Geld in der Geldbörse
09.09.2021    Gerhard Michel
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Wenn von Inflation die Rede ist, dann denken die meisten an die Teuerungsrate im Bereich der Güter und Dienstleistungen. Trotz der rasanten Vermehrung der Geldmenge durch die westlichen Zentralbanken während der Weltfinanzkrise 2007-2009 und der Coronakrise sind in diesen beiden Segmenten trotz der aktuellen Anstiege jedoch bisher keine nachhaltigen überdurchschnittlichen inflationären Tendenzen auszumachen. Im Bereich der Vermögenswerte sieht dies etwas anders aus. Denn ein starker Anstieg der Preise für Vermögenswerte ist den meisten Investierenden – häufig unterbewusst – schon aufgefallen.

Kolumnenkasten von Gerhard Michel

Was ist eigentlich ein Vermögenswert?

Um Vermögenspreisinflation bestimmen zu können, ist es für Investoren zunächst einmal notwendig, den Begriff Vermögenswert genau zu definieren. Dabei fällt auf, dass es nicht so viele Vermögenswerte gibt, wie so mancher denkt.

Ein objektiv bewertbarer Vermögenswert erzeugt – gehalten im Portfolio – Cashflow. Dies leistet beispielsweise eine vermietete Immobilie, denn die Mieteinnahmen fließen dem Immobilieninvestor zu. Es ist der Cashflow, der es möglich macht, einen objektiven Wert für die Immobilie zu bestimmen. Beim Beispiel Immobilie wären die jährlichen Mieteinnahmen in Relation zur Investitionssumme zu setzen, um die Rendite auf das eingesetzte Kapital zu berechnen.

Warum ist Geld (und auch Bitcoins, Gold oder Kunstgegenstände) kein Vermögenswert?

Die Tatsache, dass die Immobilie im Preis steigen kann, definiert sie nicht als echten Vermögenswert, denn Kunstgegenstände können auch im Preis steigen, sind aber keine objektiv bewertbaren Vermögenswerte. Kunstgegenstände erzeugen in einem Portfolio keinen Cashflow, sie arbeiten also nicht für den Investor. Der Marktwert eines Kunstwerkes ist einzig von der Meinung der Marktteilnehmer abhängig und kann für den einzelnen von Millionen Euro bis Null Euro reichen.

Es gibt noch viele weitere, nicht objektiv bewertbare Vermögenswerte: Briefmarken, Schmuck oder auch Gold. Auch eine Kryptowährung ist, genau wie „echtes“ Geld, kein Vermögenswert. Selbst Geld ist nur ein auf Vertrauen basierendes Tauschmittel. Dass Geld nicht arbeitet, das erfahren Sparbuch-„Investoren“ seit jeher am eigenen Leib.

Es gibt nur vier objektiv bewertbare Vermögenswerte

Illustration von Gerhard Michel

Gerhard Michel ist Investor und Finanzcoach. In Einzelcoachings, Seminaren und als Gastdozent vermittelt er die quantitative, fundamentale Aktien- / Unternehmensanalyse

Anleihen, Immobilien, Aktien und Patente sind in der Lage, für Investierende zu arbeiten. Da es nicht jedem vergönnt ist, ein Patent (z. B. Softwarepatent oder ein musikalisches Urheberrecht) zu erwerben, reduziert sich die Anzahl realistisch betrachtet schnell auf drei echte Vermögenswerte. Diese drei Vermögenswerte gilt es nun auf ihre inflationären Tendenzen hin zu untersuchen.

Vermögenswert Nr. 1 Anleihen

Durch die Ankäufe von Staats- und Unternehmensanleihen durch die Zentralbanken (auf diese Weise wird die Geldmenge vermehrt) sind die Preise der deutschen Staatsanleihen soweit angestiegen, dass die Rendite inzwischen negativ ist. Im Bereich der Unternehmensanleihen sind von den Investierenden zwingend die fundamentalen Daten der Emittenten zu analysieren, um herauszufinden, ob ein verlockend hohe Zins nicht auch von einem hohen Ausfallrisiko begleitet wird.

Vermögenswert Nr. 2 Immobilien

Nach der Weltfinanzkrise haben sich viele Enttäuschte vom Aktienmarkt abgewendet, um in Immobilien zu investieren. Die daraufhin weiter steigenden Immobilienpreise haben weitere Käufer angelockt. Immobilieninvestoren sollten immer die Rendite auf ihr eingesetztes Kapital ausrechnen, um beurteilen zu können, ob diese noch signifikant über der von der EZB gewünschten Inflationsrate von 2 Prozent liegt. Die Mieten sind auch deshalb gestiegen, weil viele Immobilieninvestoren ohne Mietanhebungen keine relevanten Renditen mehr erzielen würden.

Vermögenswert Nr. 3 Aktien

Investierende, die bei einer breiten Anzahl von Aktien die Rendite auf das eingesetzte Kapital berechnen, kommen höchstwahrscheinlich zu dem Schluss, dass die Aktienmärkte nicht gerade günstig bewertet sind. Dies bedeutet nicht, dass die Kurse nicht weiter steigen können, aber Fundamentalinvestoren wollen beides: Erstens eine vernünftige Rendite auf das eingesetzte Kapital und zweitens Kursgewinne. Spekulanten sind nur an Kursgewinnen interessiert, die Rendite auf das eingesetzte Kapital entgeht ihnen.

Wie entsteht Vermögenspreisinflation?

Geld wird von der Zentralbank gedruckt, und sie kauft davon Staats- und Unternehmensanleihen. Dies verteuert den Vermögenswert Anleihe bereits künstlich. Das von den Staaten anschließend dem Geldkreislauf zugeführte neue Geld, landet bei den Verbrauchern. Die meisten Verbraucher geben es jedoch für Güter und Dienstleistungen aus.

Das Geld wechselt so lange den Besitzer, bis es bei jemandem landet, der echte Vermögenswerte kauft, die er langfristig im Portfolio behalten möchte. Der Geldkreislauf wird durch diese Person gestoppt. Finanziell gebildete Investierende, die von dem Geld kapitalflusserzeugende Vermögenswerte kaufen, sorgen dafür, dass die Preise für die beiden restlichen, objektiv bewertbaren Vermögenswerte – Immobilien und Aktien – steigen.

Ist ein Ende der Vermögenspreisinflation absehbar?

Theoretisch, ja. Praktisch, sollte man jedoch einen Blick in die Wirtschaftsgeschichte werfen und sich fragen: Wenn Vermögenspreisinflation durch Gelddrucken entsteht, gibt es dann in der Wirtschaftsgeschichte Beispiele, die belegen, dass ein einmal begonnener Gelddruckprozess beendet wurde?

Welche Auswirkung hat die Vermögenspreisinflation auf den Fundamentalinvestor?

Wenn Vermögenspreisinflation auf absehbare Zeit zu einem Dauerzustand wird, dann müssen Fundamentalinvestierende noch selektiver bei der Investitionsentscheidung vorgehen und Geduld beweisen, um bei den weniger werdenden, jedoch nach wie vor vorhandenen Kaufgelegenheiten zuzuschlagen.

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09.09.2021    Gerhard Michel
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