Eine Ameise trägt ein grünes Blatt.
06.01.2022    Arne Gottschalck
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Ganze fünf Prozentpunkte lagen europäische Small Caps in den vergangenen zwei Dekaden vor den Bluechips – pro Jahr. Die Nischen-Champions haben ein starkes Wachstum hingelegt. Doch bei der Nachhaltigkeit mangelt es gerade bei kleineren Unternehmen häufig an den Daten. Wie man Nebenwerte und Nachhaltigkeit am besten kombiniert, sagen Jan Rabe und Lorenzo Carcano von Metzler Asset Management.

Zur Person

Jan Rabe von Metzler Asset Management

Jan Rabe

ist Co-Leiter des Sustainable Investment Office bei Metzler Asset Management

Zur Person

Lorenzo Carcano, Metzler Asset Management

Lorenzo Carcano

ist Leiter des Equities-Teams sowie Portfoliomanager Investmentstrategien European Small- & Mid-Caps bei Metzler Asset Management

Worin liegt die Ursache für die Überrendite von Small Caps gegenüber Blue Chips in Europa?

Lorenzo Carcano: Mit europäischen Nebenwerten ließ sich lange Zeit eine beachtliche Performance gegenüber Standardwerten erzielen. In den vergangenen 20 Jahren betrug dieser „Size-Effekt“ rund fünf Prozentpunkte pro Jahr. Dass es insbesondere in Europa lohnte in diese Vermögensklasse zu investieren, liegt an der interessanten Wachstumsdynamik vieler kleinerer Firmen im eher wachstumsarmen europäischen Umfeld. Denn während Standardwerte aufgrund einer schwachen Wachstumsdynamik zurückgeworfen wurden, profitierten Nebenwerte von einer steigenden Zahl innovativer und von Eigentümern geführten Nischen-Champions. Diese boten genau das, was vor allem nachhaltig und langfristig orientierte Anleger suchten: strukturelles Wachstum.

Studien zeigen, dass Nachhaltigkeit zumindest Risiken abfedert. Gilt das auch für Small Caps?

Jan Rabe: Ein nachhaltiges Management trägt nicht nur dazu bei, unternehmensspezifische Risiken abzufedern, die sich negativ auf den Unternehmenswert auswirken und somit zu höheren Kapitalkosten führen können. Die Vorteile einer langfristig ausgerichteten Unternehmensführung begünstigen ein weniger volatiles Gewinn-pro-Aktie-Profil, was sich in stabilere Cashflows und entsprechend in mehr Spielraum bei der Kapitalallokation übersetzen lässt. So kann vor allem organisches Wachstum gefördert werden – ein struktureller Vorteil vieler Nischen-Champions im Nebenwertebereich gegenüber Blue Chips.

Inwiefern?

Rabe: Letztere sind meist durch komplexe Produktportfolios auf riskantere Kauf- beziehungsweise Verkaufstransaktionen angewiesen, um wertschaffende Potenziale zu heben. Das erhöht jedoch gleichzeitig auch das Risiko für außerplanmäßige Abschreibungen, die zu volatileren Gewinn-pro-Aktie-Profilen führen – ein Faktor, der vor allem von nachhaltigen Anlegern verstärkt gemieden wird, die sich im Rahmen einer ESG-Integration langfristiger und somit defensiver zum Zyklus ausrichten.

Wie leicht lässt sich ein nachhaltiger Ansatz etwa bei Small Caps umsetzen? Immerhin ringen viele KMU noch mit der stringenten Umsetzung der Nachhaltigkeitskriterien.

Carcano: In der Tat, die geplante Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) der EU-Kommission führt neben einem Mehr an Transparenz auch zu einer größeren Belastung für Unternehmen in Hinblick auf die Berichterstattung und Prüfung der entsprechenden Datenpunkte. Insbesondere kleinere Unternehmen können im Vergleich zu Blue Chips nicht auf dieselben Ressourcen zurückgreifen, um die Nachhaltigkeitsberichterstattung ähnlich umfangreich und detailliert darzustellen. Das heißt nicht, dass Nebenwerte weniger nachhaltig sind als Blue Chips. Im Gegenteil: Anleger sind gefordert genauer hinzuschauen.

Wie sieht das konkret im Dialog mit den Portfoliounternehmen aus?

Carcano: Damit dies gelingt, setzen wir auf einen partnerschaftlichen Dialog zwischen dem Portfoliomanagement und den Unternehmen, in die wir investieren. Dieser Ansatz, den wir als Silent Active Ownership bezeichnen, liefert einen differenzierenden Mehrwert bei der Einschätzung kapitalmarktrelevanter Themen im Hinblick auf nachhaltigkeitsbezogene Chancen und Risiken. Informationsasymmetrien abzubauen bedeutet hier konkret, Wechselwirkungen zwischen Nachhaltigkeitsaspekten und Kurspotenzialen zu erläutern sowie Handlungsalternativen abzuleiten, die das Profil eines Portfoliounternehmens potenziell stärken.

Hilft der politische Druck und die Forderung nach mehr Nachhaltigkeit dabei, mehr ESG-Daten zur Verfügung zu haben?

Rabe: Kombiniert man Nebenwertestrategien mit Nachhaltigkeitspräferenzen, lassen sich Rendite-Risiko-Profile von Aktienportfolios über den „Size-Effekt“ hinaus stärken. Denn Fehlbewertungen entstehen oft dadurch, dass Nebenwerte wegen vermeintlich schwächerer ESG-Ratings vorverurteilt werden. Dies knüpft an die Debatte um eine im Vergleich zu Blue Chips geringere Datenverfügbarkeit an.

Ja, der politische Druck wird zweifelsohne dazu führen, dass sich die Verfügbarkeit von ESG-Daten, die die Grundlage für aussagekräftigere ESG-Ratings bilden, verbessert. Rückblickend zeigen unsere Analysen jedoch, dass sich von einer reinen Differenzierung nach ESG-Ratings entlang von Nebenwerten kein signifikanter Mehrwert für Portfolios innerhalb des europäischen Aktienmarktes ableiten ließ. Was Rendite-Risiko-Profile hingegen nachhaltig stärkte, waren zwei Strategien: Zum einen das konsequente Meiden von Titeln, die wiederholt negativ durch Kontroversen auffielen, und zum anderen das Aufbauen von Impact-Exposure – also das Investieren in Titel, die einen positiven Beitrag für Ökologie und Gesellschaft leisten.

Ermöglicht so ein Ansatz auch ein konzentrierteres Portfolio? Immerhin kennt der Fondsmanager die Unternehmen damit noch besser und kann deren Beitrag in Sachen Risikorenditeprofil noch präziser beurteilen.

Carcano: Unsere langjährige Erfahrung zeigt, dass ein Portfolio im europäischen Nebenwertebereich mit 60 bis maximal 90 Titeln optimal aufgestellt ist. Eine zu starke Konzentration würde das Rendite-Risiko-Profil unverhältnismäßig in Richtung Einzelwetten verschieben, was eine nachhaltige und ausgewogene Performance nahezu erratisch macht. Die Integration von ESG-Daten in den Anlageprozess verbessert hierbei die Einschätzung von nachhaltigkeitsbezogenen Chancen und Risiken stetig. Das Beispiel Klimawandel verdeutlicht dies: Wir erwarten, dass Anlagestrategien generell verstärkt klimaneutral ausgerichtet werden. Mithilfe führender Klimamodelle lässt sich immer besser abschätzen, in welche Geschäftsmodelle künftig bevorzugt investiert beziehungsweise welche verstärkt von Anlegern gemieden werden.

Lässt sich so ein Ansatz auch mit dem heute populären passiven Ansatz umsetzen?

Carcano: Wir sind überzeugt, dass eine fundamentale ESG-Integration – also das Berücksichtigen von (potenziell) finanziell-materiellen ESG-Aspekten im Anlageprozess – als dynamisches Konzept verstanden werden muss, um einen Mehrwert für das Portfolio zu liefern. Statische Konzepte, die zeitverzögert angepasst werden und auf rein quantitative Faktoren abstellen, sind nicht in der Lage Ähnliches zu leisten. Dieser Aspekt ist im Nebenwertebereich noch wichtiger, auch weil die Qualität und die Verfügbarkeit der Daten in diesem Segment oft ein Problem darstellen. Das spricht eindeutig für einen aktiven Anlageansatz, der auf spezieller Erfahrung und Expertise mit Small Caps basiert.

Wie sehr wird das Thema Nachhaltigkeit das Anlagejahr 2022 prägen?

Rabe: Wir sind davon überzeugt, dass die Nachfrage unter Anlegern nach nachhaltig ausgerichteten Anlageprodukten weiter steigen wird. Darüber hinaus sollte der immer stärkere Wettbewerb unter Asset Managern dazu führen, dass sich Nachhaltigkeit als Standard in allen Produkten etablieren wird. Noch 2020 machte der Anteil der unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten investierten Vermögenswerte weltweit knapp mehr als ein Drittel aus. Wir erwarten, dass dieser Anteil innerhalb der kommenden zehn Jahre auf über 90 Prozent ansteigen könnte, was so noch nicht in Wertpapierkursen reflektiert ist. Die Regulierung wird versuchen Schritt zu halten, um Greenwashing im Sinne des Anlegerschutzes zu verhindern und Standards für ein geordnetes Wachstum zu setzen.

06.01.2022    Arne Gottschalck
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