Kursverläufe als Symbolbild für Anlagen in Nebenwerte
18.04.2024    Kai Makus
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Rally und Rekordstände an den globalen Aktienmärkten prägten das erste Quartal 2024. Unter den wichtigsten Indizes gewann etwa der EuroStoxx50 gut zwölf, der Dax mehr als zehn Prozent. In den USA fielen die Zuwächse bei S&P500 und Nasdaq 100 nur unwesentlich geringer aus. Viele Anlegende fragen sich, wie lange der Aufwärtstrend noch trägt – denn er fußt vor allem auf steigenden Kursen bei großen Konzernen, die bereits das vorige Börsenjahr bestimmt hatten.

US-Techs tragen die Rally

Prominentestes Beispiel sind die großen US-Techunternehmen, die als Profiteure der Ausbreitung Künstlicher Intelligenz (KI) gelten – dazu zählen vor allem die Google-Mutter Alphabet, Amazon, Meta und Microsoft sowie die Chipschmiede Nvidia. Von den auch „Magnificent Seven“ getauften Big-Tech-Werten sind zwar Apple und Tesla, aber auch Nvidia zuletzt zurückgefallen. Doch scheint der Gesamttrend noch intakt.

Dieser wird nicht nur von der Hoffnung der Investierenden auf Teilhabe am KI-Boom getragen. Auch technische Gründe bevorzugen derzeit die großen Werte. Denn für die Gewichtung der Indizes ist Marktkapitalisierung ein entscheidender Maßstab. So nahm der Tech-Sektor Anfang April im S&P500 gut 44 Prozent ein, die Top-10-Werte machten rund ein Viertel des Index aus. Weit verbreitete passive Investmentstrategien wie börsengehandelte Fonds (ETFs) bilden diese überproportionale Stärke eins zu eins ab.

„Bevor die Dotcom-Blase platzte“

Ein Klumpenrisiko, selbst in einem scheinbar breit gestreuten Depot, könnte man meinen. Björn Jesch, Global Chief Investment Officer der Fondsgesellschaft DWS, formuliert es vornehmer: Er konstatiert, dass der Investmentstil „Momentum“ seit dem vorigen Sommer das Markgeschehen dominiere – Anlegende kaufen Aktien, deren Kurse steigen. Das letzte Mal, dass dies derart ausgeprägt gewesen sei, terminiert Jesch in einer Studie aus dem März auf Ende 1999, „kurz bevor die Dotcom-Blase platzte“. Daher erwartet er, dass die Zahl der Anlegenden, „die sich gegen die Gefahren einer solchen Konzentration innerhalb ihres Anlageuniversums schützen wollen, steigen“ werde.

„Rekordhoch“ sei auch der Unterschied in den Bewertungen zwischen den großen Standard- und kleineren Nebenwerten nach deren zweijährigen Downturn, sagt Peter Kraus, Head of Small Cap Equities bei Berenberg. Die Diskrepanz sei sogar höher als zu Zeiten der globalen Finanzkrise 2007/08, sagt er im Gespräch mit den DUP UNTERNEHMER-Medien. Danach seien die Standardwerte dem breiten Markt über Jahre hinterhergehinkt.

Gegenwind für Nebenwerte flaut ab

Kraus sieht, wie auch DWS-CIO Jesch, gute Chancen, dass die zuletzt von Investierenden quasi ignorierten Nebenwerte den Rückstand bei Kursen und Bewertungen wettmachen können – „nicht für sechs bis zwölf Monate, aber auf Sicht von fünf Jahren“, betont er. Ein Grund für Kraus: die teils „absurd“ hohe Bewertungslücke zu Standardtiteln. Zudem spreche die Aussicht auf Leitzinssenkungen für kleinere börsennotierte Unternehmen, die oft eher fremd- als kapitalmarktfinanziert seien und durch die raschen Zinserhöhungen hohe Kosten und scharfen Gegenwind spürten. Dieser falle nun weg.

Zudem seien Nebenwerte deutlich konjunktursensibler als große Unternehmen und liefen der Entwicklung der Wirtschaft um Monate voraus. Und hier zeichnet sich Besserung ab: Die im Februar stärkere Industrieproduktion in Deutschland kommentierte der Chefvolkswirt der Direktbank ING, Carsten Brzeski, es gebe „endlich einen Grund zu leichtem Optimismus, dass zumindest der konjunkturelle Abschwung ein Ende hat“. Berenberg-Experte Kraus führt zudem die jüngsten ifo-Daten und das Missverhältnis zwischen Neuaufträgen und Lagerbeständen an: „Es muss wieder produziert werden, um die Läger zu füllen und die wachsende Nachfrage zu bedienen.“

Auslöser Fed?

Neben diesen „Mosaiksteinen“ sieht Kraus vor allem einen möglichen Auslöser für ein Comeback der Nebenwerte: „Wir brauchen die Fed.“ Im ersten Quartal seien die Märkte weitergelaufen wie 2023, weil die Erwartungen an US-Leitzinssenkungen zeitlich nach hinten verschoben worden seien. „Wenn einigermaßen Klarheit herrscht, wann sich die Öffnung der Geldschleusen vollzieht, könnte das der wichtigste Trigger sein“, so Kraus.

Anlegende, denen die KI-Bonanza und das Vorpreschen der Standardwerte nicht mehr ganz geheuer ist und die Alternativen suchen, sollten sich rasch damit befassen. Kraus hat ermittelt, dass es bei einer Outperformance von Nebenwerten vor allem anfangs zu starken Aufholeffekten kommt: Die relative Erholung europäischer Small Caps habe im Schnitt zu 55 Prozent im ersten Jahr nach ihrem Tiefststand stattgefunden. „Wenn es geht, dann geht es ganz schnell!“, so Kraus.

Nebenwerte bei KI „oft nicht mehr wegzudenken“

Sollten sich Investierende bei Nebenwerten neu positionieren wollen, können sie dies über Fonds tun. Dabei müssen sie vom Thema KI nicht Abschied nehmen, sagt Kraus. Denn dieses werde dem Markt erhalten bleiben, auch wenn die Aktienkurse damit befasster Unternehmen nicht mehr steigen müssten – wegen der aktuell schon sehr hohen Bewertungen.

Interessierte könnten auf kleinere Unternehmen achten, die das Equipment für KI produzieren. Kraus nennt etwa Halbleitermaschinenbauer: Hier gebe es in Europa kleinere Hersteller – weitgehend schuldenfrei, mit großer Marktmacht und wenig oder ohne Konkurrenz. Diese seien im KI-Bereich „oft nicht mehr wegzudenken“.

Zur Person

Peter Kraus, Head of Small Cap Equities bei Berenberg

Peter Kraus

ist Head of Small Cap Equities bei Berenberg

18.04.2024    Kai Makus
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