenden Felder und erzählt auf einer Mittelstandskonferenz irgendwo in Deutschland live etwas über Lokal-Marketing. Und das als professionelle und vergleichsweise günstige Multimediaproduktion mit der Möglichkeit, flexibel und direkt auf das Publikum eingehen zu können. „Unsere Plug-&-Play-Technik ist fertig und vereint das alles“, so Kaestner. Als nächster Schritt kämen nun Partner und Kunden, die diese für ihre individuellen Zwecke sinnvoll anwenden. Oder mit Linhofs eher metaphorischen Worten: „Wir haben eine Leinwand geschaffen – jetzt müssen wir darauf malen.“

 

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Künstliche Intelligenz

Wir können es uns nicht leisten, auf KI zu verzichten

Eine Kolumne von Verena Fink

Laut einer Bitkom-Umfrage haben 78 Prozent der Deutschen schon von ChatGPT gehört oder gelesen. Rund ein Drittel (34 Prozent) hat den Chatbot bereits genutzt. Dabei haben es zehn Prozent bei einem Versuch belassen, 13 Prozent nutzen das Tool häufig.

Folglich verdienen Zukunftsinstitute nicht schlecht an Marktprognosen, in denen sie das disruptive Potenzial neuer Technologien vorhersagen. Insgesamt zahlen Unternehmen gern, um frühzeitiger von solchen Chancen zu partizipieren oder um nicht unvorbereitet von Umbrüchen überrascht zu werden.

KI ist angekommen

Zeichnung Kolumne Verena Fink

Verena Fink: Die Beraterin für kundenzentrierte Innovation und Künstliche Intelligenz von Woodpecker Finch ist Expertin des DUP UNTERNEHMER-Magazins für digitale Impulse aus aller Welt

Zum Glück werden wir aber trotz aller Studien immer noch überrascht, zuletzt von ChatGPT, das Künstliche Intelligenz (KI) in unsere Lebensrealität gebracht hat. Der Zugang einer breiten Öffentlichkeit zu KI-basierten Large-Language-Models wurde eher für das Jahr 2025 prognostiziert. Die große Welle schwappte jedoch schon Ende 2022 zu uns und zeigte, dass die Integration von KI in Wirtschaft und Gesellschaft deutlich schneller passieren wird als die Digitalisierung.

Innovationen vorantreiben

Getrieben von Nationen wie China und Indien sprechen Experten von einem zehnfach höheren Tempo. Das setzt Europa und auch den deutschen Mittelstand unter Druck: Hier überwiegt traditionell eher eine abwartende Skepsis, um zunächst die Entwicklung zu beobachten, bis sich klare Rahmenbedingungen und Sicherheitskonzepte abzeichnen.

Vorreiter können die Zurückhaltung der Konkurrenz für sich nutzen, das sehen wir an deutschen Start-ups aus der Tech-Szene oder in der Marketingindustrie, die repetitive Prozesse konsequent mit KI automatisiert. Ein digitaler Versicherer braucht für die Bearbeitung von Schäden keine Sachbearbeitenden mehr, die prüfen, ob die Beiträge bezahlt wurden, ob die Schadensbeschreibung vollständig und plausibel ist und welcher Auszahlungsbetrag mit oder ohne Gutachten der wirtschaftlichste Weg wäre. Eine KI erledigt das routiniert in Sekundenschnelle rund um die Uhr, im freundlichen Kontakt mit dem Kunden.

Der Wandel der Gesellschaft

Zukunftsforscher wie Lars Thomsen prognostizieren, dass wir die Produktivität unserer Volkswirtschaft mit KI um 20 bis 30 Prozent steigern können. Ist das eine Bedrohung? Einerseits war Technologie schon immer dazu da, uns mühsame Arbeit abzunehmen und unsere Effizienz zu steigern. Andererseits werden manche Menschen neue Jobs finden müssen. Durch den demografischen Wandel einer alternden deutschen Gesellschaft wird das erleichtert, da Unternehmen ingesamt händeringend Fachkräfte suchen. Dennoch erfordert es die persönliche Bereitschaft zum Wandel.

Vielleicht hilft uns der Leidensdruck, die Offenheit für KI zu entwickeln: KI-Anwendungen können für uns die endlosen E-Mail-Verläufe, WhatsApp-Nachrichten, Chat-Anfragen, Social-Media-Posts sichten, sortieren, zusammenfassen und insgesamt priorisieren. Sie könnten auch antworten, wenn ich sie dazu autorisiere.

 

Kolumnen, Kommentare und Gastbeiträge auf DUP-magazin.de geben ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors oder der jeweiligen Autorin wieder, nicht die der gesamten Redaktion.




Videocredit: Getty Images/arthobbit

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