Ärzte in einem Röntgen Labor
02.01.2020    Miriam Meißner
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Hip präsentiert sich der Traditionskonzern Philips in der Hamburger Röntgenstraße. Im doppelten Sinne: Das Unternehmen setzt nicht nur auf eine lockere Duz-Kultur und Desksharing, also ein flexibles Büro, sondern auch auf seinen Health Innovation Port, kurz HIP. Mehrfach hat sich Philips in seiner über hundertjährigen Firmengeschichte neu erfunden – heute geht der Firma das Licht, für das sie einst so bekannt war, vor allem im Gesundheitssektor auf. Hier zählt Philips zu den Treibern der Digitalisierung. So stellt Peter Vullinghs, CEO Philips DACH und Market Leader Health Systems, bei unserem Besuch auch gleich den neuesten Coup vor.

 

Zur Person

Porträt von Peter Vullinghs

Peter Vullinghs

Der Philips-CEO verantwortet seit 2015 die Märkte Deutschland, Österreich und Schweiz und treibt dort die Digitalisierungsstrategie voran. Der Niederländer ist seit 21 Jahren im Unternehmen

DUB UNTERNEHMER-Magazin: Philips treibt seit 
Jahren die Entwicklung von IT-Systemen in Krankenhäusern voran. Können Sie jetzt die Früchte ernten?

Peter Vullinghs: Philips ist absoluter Unterstützer und Antreiber eines offenen Krankenhausinformationssystems, kurz KIS. Es dient zur Erfassung, Bearbeitung und Weitergabe medizinischer und administrativer Daten innerhalb der Klinik. Hier verfolgen viele ihre eigene Strategie; das Ergebnis sind Insellösungen. Aber viele Nutzer im Markt sind mit ihren geschlossenen, nicht kompatiblen Programmen unzufrieden. Daher denken wir einen Schritt weiter und haben etwas getan, dem ein gewisser Zauber innewohnt: Wir haben die Firma Forecare gekauft. Sie gehört zu den weltweit führenden Anbietern im Bereich Interoperabilität und bietet die Möglichkeit, unterschiedliche Systeme miteinander zu verknüpfen. Und diese Brücke, die wir da bauen, ist entscheidend. So können wir endlich eine Interoperabilität zwischen den einzelnen elektronischen Gesundheitsakten schaffen.

Man sagt, die digitale Transformation im Gesundheitswesen geht vom Patienten aus. Stimmen Sie zu?

Vullinghs: Genau das ist unser Ansatz, den wir mit „Value Based Health Care“ vorantreiben. Diese Philosophie setzt sich aus verbesserten Diagnosen, Effi­zienzsteigerung, Patienten- und Mitarbeiterzufrie­denheit zusammen. Ein weiterer Fokus liegt für uns darauf, chronisch kranke Menschen viel früher zu begleiten, beispielsweise mit unserer digitalen Coaching-Plattform. Hierfür greifen wir auf die Daten der Krankenhauskammern zurück und bieten mithilfe ­telemedizinischer Lösungen den Patienten eine tägliche Überwachung ihrer Werte. Das haben wir bereits mit zwei Krankheitsbildern erfolgreich durchgeführt: Herzinsuffizienz und der sogenannten Schaufensterkrankheit, einem Gefäßleiden.

Inwieweit bremsen Regularien digitale Anwendungen wie beispielsweise die Telemedizin aus?

Vullinghs: Hier gibt es tatsächlich noch viel zu tun, gerade was die Vergütungsmodelle betrifft. Wenn niedergelassene Ärzte ihren Patienten eine telemedizinische Behandlung vorschlagen, dann muss eine angemessene Vergütung geregelt sein. In Deutschland gibt es aber momentan ja sogar noch Diskussionen, ob die Telemedizin überhaupt implementiert werden soll. Was man dabei nicht vergessen darf: Telemedizin ist ein weiter Begriff und wird beispielsweise in der Radiologie schon lange genutzt.

Philips arbeitet im Bereich Telemedizin eng mit Kliniken zusammen. Welchen Vorteil bietet die Technik Ihrer Meinung nach?

Vullinghs: Wir betreuen ein Projekt des Unfallkrankenhauses Berlin, das mit 18 weiteren Kliniken in vier Bundesländern via Telemedizin vernetzt ist. Hierfür verantwortet Philips die gesamte IT und implementierte ein System, mit dem alle Häuser arbeiten können. Das ermöglicht nicht nur eine einfache Kommunikation, sondern auch einen nahtlosen Austausch von Bildern. Das Unfallkrankenhaus Berlin kann so die Empfehlungen der kleineren Kliniken nochmals checken und eine finale Diagnose stellen.

Wie wichtig ist der Einsatz von Künstlicher Intelligenz in der medizinischen Versorgung?

Vullinghs: Künstliche Intelligenz ist für uns und die Forschung ein wichtiger Treiber. Wir müssen aber auch achtgeben, sie nicht zu einer Art Heiliger Gral hochzustilisieren. Es gibt Mitbewerber, die behaupten, ihre KI-Anwendungen könnten sämtliche Diagnosen stellen. Aber das ist Utopie. Für klinische Entscheidungen braucht es genaue Überprüfungen, schließlich geht es um Leben und Tod. Wir sprechen daher lieber von „adaptive Intelligence“ statt von Künstlicher Intelligenz. Aber natürlich glauben wir an Tools, die dank Daten und Algorithmen beispielsweise helfen, die Diagnosen in der Radiologie oder Pathologie zu verbessern.

Verlässliche Diagnosen setzen große Datenmengen voraus. Wie sehen Sie in diesem Bezug die EU-DSGVO?

Vullinghs: Manchmal wird das Thema größer gemacht, als es wirklich ist. Wenn Sie von einem chronischen Herzleiden betroffen sind und ein großes Infarktrisiko besteht, es aber eine Minimierungsmöglichkeit gibt – wie wichtig wäre Ihnen dann der Datenschutz? Natürlich heißt das nicht, dass es erstrebenswert ist, personenbezogene Daten wie in den USA ungefragt zu verwenden.

Jens Spahn hat mit großem Aufsehen sein „Health Innovation Hub“ vorgestellt. Philips ging diesen Weg, Start-ups im Gesundheitswesen zu integrieren, bereits vor eineinhalb Jahren. Ihr Zwischenfazit?

Vullinghs: Wir bringen in unserem Health Innovation Port, kurz HIP, kreative Köpfe zusammen, um auszuloten, welchen Nutzen innovative Ideen auf die Gesundheitsbranche haben können. So wurde hier beispielsweise eine Anwendung kreiert, die bereits im jungen Alter mein Demenzrisiko ermitteln kann. Gelingt es uns, diese Innovationen dann auch noch an das bestehende Ökosystem anzubinden, erreichen wir einen Mehrwert. Ich denke, in dem Bezug werden Jens Spahn und das Bundesgesundheitsministerium noch eine große Rolle spielen. Ich sehe einige Maßnahmen, wie die elektronische Gesundheitsakte, die auch den Druck auf die Krankenkassen erhöhen, eine ganzheitliche Lösung zu finden. Bald schon haben die großen Player im Gesundheitsmarkt keine andere Wahl mehr, als mit der Zeit zu gehen.

 

02.01.2020    Miriam Meißner
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