Eine Frau arbeitet an ihrem Laptop. Zu sehen sind außerdem verschiedene Hologramme ihres Bildschirms, als Symbole für digitale Verwaltung.
07.12.2023    Nadine Schmidt
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Die Studie beleuchtet verschiedene Aspekte, von digitalen Bürgerdiensten bis zur Akzeptanz von E-Government-Anwendungen. Dabei stellt sie dar, wie die öffentliche Verwaltung den Herausforderungen der digitalen Transformation begegnet. Lena-Sophie Müller, Geschäftsführerin der Initiative D21 e.V. beschreibt, wie Deutschland die Weichen für eine moderne und effiziente digitale Verwaltung stellen kann.

Zur Person

Lena-Sophie Müller

ist Geschäftsführerin der Initiative D21 e.V.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser spricht von der fortschreitenden Digitalisierung des Staates. Welche Auswirkungen erwarten Sie auf das Leben der Menschen wenn digitale Anträge deutschlandweit über die BundID gestellt werden können?

Lena-Sophie Müller: Die Bürgerinnen und Bürger wollen möglichst unkompliziert und schnell ihre Angelegenheiten erledigen. 65 Prozent bevorzugen es, Dinge online zu erledigen, sobald diese Option besteht. Die fortschreitende Digitalisierung des Staates, insbesondere die Möglichkeit, digitale Anträge perspektivisch deutschlandweit über die BundID zu stellen, wird daher voraussichtlich erhebliche positive Auswirkungen auf das Leben der Bevölkerung haben. Erstens dürfte dies zu einer Zeitersparnis führen, da viele Behördengänge, die bisher persönlich erledigt werden mussten, nun bequem von zu Hause aus erledigt werden können. Zweitens könnte dies die Effizienz und Transparenz der Verwaltungsprozesse verbessern, was zu einem insgesamt reibungsloseren Ablauf führt. Insgesamt könnten die digitalen Anträge über die BundID das Verhältnis zwischen Staat und Staatsangehörigen modernisieren und den Weg für eine effektivere, bürgernahe Verwaltung ebnen.

Der eGovernment MONITOR untersucht die Akzeptanz des Einsatzes von Künstlicher Intelligenz der Verwaltung. Welche Maßnahmen sind Ihrer Meinung nach erforderlich, um die Akzeptanz von Künstlicher Intelligenz in der Verwaltung weiter zu steigern und somit die digitale Verwaltung zu fördern

Müller: Unser eGovernment MONITOR zeigt, dass die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger grundsätzlich bereit ist, KI in der Verwaltung zu akzeptieren – unter bestimmten Bedingungen. Kernforderung ist, dass grundlegende Entscheidungen weiterhin von Menschen getroffen werden. Mehr als die Hälfte der Bundesbürgerinnen und -bürger erhofft sich eine beschleunigte Bearbeitung von Vorgängen und rund die Hälfte ist offen für die Kommunikation mit der Verwaltung über Chatbots.

Unsere Befragungen zeigen, dass nur 21 Prozent der Befragten den Einsatz von KI in der Verwaltung grundsätzlich ablehnen. Diese Ablehnung muss ernst genommen werden, bietet aber Potenzial für Informationskampagnen. Klare Anwendungsszenarien können Ängste abbauen, etwa wenn KI im Hintergrund hochgeladene Dokumente auf Lesbarkeit prüft und automatisiert Rückmeldung gibt.

Die Vision ist klar: Durch die Automatisierung einfacher und eindeutiger Prozesse mit Hilfe von KI haben die Mitarbeitenden mehr Zeit für komplexe Fälle mit Ermessensspielraum. Angesichts des prognostizierten Personalmangels in öffentlichen Verwaltungen wird dies unumgänglich sein, da viele Mitarbeitende in den Ruhestand gehen und zu wenig Nachwuchs zur Verfügung steht.

Transparenz und verständliche Kommunikation sind dabei entscheidend. Die Bürgerschaft ist offen für KI, wenn sie echte Beschleunigung, Mehrwert und positive Ergebnisse bietet. Es ist wichtig zu betonen, dass der Einsatz von KI nicht nur die Bürgerinnen und Bürger betrifft, sondern auch die Mitarbeitenden. Für eine erfolgreiche Umsetzung müssen sie einbezogen werden, damit sie den Mehrwert und die Entlastung spüren. Ängste müssen ernst genommen und unbegründete Vorbehalte abgebaut werden.

Viele Mitarbeitende zeigen bereits Offenheit, Interesse und Neugier für KI. Diese positive Energie gilt es zu nutzen, um gemeinsam eine erfolgreiche Integration von KI in die Verwaltung zu gestalten.

Der Online-Ausweis wird als Grundlage für viele Verwaltungsleistungen betrachtet, aber seine Nutzung ist weiterhin niedrig. Prof. Dr. Helmut Krcmar spricht von einem Teufelskreis, der durchbrochen werden muss. Wie kann dies Ihrer Meinung nach gelingen?

Müller: Die von Prof. Dr. Helmut Krcmar angesprochene geringe Nutzung des Online-Ausweises liegt laut unserer aktuellen Umfrage derzeit bei nur 14 Prozent und ist verständlich, da es bisher nur wenige sinnvolle Anwendungsmöglichkeiten und kaum Alltagsrelevanz gibt. Entscheidend ist die konsequente Integration des Online-Ausweises als Identifikationsmedium in verschiedene Dienste, die bisher leider nur selten erfolgt.

Ein erfolgreiches Beispiel für eine solche Integration ist die Energiekostenpauschale für Studierende. Dort war die Nutzung des Online-Ausweises bei der Beantragung möglich. In der Generation Z, die den Großteil der Studierenden ausmacht, konnten wir den größten Zuwachs, um zehn Prozentpunkte auf nunmehr 28 Prozent, verzeichnen. Dies deutet darauf hin, dass viele Studierende den Online-Ausweis für diese spezielle Anwendung eingerichtet und genutzt haben.

Um diesen Teufelskreis zu durchbrechen, ist die konsequente Integration des Online-Ausweises als Standardlösung in der Verwaltung von entscheidender Bedeutung. Der entscheidende Schritt wäre jedoch die flächendeckende Integration des Online-Ausweises in der Wirtschaft. Er könnte als neutrale, sichere und vertrauenswürdige Identifikationsmöglichkeit gegenüber Unternehmen, Banken und Versicherungen dienen. Dies würde die Alltagsrelevanz des Online-Ausweises erhöhen und wahrscheinlich zu einer höheren Akzeptanz in der Bevölkerung führen. Eine leichtere Umsetzung der Integration für Unternehmen ist dabei unerlässlich.

Es ist an der Zeit, die Chancen zu nutzen, denn die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürgeer ist offen für eine einheitliche Identifikationsmöglichkeit. Mehr als die Hälfte der Staatsangehörigen wünscht sich eine einheitliche statt vieler verschiedener Identifikationsmöglichkeiten. Davon würden 53 Prozent den Online-Ausweis bevorzugen.

Ihre Studie erwähnt die „digitale Nutzungslücke" und erklärt, dass viele Menschen trotz Bedarfs noch analoge Verwaltungsleistungen in Anspruch nehmen. Dies geschieht insbesondere aus Gewohnheit und der geringen Bekanntheit digitaler Leistungen. Welche Maßnahmen schlagen Sie vor, um die "digitale Nutzungslücke" zu schließen?

Müller: Bisher misst die Bundesregierung den Erfolg des Onlinezugangsgesetzes (OZG) an der digitalen Verfügbarkeit von insgesamt 575 Verwaltungsleistungen. Das Gesetz schreibt vor, dass alle Verwaltungsleistungen auch online verfügbar sein müssen. Bei der Erfolgsbewertung spielt es für die Bundesregierung derzeit keine Rolle, ob die Leistungen trotz Online-Verfügbarkeit weiterhin überwiegend analog genutzt werden. Wir fragen uns jedoch: Was bringen online verfügbare Angebote, wenn sie nicht genutzt werden? Die Mehrwerte und Vorteile entstehen sowohl für die Bevölkerung wie auch die Verwaltungsmitarbeitenden erst durch die Nutzung der Angebote.

Mit der „Digitalen Nutzungslücke“ haben wir in unserer Studie eine Kennzahl etabliert, um die Frage zu beantworten, warum die bisherige Nutzung hinter den Erwartungen zurückbleibt. Durch die Kennzahl können wir detaillierte Rückschlüsse auf die Ursachen des ungenutzten Online-Potenzials ziehen und somit dazu beitragen, die Nutzung perspektivisch zu steigern.

Deutschland scheint in Bezug auf die Zufriedenheit mit den bestehenden digitalen Angeboten im Vergleich zu Österreich und der Schweiz hinterherzuhinken. Welche Maßnahmen könnten ergriffen werden, um die Zufriedenheit künftig zu steigern?

Müller: Unsere detaillierte Erhebung ermöglicht es uns nicht nur, die Leistungen zu identifizieren, mit denen die Menschen unzufrieden sind, sondern auch die Gründe für ihre Unzufriedenheit zu verstehen. Strukturelle Probleme wie die wahrgenommene Begrenztheit des Online-Angebots oder Schwierigkeiten bei der Auffindbarkeit spielen dabei eine entscheidende Rolle. Um die Zufriedenheit zu erhöhen, müssen diese strukturellen Herausforderungen angegangen werden.

Eine effektive Maßnahme zur Steigerung der Zufriedenheit ist es, die Medienbruchfreiheit von Anfang an zu berücksichtigen und eine durchdachte Suchmaschinenoptimierung umzusetzen. Dies ermöglicht den Menschen eine reibungslose und effiziente Nutzung der Online-Angebote. Ein weiterer Aspekt, der leicht zu beheben ist, betrifft die mangelnde mobile Verfügbarkeit von Verwaltungsdienstleistungen. Da die Mehrheit im Alltag überwiegend mobile Endgeräte wie Smartphones oder Tablets nutzt, sollten die Internetauftritte der Behörden und die Abwicklung der Prozesse auch für diese Geräte optimiert werden.

07.12.2023    Nadine Schmidt
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