Illustration von einer Frau und einem Mann, wobei der Mann Geldscheine in die Luft wirft
10.03.2021    Miriam Rönnau
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Am 10. März 2021 ist der Equal Pay Day, also der Tag, bis zu dem Frauen in diesem Jahr über das vorangegangene hinaus arbeiten müssen, um das durchschnittliche Vorjahresgehalt ihrer Kollegen zu erreichen. Die aktuellste Untersuchung basiert auf Daten der Forschungsgruppe Gender Economics des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) von 2019 und zeigt: Der Gender Pay Gap betrug in Deutschland 19 Prozent – und ist somit einer der höchsten in ganz Europa. Lediglich Österreich und Estland schnitten schlechter ab. Dänemark, Norwegen, Finnland und Schweden zeigen hingegen, wie es besser geht.

Die Analyse von Julia Schmieder und Katharina Wrohlich, die Teil der Forschungsgruppe sind, ergab zudem, dass im europäischen Vergleich eine höhere Frauenerwerbsquote mit einem größeren Gender Pay Gap einhergeht. Begründet wird dies dadurch, dass eine höhere Erwerbsquote auch viel gering verdienende Frauen in der Rechnung berücksichtigt. Felix Korten bestätigt die Ergebnisse: „Frauen arbeiten hierzulande häufiger in sozialen oder personalnahen Dienstleistungen, die im Vergleich zu technischen Tätigkeiten schlechter bezahlt werden“, sagt der Gründer und Vorstand der Wirtschaftskanzlei Korten Rechtsanwälte AG.

Korten gibt einen Einblick in die Praxis und spricht über die Frauenquote, erläutert warum es bei gendergerechte Sprache auch um rechtliche Inklusion geht und was Arbeitgeber für ein gendergerechtes Unternehmen tun können.

Zur Person

Porträt von Felix Korten

Felix Korten

ist Vorstand und Gründer der Hamburger Wirtschaftskanzlei Korten Rechtsanwälte AG. Korten berät Unternehmer sowie kleine und mittlere Unternehmen in den Bereichen Arbeitsrecht und Gesellschaftsrecht

Wie beurteilen Sie den Pay Gap zwischen Männern und Frauen hierzulande?

Felix Korten: Gründe, warum Deutschland eine der größten Lohnlücken in Europa hat, sind vielseitig: So haben Frauen bei der Berufswahl andere Präferenzen als Männer, sie arbeiten häufiger in sozialen oder personennahen Dienstleistungen, die im Vergleich zu technischen Tätigkeiten schlechter bezahlt werden. Daneben spielt der Wiedereinstieg nach der Elternzeit eine große Rolle. Aus familienbedingten Gründen arbeiten viele Frauen in Teilzeit oder in Minijobs, die es gerade in den Führungspositionen nicht oder kaum gibt. Um diesem Ungleichgewicht entgegenzuwirken, hat die Bundesregierung schon einiges in die Wege geleitet. Während mit dem flächendeckenden Ausbau der Kinderbetreuungsplätze, der Zahlung von Elterngeld und dem ElterngeldPlus die Möglichkeiten für eine schnellere Wiedereingliederung geschaffen wurden, zielt die Frauenquote auf eine gleichberechtigte Besetzung von beiden Geschlechtern in Führungspositionen ab. Erfahrungen aus der Rechtsanwaltschaft zeigen, dass diese Maßnahmen greifen. So hat sich die Zahl der zugelassenen Rechtsanwältinnen seit 2000 von knapp unter 25 Prozent auf fast 36 Prozent erhöht. Eine solche Entwicklung sehen wir sehr positiv, auch wenn wir uns eine weitere Angleichung an den weiblichen Anteil der Bevölkerung von 51 Prozent wünschen.

Das Bundeskabinett hat am 6. Januar 2021 einen Gesetzentwurf für verbindliche Vorgaben für gleichberechtigte Teilhabe von Frauen an Führungspositionen beschlossen. Was halten Sie von der Frauenquote für Vorstände? Sollte es diese auch für den Mittelstand geben?

Korten: Die Frauenquote für Vorstände halte ich grundsätzlich für sinnvoll, da die bisherige Regelung eine nur halbherzige Umsetzung der im Grundgesetz in Artikel  3 Absatz 2 verankerten Verpflichtung war, auf die Beseitigung geschlechtsspezifischer Nachteile hinzuwirken. Bislang konnten sich Unternehmen einfach aus der Affäre ziehen, in dem sie für die Besetzung weiblicher Vorstände einfach die Zielgröße „Null“ angegeben haben. Bisher haben 55 von 106 börsennotierten und voll mitbestimmten Unternehmen von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. Eine Ausweitung auf den Mittelstand halte ich hingegen für problematisch, da die Praxis zeigt, dass es aufgrund der faktischen Gegebenheiten schwierig ist, bestimmte Positionen mit weiblichen Arbeitskräften zu besetzen. Hier sollte der Gesetzgeber daher an eine ausgewogene Besetzung appellieren, aber nicht mit Zwangsmaßnahmen regulatorisch eingreifen.

Folgendes Szenario: Eine Mitarbeiterin eines mittelständischen Unternehmen erfährt durch Zufall, dass der Kollege, der auf einer gleichen Position arbeitet, mehr Gehalt bekommt als sie. Was kann sie tun?

Korten: In diesem Fall gilt es zunächst das Gespräch mit dem Arbeitgeber zu suchen und herauszufinden, ob ein triftiger Grund für den Lohnunterschied besteht. Dieser kann etwa ein vorher ausgehandelter Lohn bei einem Betriebsübergang, die besser bezahlte Entrichtung von Sonderschichten oder eine lange Betriebszugehörigkeit sein. Auf diese Art und Weise erhält der männliche Kollege zwar mehr Geld für die gleiche Arbeit, jedoch liegt dies nicht am Geschlecht. Anders sieht es aus, wenn der Arbeitgeber keine Begründung liefern kann und tatsächlich eine geschlechtsbedingte Lohndiskriminierung vorliegt, die in Verbindung mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz und dem Entgelttransparenzgesetz, das in Unternehmen mit mehr als 200 Mitarbeitern greift, verboten ist. In diesem Fall muss der Arbeitgeber den Lohn der Mitarbeiterin auf den des männlichen Kollegen aufstocken.

Das Thema #MeToo ging durch die Medien. Doch Sexismus ist oft schwer zu belegen und viele wissen nicht: Was ist ernst gemeint, was ist Spaß? Wie lässt sich eine Trennschärfe ziehen?

Korten: Die Grenze beim Thema Sexismus ist das Gefühl einer jeden Frau und ihrer persönlichen Deutung der jeweiligen Kommunikationszeichen. Im beruflichen Alltag stehen besonders Frauen oft vor der schwierigen Beurteilung, ob es sich bei einer Bemerkung um ein unglücklich gewähltes Kompliment oder bereits eine sexistische Anmerkung handelt. Sobald Frau sich belästigt, bedrängt oder unwohl in der stattfindenden Situation fühlt, gilt es dagegen anzugehen. Hierbei sind einzig das Wohlbefinden und der persönliche Eindruck der Betroffenen entscheidend. Auch wenn es viel Überwindung kostet, sollte sie dem Gegenüber deutlich klar machen, dass das an den Tag gelegte Verhalten nicht toleriert wird.

Manche meinen, die Coronakrise sei eine Gefahr für die Gleichberechtigung und sie habe Frauen zurück in traditionelle Rollen gedrängt. Können Sie das aus Ihrer Arbeit bestätigen?

Korten: Die Corona-Krise stellt eine erhebliche Belastung für alle Eltern und – aufgrund der immer noch vorherrschenden Rollenverteilung – natürlich überproportional für Mütter dar. Dennoch bietet die aktuelle Krisensituation auch erhebliche Chancen für Unternehmen, Arbeitsplätze gendergerecht einzurichten. Ein Beispiel aus unserem Unternehmen: Eine Mitarbeiterin ist aufgrund eines Arbeitsplatzwechsels ihres Mannes gezwungen, aus Hamburg wegzuziehen. Vor der Pandemie wäre dies mit großer Wahrscheinlichkeit mit einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses verbunden gewesen, da wir für Lösungen, die uns eine flexible Anpassung der Arbeitsbedingungen ermöglichen, nicht offen gewesen wären. Erst der Vorschub in der Digitalisierung und die neue Akzeptanz von Homeoffice-Regelungen haben uns in die Lage versetzt, das Arbeitsverhältnis aus einer anderen Stadt mit angepassten Bedingungen fortzuführen.

Was können Arbeitgeber für ein gendergerechtes Unternehmen tun?

Korten: Zunächst gilt, die bestehenden Gesetze und Regularien einzuhalten. Und sich dabei nicht hinter der aktuell emotional geführten Diskussion, etwa über gendergerechte Sprache, zu verstecken. Natürlich ist es einfach, sich darüber lustig zu machen, ob ein Verkehrsschild sich an „Radfahrer“ oder „Radfahrer*innen“ richtet. Doch wenn man bedenkt, dass in der Schweiz das Frauenwahlrecht bis 1971 nicht anerkannt wurde, weil die Verfassung nicht gendergerecht formuliert war, sondern gleiche Rechte nur für „Schweizer“ reklamierte, steht die Diskussion in einem völlig anderen Licht. Unternehmen sollten also weder in der internen noch externen Kommunikation an alten Mustern festhalten. Dabei gilt es nicht nur das weitverbreitete generische Maskulinum zu vermeiden, sondern generell Verständnis für bestehende Nachteile, die Artikel 3 Absatz 2 des Grundgesetzes ausdrücklich als solche anerkennt, zu zeigen und sich sensibel danach auszurichten. Oft hilft es, statt einer geschlechtsspezifischen eine menschliche Lösung zu suchen.

Könnten gesetzliche Regelungen dabei helfen?

Korten: Gesetze können nicht verhindern, dass männliche Totalausfälle sich damit brüsken, Frauen unaufgefordert in den Schritt zu greifen. Sie können aber verhindern, dass ausgerechnet solche Menschen herausragende Machtpositionen besetzen. Das hat in Frankreich im Fall des ehemaligen Finanzminister Dominique Strauss-Kahn sehr gut funktioniert, in Amerika unter Donald Trump leider nicht. Diese unsagbaren Beispiele zeigen, dass der Umgang zwischen den Geschlechtern, vielmehr zwischen Menschen, nicht in erster Linie in Gesetzen, sondern im täglichen Miteinander und einem respektvollen Umgang zu regeln ist. Gesetze können nur als die Leitplanken für eventuelle Grenzüberschreitungen gelten, die Straße selbst muss von der Unternehmenskultur und von Vorbildern vorgegeben werden. Diesem Grundsatz sollte sich jedes Unternehmen verpflichtet fühlen.
10.03.2021    Miriam Rönnau
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