ein Euro-Zeichen steht auf einem Fragezeichen
13.01.2023    Madeline Sieland
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Zwar messen 88 Prozent der Deutschen Finanzwissen eine große Bedeutung bei und halten gute Kenntnisse in dem Bereich für (sehr) wichtig. Doch sich ernsthaft damit beschäftigen – das wollen die Wenigsten. Laut „MLP Finanzkompetenzreport 2022“ bekunden nur 37 Prozent ernsthaft Interesse an Finanzthemen. Den Report hat das Institut für Demoskopie Allensbach im Auftrag der MLP School of Financial Education erstellt. Die Angebote der MLP School of Financial Education zur Finanzbildung stehen auch Unternehmerinnen und Unternehmern sowie Arbeitnehmenden offen.

Ein Wissenstest im Rahmen der Studie offenbart zudem eklatante Wissenslücken.

  • Jeder Vierte glaubt fälschlicherweise, dass man mit einer sicheren Geldanlage auf dem Tagesgeldkonto mehr Rendite erzielen kann als an der Börse.
  • 37 Prozent der Befragten halten die falsche Aussage „Die Erhöhung der Zinsen führt automatisch zu einer Erhöhung der Inflation“ irrtümlich für richtig.
  • Rund die Hälfte denkt fälschlicherweise, dass eine größere Zahl an Kindern automatisch eine höhere Rente bringt.
  • 33 Prozent der Befragten glauben, die gesetzliche Rente decke 70 Prozent des letzten Einkommens ab.
  • Jeder Fünfte hält Immobilien für erbschaftssteuerbefreit, wenn sie von den Eltern an die Kinder vererbt werden.
  • 46 Prozent sind fälschlicherweise überzeugt, man müsse mindestens 30 Prozent Eigenkapital nachweisen, um eine Immobilie zu kaufen.

Dass einem großen Teil der Befragten wesentliches Grundlagenwissen fehlt, bleibt nicht folgenlos: Es führt zu Fehleinschätzungen und -entscheidungen beim Vermögensaufbau und der Risiko- und Altersvorsorge, betont Carolin Gellert von der MLP Corporate University.

Zur Person

Carolin Gellert vom Finanzdienstleister MLP ist Expertin zum Thema Finanzkompetenz

Dr. Carolin Gellert

ist seit 2013 beim Finanzdienstleister MLP tätig. Die promovierte Psychologin leitet seit 2020 den Bereich Development & Design an der MLP Corporate University. Zuvor war sie dort für das Team Bildungsqualität verantwortlich

Was verstehen Sie unter Finanzkompetenz? Was zeichnet eine Person aus, die über Finanzkompetenz verfügt?

Carolin Gellert: Unter Finanzkompetenz verstehe ich das notwendige Wissen und die Fähigkeit, finanzielle Zusammenhänge zu verstehen, um so Entscheidungen in finanziellen Angelegenheiten fundiert treffen zu können. Dies umfasst für mich auch ein Verständnis von grundlegenden Vorgängen und Fachbegriffen aus der Finanzwelt – zum Beispiel Zinseszins, Inflation, Kapitalmarkt oder Risikostreuung. Mit dem Bewusstsein für und dem Wissen rund um Finanzthemen ist eine Person befähigt, ihre private Finanzplanung eigenverantwortlich zu steuern und so für ihr finanzielles Wohlbefinden zu sorgen.

Ihr Report zeigt, dass Fehlannahmen rund um Finanzen und Vorsorge recht verbreitet sind. Woran liegt das? Und wie steht es insgesamt um das Finanzwissen in Deutschland?

Gellert: Der „MLP Finanzkompetenzreport 2022“ zeigt deutlich, dass mangelhaftes Finanzwissen weit verbreitet ist – über alle Geschlechter, Altersgruppen und Bildungsschichten hinweg. Mehr als 60 OECD-Länder verfolgen eine nationale Finanzbildungsstrategie; Deutschland gehört allerdings nicht dazu. Das zeigt, dass das Thema insbesondere in Schulen und Bildungseinrichtungen immer noch stiefmütterlich behandelt wird – aber auch darüber hinaus: Oftmals gibt es Hemmungen und eine gewisse Scheu, sich des Themas anzunehmen. Doch wir brauchen eine breitgefächerte Diskussion über Finanzwissen, denn Wirtschaft und Finanzen spielen eine wichtige Rolle in unserer Gesellschaft und sind die Basis unseres Wohlstands.

Laut Ihrem Report haben nur 37 Prozent der Befragten überhaupt Interesse an Finanzthemen. Wie wirkt sich dieses Desinteresse auf die persönliche Vorsorge aus?

Gellert: Nehmen wir hier als Beispiel die Altersvorsorge: Der fortschreitende demografische Wandel sorgt dafür, dass die gesetzliche Rente zunehmend weniger für den Erhalt des Lebensstandards im Ruhestand ausreichen wird. Eigenvorsorge ist demzufolge unverzichtbar. Wer sich nicht mit Finanzthemen beschäftigt, erkennt diesen Bedarf oftmals jedoch gar nicht oder erst sehr spät. Gegensteuern wird dann schwierig.

Ähnlich gravierend können die Folgen bei einer fehlenden Absicherung gegen Berufsunfähigkeit sein; auch hier kann die fehlende private Vorsorge im Schadenfall die Existenz bedrohen. Dennoch haben viele Menschen diesen so wichtigen Schutz gar nicht auf dem Zettel: Laut unserer Studie nennt nur rund jeder Fünfte die Berufsunfähigkeitsversicherung als Bestandteil einer guten Risikoabsicherung. Doch wer sich bereits in jüngeren Jahren mit der Vorsorge auseinandersetzt, profitiert davon. Alter und Gesundheitszustand sind Faktoren, die die Beitragszahlung der Berufsunfähigkeitsversicherung beeinflussen. Je früher der Einstieg, desto niedriger sind die Beiträge.

Wie ließe sich die Finanzbildung in der Bevölkerung verbessern?

Gellert: Wie bereits erwähnt steht für mich ein offener Dialog über Finanzen an erster Stelle. Im Grunde genommen beginnt dies bereits im Elternhaus, wo Kinder beispielsweise durch das Taschengeld für einen Umgang mit Finanzen sensibilisiert werden. Dann sollte in der Schule das Thema stärker akzentuiert werden. Darüber hinaus sollten Finanzbildungsangebote in der Breite strukturell verankert und verbreitert werden. Dafür müssen verschiedene gesellschaftliche Akteure zusammenwirken, um Aufklärungs- und Informationsangebote zu schaffen – sei es in der betrieblichen Fortbildung, über private Bildungsangebote und im Zusammenspiel mit Politik und Wirtschaft.

Ihr Report zeigt zudem, dass Finanzverantwortliche in Unternehmen ebenfalls große Wissenslücken zu Privatfinanzen haben. Insbesondere beim Thema Inflation zeigten sie Defizite. Die Inflation betrifft allerdings auch Unternehmen und nicht nur Privatpersonen. Welche Folgen kann diese Unwissenheit dann im Job und für ein Unternehmen haben?

Gellert: Das lückenhafte Wissen von Führungskräften zum Thema Inflation lässt durchaus vermuten, dass sie aus falschen Überzeugungen heraus auch im beruflichen Umfeld ungünstige Finanzentscheidungen treffen könnten. Über die jeweiligen Folgen kann ich nur spekulieren. Fest steht jedoch, dass jeder Arbeitgeber ein Interesse daran haben sollte, dass Führungskräfte und Mitarbeitende grundlegende wirtschaftliche Zusammenhänge verstehen. Das kommt beiden Seiten zugute. Außerdem sind Mitarbeitende, die weniger finanzielle Sorgen im privaten Umfeld haben, auch leistungsstärker und motivierter am Arbeitsplatz.

13.01.2023    Madeline Sieland
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