Tischuhr T-Rex von MB&F und L'Epée
12.01.2022    Jan Lehmhaus
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Ein Ausweis von Stil, Bildung, Geschmack? Erinnerung an große Zeiten oder Sehnsuchtsorte? Dass Armbanduhren heute ganz anderen Zwecken als der Zeitanzeige dienen, ist bekannt. Aber es bezeichnet nicht etwa den Endpunkt der Uhrmacherei, sondern einen Teil ihrer Tradition. Erst etwa 100 Jahre alt ist die Schrulle, sich ein kleines Zeitmessgerät an den Arm zu schnallen. Zuvor bewahrte man es sorgfältig in der Tasche – und hatte zu Hause größere, verlässlichere Uhren, nach denen die tragbaren Geräte gestellt wurden.

Mit diesen stationären Uhren, zumal wenn sie auf einem Tisch in der Mitte des Raumes platziert waren, konnte sich ihr Besitzer viel besser darstellen als mit den nur kurz hervorblitzenden Winzlingen, seinen Wohlstand genauso zeigen wie sein Faible für raffinierte Technik und erlesenes Kunsthandwerk. Und er kann es noch heute. Traditionsreiche Manufakturen, aber auch junge Unternehmen bauen beeindruckende Tischuhren, für die sich Mechanik-Freunde genauso begeistern wie Kunst-Gucker. 

Tischuhren als Spontankäufe

Noch ist der Kundenkreis allerdings recht überschaubar. „Reich wird man mit dem Großuhrenhandel nicht“, erklärt Uwe Beckmann. Er ist Geschäftsführer der Frankfurter Wempe-Niederlassung an der Hauptwache. „Aber diese mechanischen Meisterwerke sorgen in den Geschäften für eine besondere Atmosphäre; die Liebhaberei ziert uns auch“, ist er sich sicher.

Wempe bietet nicht nur Marinechronometer aus seiner eigenen Schiffsuhren-Produktion an – von denen ein nicht geringer Teil auf Schreibtischen an Land steht –, sondern eine ganze Bandbreite von klassischen bis entschieden modernen Tischuhren anderer Hersteller. Gezielt um diese zu erwerben, kämen die Kunden aber nicht ins Geschäft, hat Beckmann beobachtet. „Es gibt immer wieder Spontankäufe auch bei Menschen, die sich mit Uhren sonst nicht beschäftigen und zum Beispiel bei uns sind, um einen Ring auszuwählen.“ Die verguckten sich dann vielleicht in die erstaunliche, fast greifbare Mechanik der Zeitmesser von Sinclair Harding, einer britischen Manufaktur, die Klassiker nachbaut.

Von verspielt bis verwegen 

Die verspielte „Congreve“ etwa, durch die im Zickzack eine Kugel rollt, oder die sich „winkend“ bewegenden ersten „Sea Clocks“, die John Harrison im 18. Jahrhundert entwickelte: Die werden dann natürlich erklärt und die Geschichten dahinter erzählt, so Beckmann.

Tischuhr Qlocktwo Touch

Gesprächig: Die „Qlocktwo Touch“ gibt es in mehr als 20 Sprachen (in der Ausführung Rest für 1.095 Euro)

Das gilt auch für die „Atmos“, die bekannteste Tischuhr von Jaeger-LeCoultre. Die aufreizend langsame Bewegung ihres Drehpendels rührt von der extrem energiesparenden Technik des Werks her. Die „Atmos“ braucht nicht aufgezogen zu werden, gewinnt ihre Kraft aus geringen Änderungen der Umgebungstemperatur. Ende der 1920er-Jahre erfunden, wirkt dieses Prinzip höchst aktuell. „Wir haben es außerdem kontinuierlich verbessert“, sagt Produktdesign-Direktor Lionel Favre. „Und wir haben auch darüber nachgedacht, das Werk zu miniaturisieren und so an den Arm zu bringen“, räumt er ein.

Allein, die Übertragung stellt auch die versierten Mikromechaniker von Jae­ger-LeCoultre vor unlösbare Probleme. Manches lässt sich nur mit einer Tischuhr machen. Dafür hat die Manufaktur auch das Gehäuse der „Atmos“ stets dem sich wandelnden Zeitgeschmack gemäß gestaltet. Heute gehören moderne Glasarbeiten des Designers Marc Newson zur „Atmos“-Kollektion. 

Tischuhren-Design neu gedacht

Hersteller wie Max Büsser & Friends und L’Epée 1839 haben den Formen- und Funktionskanon der Tischuhren in den vergangenen Jahren deutlich erweitert, zitieren mit ihren Objekten Raumschiffe und Roboter. Die Zeitanzeige ist immer präzise, aber deutlich Nebensache. Auch dort steht die mechanische Funktion im Mittelpunkt, eher Parabel auf moderne Zeiten als Messinstrument.

Diese kreativen Modelle, meint Beckmann von Wempe, zögen nicht etwa nur jüngeres Publikum an. „Das gefällt auch älteren Kunden, genauso wie sich junge Leute für die geradlinigen Produkte von Sattler interessieren.“ Der bayerische Hersteller hat mit seiner skelettierten „Opus Tourbillon“ eine Tischuhr im Programm, in der die Komplikation einer rotierenden Hemmung nicht nur schöner anzusehen ist, sondern auch konstruktiv mehr Sinn hat als in einer Armbanduhr.

Kunst-Konkurrent 

Für etliche aber führt der Weg zur Tischuhr gar nicht über die Begeisterung für Zahnräder und Kraftfluss, sondern über die Ästhetik. Oftmals konkurriere die Uhr bei Anschaffung und Platzvergabe eher mit einem Kunstwerk, hat Beckmann beobachtet. Da darf sie dann auch einen elektronischen Antrieb haben.

Bei den Produkten von Qlocktwo wäre das auch gar nicht anders denkbar. Die Objekte des schwäbischen Unternehmens machen die Zeit buchstäblich lesbar, in einer quadratischen Buchstaben-Matrix leuchtet die Information auf wie die Antwort eines freundlich um Auskunft Gebetenen: „Es ist zehn vor acht.“ Das beherrscht die Tischuhr „Touch“ in mehr als 20 Sprachen und durch Fronten aus unterschiedlichstem Material hindurch.

Bewegt: Ulysse Nardins „UFO“ schaukelt schön – auch in den Schlaf (35.900 Euro)

Qlocktwo-Geschäftsführer Jens Adamik schätzt, dass der Anteil stehender Zeitobjekte – neben den Wand- und Armbanduhren der Firma – bei gut 40 Prozent liege. Das Haus stattet auch Firmen und Hotels mit den gesprächigen „Qlocktwos“ aus. „Der größte Teil unserer Produkte wird aber in Privathaushalten eingesetzt“, so Adamik. „Dabei denkt man natürlich an Kunden mit Bezug zu modernem Design und zeitgenössischer Architektur.“ Durch Bildzusendungen begeisterter Käufer weiß er jedoch, dass manche in ganz anderen Stilwelten leben, als man marketingtechnisch vor Augen habe. „Das ist für uns ein wichtiges Korrektiv, denn wir dürfen uns als Hersteller nicht nur in der eigenen Welt bewegen. Schließlich kann eine ,Qlocktwo Rust‘ hier wie da toll aussehen.“

Große Uhren, große Namen

Elektrisch angetrieben werden auch die Dom-Penduletten, mit denen Patek Philippe seine kunsthandwerkliche Extraklasse demonstriert. Sie tragen feinste Fayence- und Emaille-Arbeiten – und entstehen in so geringer Stückzahl, dass die Nachfrage nie gedeckt werden kann, wie auch Beckmann bedauert. „Natürlich kann man eine Tischuhr noch viel besser verkaufen, wenn so ein großer Name dahintersteht“, weiß er.

Immerhin hat mit Ulysse Nardin gerade ein weiteres Traditionshaus eine stattliche Uhr aufgetischt: Die „UFO“ – für „Unidentified Floating Object“ – erinnert an die Schiffschronometer des Hauses. Einmal aufgezogen zeigt sie ein ganzes Jahr lang die Zeit in drei Zeitzonen – und kann bojengleich schaukeln, wenn der Besitzer sie anstubst. Vielleicht dürfen das ja auch seine staunenden Gäste mal probieren. 

Was auf den Tisch kommt? Wird eben nicht immer gegessen, sondern manchmal vor allem gesehen.

12.01.2022    Jan Lehmhaus
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