Autoproduktion: Per Tablet werden die Roboter am Fließband gesteuert.
23.06.2021    Martin Hintze
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In Kürze:

  • Nachhaltigkeit sollte auch die soziale Komponente umfassen: Hunderttausende Arbeitsplätze sind in der Automobilbranche in Gefahr.
  • Ein gesamtgesellschaftliches Engagement ist nötig, um den sozialen Frieden nicht zu gefährden.
  • Die Transformation erfordert andere Fähigkeiten der Führungskräfte

Deutschlands Vorzeigebranche steht vor enormen Herausforderungen: Allein durch die Umstellung vom Verbrennungsmotor auf alternative Antriebsformen sind in der Autoindustrie bis zum Jahr 2025 etwa 178.000 Arbeitsplätze in Gefahr. Das zeigt eine Studie des ifo-Instituts im Auftrag des Verbands der Automobilindustrie (VDA). „Beim E-Motor wird  statt zehn Mitarbeitern vielleicht nur noch einer benötigt“, sagt Dr. Ariane Reinhart, die im Vorstand des Dax-Konzerns Continental die Bereiche Personal und Nachhaltigkeit verantwortet, beim „CEO Talk: #WePowerment“. Allein bei Continental sollen bis zu 13.000 Stellen wegfallen.

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Für die Managerin stellen sich durch die Transformation der Autobranche gesamtgesellschaftliche Fragen: Wie kann der soziale Frieden gesichert werden, wenn nicht für alle eine angemessene Beschäftigung vorhanden ist? Wie können die Beschäftigten für neue Berufe qualifiziert werden? „Wir haben eine Fürsorgeplicht und eine Verantwortung für den sozialen Frieden in Deutschland“, sagt Reinhart. Sie fordert ein branchenübergreifendes Engagement aller Unternehmen gemeinsam mit den Sozialpartnern, den Verbänden und der Politik. „Regulieren, regulieren, regulieren ohne die Beschäftigungseffekte im Auge zu haben, das geht nicht“, kritisiert die Expertin.

Nachhaltigkeitsrevolution als Chance für den Industriestandort Deutschland

„Die Nachhaltigkeitsrevolution ist eine echte Chance für den Industriestandort Deutschland. Die neuen Technologien können für gute Beschäftigung sorgen“, sagt Reinhart. Die Krux liegt darin, dass häufig andere Qualifikationen gefordert sind. „Es ist eine volkswirtschaftliche Transformation, nicht nur für Deutschland, auch für Europa“, sagt Fabian Kienbaum, CEO der Beratung Kienbaum Consultants International und Host des „CEO Talks: #WePowerment“. Dem Re- und Upskilling hätten sich viele Autohersteller und Zulieferer längst verschrieben, teils in sehr beeindruckender Manier.

Am „CEO TALK: #WePowerment“ von Kienbaum und DUP UNTERNEHMER nahmen teil:

  • Dr. Ariane Reinhart, Mitglied des Vorstands der Continental AG, Group Human Relations, Arbeitsdirektorin, Nachhaltigkeit
  • Daniel Krauss, Co-Gründer und CIO, FlixMobility

Host: Fabian Kienbaum, CEO, Kienbaum Consultants International

Moderation: Fanny Rosenberg, verantwortliche Redakteurin Video-Journalismus, DUP UNTERNEHMER-Magazin

Auch die Führungskräfte müssen sich den enormen Herausforderungen stellen. „Es geht für die Unternehmen darum, abgeleitet aus den unternehmerischen Zielen neue Angebote zu schaffen. Mobilität muss mehr als Dienstleistung verstanden werden“, sagt Kienbaum. Zu den wichtigsten Eigenschaften des Managements zählt der Leadership-Experte vor allem Frustrationstoleranz, Konfliktfähigkeit, aber auch Lernagilität. „Solche harten Sparmaßnahmen werden nicht ohne Reibereien funktionieren. Es ist ein Zweiklang: Unternehmen und der Staat müssen neue Angebote aufstellen und jedes Individuum sollte proaktiv die Veränderungen angehen“, so Kienbaum.

Dax-Unternehmen: 5000 offene KI-Stellen

Um die Beschäftigten nicht in die Arbeitslosigkeit zu entlassen, werden schon jetzt ungewöhnliche Allianzen geschlossen. So hat Continental beispielsweise Mitarbeiter an den E-Auto-Hersteller Tesla vermittelt. Ein weiteres Beispiel ist die Kooperation von FlixMobility mit Lidl. „Als wir in Kurzarbeit gehen mussten, haben wir zusammen mit Lidl geschaut, wie deren Bedarf gedeckt werden kann“, sagt Daniel Krauss.

Der Co-Gründer und CIO von FlixMobility weist auf ein weiteres Problem hin: „Die Politik sollte nicht nur die Transformation bewältigen, sondern auch das Bildungssystem nachjustieren, damit wir die in Zukunft benötigten Fähigkeiten bekommen.“ Continental-Managerin Reinhart stimmt ihm zu: „Wir brauchen eine strategische Personalplanung für die Bundesrepublik. Wie kann es sein, dass allein in den Dax-Unternehmen 5000 offene Stellen im Bereich Künstliche Intelligenz gibt?“ Es sei eine gemeinsame Kraftanstrengung von Unternehmen und Politik nötig. „Andernfalls habe ich große Sorgen um dieses Land und die kommende Generation.“

23.06.2021    Martin Hintze
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