Eine Person hält ein Handy in der Hand, auf dem die Messenger Plattform WhatsApp geöffnet ist.
14.07.2022    Olivia Schlumm
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Dass Bewerbungen auf digitalem Wege entgegengenommen werden, ist für Jobsuchende heute eine Selbstverständlichkeit. Denn mal ehrlich: Wer hat noch Lust, seitenweise Ausdrucke zu machen, die Blätter feinsäuberlich in eine Bewerbungsmappe zu heften und zur Post zu bringen? Im War for Talents muss nicht nur die Stellenausschreibung attraktiv sein. Es ist auch ein einfacher Bewerbungsprozess nötig, um die Hürden für Fachkräfte möglichst niedrig zu halten.

Auch deshalb tummeln sich immer mehr Recruiterinnen und Recruiter in den sozialen Netzwerken, in denen sie Personen vermuten, die zum eigenen Unternehmen passen könnten. WhatsApp haben dabei bisher die wenigsten im Fokus. Dabei sei der Messenger-Dienst aufgrund seiner vielen regelmäßigen User prädestiniert, um beim Recruiting zum Einsatz zu kommen, ist Gunnar Basner überzeugt. Er hat PitchYou entwickelt, eine WhatsApp-Anwendung, die Bewerbenden die Job- und Unternehmen die Mitarbeitersuche erleichtern soll.

Zur Person

Gunnar Basner

ist Geschäftsführer der SBB Software und Beratung GmbH, dem Unternehmen hinter PitchYou. Der Informatiker ist Scrum-Master und der technisch Verantwortliche für die Entwicklung der WhatsApp-Anwendung PitchYou

Welche Fehler machen Unternehmen beim Recruiting immer wieder?

Gunnar Basner: Wir hören oft, dass die Hürden für eine Bewerbung zu hoch sind oder der Bewerbungsprozess zu kompliziert und unübersichtlich gestaltet wird. Dadurch werden Bewerbungen häufig abgebrochen; den Unternehmen fehlen somit relevante Informationen der Jobsuchenden. Darüber hinaus dauert der Screening-Prozess für gewisse Stellen schlichtweg zu lange, insbesondere wenn es sehr viele Bewerbungen gibt. Ein weiterer Fehler, der häufig passiert, ist, dass Bewerberinnen und Bewerber mit einer anderen Muttersprache Schwierigkeiten haben den Prozess zu verstehen. Das liegt daran, dass dieser meist nur auf Deutsch angeboten wird.

Wie sollte daher eine optimale Candidate-Journey aussehen?

Basner: Generell ist es wichtig, dass die Candidate-Journey über den gesamten Prozess hinweg möglichst wenige bis gar keine Absprungpunkte bietet. Und sie sollte durchgehend auf die Bedürfnisse der Bewerberinnen und Bewerber abgestimmt sein. Denn die Jobsuchenden sollten sich während des gesamten Prozesses möglichst wohlfühlen. Daher bietet es sich an Kanäle zu nutzen, die ihnen vertraut sind und auch im Alltag eine Rolle spielen. So hat sich die Vermarktung von Stellen in den letzten Jahren auch immer weiter in den Online-Bereich und insbesondere auf Social-Media-Plattformen verlagert. Doch das reicht unserer Meinung nach nicht aus. Folgt auf die Ansprache potenzieller Kandidaten in sozialen Netzwerken ein Wechsel beispielsweise zur E-Mail oder auf ein Onlineformular, so stellt dieser Wechsel bereits eine hohe Hürde und somit einen Absprungpunkt dar.

Ein weiterer wichtiger Punkt für eine optimale Candidate-Journey stellt die Möglichkeit der Bewerbung in der Muttersprache dar. Der Großteil der Bewerbungsprozesse in Deutschland kann ausschließlich in der deutschen Sprache durchlaufen werden. Viele der Jobsuchenden können zwar einwandfrei deutsch sprechen, fühlen sich aber wohler und auch wertgeschätzter, wenn ihnen der Bewerbungsprozess in ihrer Muttersprache angeboten wird. Positiven Einfluss auf die Conversion nimmt auch die asynchrone Kommunikationsmöglichkeit sowie die im Falle einer Unterbrechung automatisch versendete Erinnerung zur Fortführung der Bewerbung.

Ihr Ziel ist es, mit PitchYou WhatsApp innerhalb von drei Jahren in Europa als einen Standardkanal im Recruiting zu etablieren. Wie wollen Sie dieses Ziel erreichen?

Basner: Zur Zielerreichung bedarf es einer allgemeinen Marktabdeckung. Diese kann nur erreicht werden, wenn wir die europäischen Märkte mit dem Kanal WhatsApp aktiv bedienen und auf die neue Bewerbungsmöglichkeit aufmerksam machen. So sind wir aktuell bereits in folgenden Märkten vertreten: Niederlande, Belgien, Frankreich, Schweiz, Österreich, Italien, Polen und natürlich Deutschland. In naher Zukunft wird auch Großbritannien folgen.

Was macht WhatsApp Ihrer Meinung nach zu einem relevanten Recruitingkanal?

Basner: Viele Unternehmen suchen auf den sozialen Medien nach neuen Talenten. Allerdings stehen auf der Agenda der meisten Recruiterinnen und Recruiter vor allem Netzwerke wie Facebook, Instagram, LinkedIn oder XING. Ein soziales Netzwerk fällt dabei unter den Tisch: WhatsApp. Mit zwei Milliarden Nutzerinnen und Nutzern weltweit ist WhatsApp der beliebteste Messenger-Dienst. Die Nutzung von WhatsApp erfolgt dementsprechend intuitiv. Die regelmäßige private Nutzung des Messenger-Diensts führt zudem zu einer schnellen Reaktionszeit. Da liegt es nahe, diese Vorteile auch für das Recruiting zu nutzen. Wichtige Dateien wie Zertifikate oder Lebensläufe können problemlos als Bild oder PDF via WhatsApp versendet werden. Selbst Videos und Sprachnachrichten können übermittelt werden. Zudem läuft die Kommunikation über WhatsApp asynchron und in Echtzeit ab. Die Nachrichten werden den Recruiterinnen und Recruitern sowie den Bewerberinnen und Bewerbern ohne Verzögerung zugestellt. Bereits ausgetauschte Informationen gehen bei einer Unterbrechung des Bewerbungsprozesses nicht verloren. Jobsuchende können die Bewerbung einfach zu einem späteren Zeitpunkt fortführen. Ein Einloggen oder selbstständiges Abrufen einer Website sind nicht erforderlich. Dadurch werden die Hürden für Bewerberinnen und Bewerbern stark gesenkt.

Ein weiterer Vorteil ist: WhatsApp ist im Vergleich zu herkömmlichen Bewerbungskanälen deutlich persönlicher. Denn gerade im Recruiting spielt der zwischenmenschliche Kontakt eine sehr große Rolle. Mit WhatsApp können Jobsuchende so auch auf emotionaler Ebene abgeholt werden. Zu guter Letzt können sich Unternehmen durch die Nutzung von WhatsApp als Bewerbungskanal als moderner und innovativer Arbeitgeber präsentieren, der den Bedürfnissen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer entgegenkommt.

Wie genau funktionieren PitchYou und insbesondere Ihr Matching-Algorithmus? Wie läuft ein Bewerbungsprozess ab?

Basner: Für uns gibt es drei wichtige Schritte. Zuerst startet der Prozess mit der Stellenausschreibung. Über die Karriereseite, Jobportale, Social-Media-Ads und -Postings, Aushängen am Point-of-Contact sowie vielen anderen Kanälen werden die Bewerberinnen und Bewerber auf aktuelle Stellenausschreibungen aufmerksam. Über einen Button, einen Link oder einen QR-Code gelangen sie dann direkt in die WhatsApp-Anwendung.

Im Anschluss folgt die Bewerbung mit PitchYou. In unserer WhatsApp-Anwendung durchlaufen die Bewerberinnen und Bewerber einen automatisierten Screening-Fragebogen. Die Fragen können von unseren Kunden individuell hinterlegt werden. Alternativ kann auch aus bereits vorgefertigten Fragebögen gewählt werden. Bei der Gestaltung des Fragenkatalogs können die einzelnen Fragen je nach Relevanz für die ausgeschriebene Stelle auch unterschiedlich gewichtet werden.

Der PitchYou-Bot prüft die Antworten der Bewerberinnen und Bewerber zum einen auf Validität. Auf der anderen Seite erkennt der PitchYou-Bot die Spracheinstellung des Smartphones und kann die Fragen bei Bedarf automatisiert übersetzen. Sollte ein Screening-Interview mal unterbrochen werden, erhalten die Bewerberinnen und Bewerber nach einer Stunde eine Erinnerung zur Fortführung des Interviews.

Und wie geht es anschließend weiter?

Basner: Im letzten Schritt findet die Vorauswahl statt. Die Informationen aus den Interviews werden in das bereits vorhandene Bewerbermanagementsystem des Unternehmens überspielt. Die Bewerbenden können so von den Personalverantwortlichen im gewohnten Tool verwaltet werden. Sollten Unternehmen noch kein Bewerbermanagementsystem nutzen, können die Informationen auch problemlos in der PitchYou-Anwendung eingesehen werden. Durch die vorherige Gewichtung der Fragen zeigt der Matching-Algorithmus an, welche Kandidatinnen und Kandidaten am besten zum Unternehmen und den relevanten Kriterien passen. Bei einer Bewerbung in einer anderen Sprache können Recruiterinnen und Recruiter zwischen der Darstellung im Original sowie der deutschen Sprache wählen. Im Anschluss an das Interview können sowohl Kandidatinnen und Kandidaten über die WhatsApp-Anwendung als auch Recruiterinnen und Recruiter über eine Chat-Funktion noch offene Fragen stellen beziehungsweise beantworten.

Welche Vorteile bringt Ihr Tool für Recruiterinnen und Recruiter mit sich?

Basner: Sie können durch die Gestaltung der Fragebögen strukturiert genau die entscheidungsrelevanten Informationen abfragen. Der Bewerbungsprozess kann mit der PitchYou-Technologie aus dem gewohnten Bewerbermanagementsystem heraus verwaltet werden und läuft automatisiert ab. Die Bedienung einer zusätzlichen Anwendung entfällt somit. Recruiterinnen und Recruiter müssen selbst also kein WhatsApp nutzen.

Durch unseren Matching-Algorithmus finden Personalverantwortliche schnell heraus, welche Kandidatinnen und Kandidaten wirklich zum Unternehmen passen und profitieren von der kürzeren time to hire. Ein weiterer wichtiger Vorteil stellt die hohe Conversion-Rate des Kanals dar: Aktuell schließen 87 Prozent der Bewerberinnen und Bewerber eine gestartete Bewerbung per WhatsApp auch ab.

Und wie profitieren Bewerberinnen und Bewerber?

Basner: Der Bewerbungsprozess über WhatsApp bietet ein gewohntes Handling über das Smartphone und bedeutet minimalen Aufwand. Die App ist in der Regel bereits auf dem Smartphone installiert; die Bewerberinnen und Bewerber kommen ohne selbstständiges Abrufen einer Website aus. Ein Frage-Antwort-Spiel macht außerdem mehr Spaß als Lebensläufe und Anschreiben zu verfassen. Selfie und Video sorgen für den persönlichen Eindruck. Die vorgefertigten Fragebögen werden den Kandidatinnen und Kandidaten automatisiert übersendet. Dadurch erhalten sie immer und überall eine direkte Rückmeldung. Und die PitchYou-Interviews stehen durch die integrierte Übersetzungsautomatik in allen Sprachen zur Verfügung. So kommen Sprachhürden auf der Bewerberseite gar nicht auf.

Wie stellen Sie sicher, dass der Datenschutz gewährleistet wird?

Basner: Der Datenschutz wird dadurch gewährleistet, dass Unternehmen selbst gar kein WhatsApp nutzen müssen. Die Kommunikation mit den Bewerberinnen und Bewerbern findet über eine DSGVO-konforme WhatsApp-Business-API-Schnittstelle statt. Darüber hinaus stimmen die Bewerberinnen und Bewerber vor Beginn jeder Kommunikation in WhatsApp dem Bewerbungskanal explizit über eine Disclaimer Page zu. Ohne die Zustimmung kann eine Bewerbung über WhatsApp mit PitchYou nicht erfolgen.

14.07.2022    Olivia Schlumm
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