Menschen stehen vor einer Weltkarte und beraten sich
02.07.2023
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Die Innovationsleistung deutscher Unternehmen ist seit 2019 um 15 Prozent gesunken. Das zeigt eine Studie der Bertelsmann-Stiftung. Und das unterstreichen auch die Daten des Europäischen Patentamts: Obwohl dieses 2022 eine Rekordzahl an Patentanmeldungen verzeichnete, sank die Zahl derjenigen aus Deutschland um fünf Prozent im Vergleich zum Vorjahr – und damit auf den tiefsten Stand seit über zehn Jahren. Vor allem im digitalen Bereich liegen China und die USA vorn.

Der mangelnde Ideenreichtum könnte der Positionierung deutscher Unternehmen im internationalen Markt schaden. Doch gerade im MINT-Bereich erschwert der Fachkräftemangel es Firmen, Innovationen voranzutreiben.

Im Juni bezifferte das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) die Zahl offener Stellen in der IT auf 68.000. Daran ändern wird sich wohl erst einmal wenig. Denn laut Statistischem Bundesamt schließen immer weniger Hochschulabsolventen in MINT-Fächern ab.

Internationale Fachkräfte stärken Wettbewerbsfähigkeit

Ein Lösungsansatz: internationale Fachkräfte rekrutieren. Dem IW zufolge gehen schon heute zwölf Prozent der Patentanmeldungen in Deutschland auf Ideengeber mit ausländischen Wurzeln zurück. Dies zeigt, wie wichtig es gerade für MINT-Unternehmen ist, beim Recruiting über den Tellerrand zu blicken. Neben dem Personalzuwachs profitieren sie dadurch von Bekanntheit über Ländergrenzen hinweg und positionieren sich als weltoffener Arbeitgeber.

Dabei kommt ihnen die Digitalisierung entgegen. So können Vorstellungsgespräche problemlos virtuell stattfinden. Remote Work ist in der post-pandemischen Arbeitswelt zumeist gängig.

Für die gelungene Einbindung internationaler Fachkräfte ist es zudem wichtig, Sprachbarrieren abzubauen. So sollten Firmenprofil und Stellenanzeigen auf der Website auf Englisch verfügbar sein. Weitergedacht ist es hilfreich, Englisch als Unternehmenssprache zu etablieren. Dies kann als Teil der Förderung einer offenen, auf Diversität bedachten Unternehmenskultur verstanden werden, die internationale Beschäftigte willkommen heißt.

Talente finden und einstellen

Neben kulturellen Aspekten spielen auch administrative eine Rolle. Anlaufstellen bei rechtlichen und verwaltungstechnischen Fragen rund um die Einstellung internationaler Fachkräfte sind zum Beispiel das EURES-Netzwerk der EU, die Zentrale Auslands- und Fachvermittlung der Bundesagentur für Arbeit und das Portal Make it in Germany der Bundesregierung. Diese Netzwerke stehen bei administrativen Fragestellungen kostenlos unterstützend zur Seite.

Unternehmen können darüber zudem an Jobmessen im Ausland teilnehmen, Stellenanzeigen schalten oder Kontakt mit Bewerberinnen und Bewerbern aufnehmen, die dort ihren CV hinterlegt haben.

Noch gezielter unterstützen private Personaldienstleister mit internationalem Fokus bei der Vermittlung von Fachkräften. Denn sie können sowohl auf ein umfassendes Netzwerk als auch auf einen großen Talentpool mit internationalen Fachkräften zurückgreifen. Darüber hinaus beraten sie Unternehmen rund um Compliance-Anforderungen zu Themen wie Besteuerung, Recht auf Arbeit, Versicherungen und Immigration.

Internationale Studierende ansprechen

Daneben sollten Hochschulen bei der Personalsuche in den Blick rücken. Die meisten deutschen Hochschulen kooperieren mit internationalen Partner-Institutionen und pflegen eigene Career-Programme. Darüber können Arbeitgeber ausländische Studierende an deutschen Hochschulen gezielt ansprechen. Nach dem Abschluss dürfen diese 18 Monate in Deutschland bleiben, um eine Stelle zu finden. In dieser Zeit können sie ohne Einschränkungen eingestellt werden.

Akademikerinnen und Akademiker aus EU-Drittstaaten können über die Blaue Karte der EU eingestellt werden. Voraussetzung für diesen Aufenthaltstitel sind ein anerkannter Hochschulabschluss, ein konkretes Jobangebot, das diesem angemessen ist, sowie ein Bruttojahresgehalt, das in MINT-Berufen mindestens 52 Prozent der jährlichen Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung entsprechen muss. 2023 sind das 45.552 Euro.

Generell können ausländische Fachkräfte mit abgeschlossener Ausbildung in sogenannten Mangelberufen einfacher eingestellt werden. Welche Jobs darunterfallen, definiert die Bundesagentur für Arbeit.

Internationales Recruiting wird erfolgskritisch

Um wettbewerbsfähig zu bleiben, führt kein Weg daran vorbei internationale Fachkräfte zu rekrutieren. Unternehmen müssen ihre Personalsuche ausweiten und sich auch grenzüberschreitend als attraktiver Arbeitgeber positionieren.

Vor diesem Hintergrund täte Deutschland gut daran, bürokratische Prozesse zu vereinfachen und zum Beispiel steuerliche Anreize zu schaffen, um als lohnender Zielort für internationale Talente zu gelten.

Zur Person

Christophe Zwaenepoel ist Geschäftsführer der Personalberatung SThree

Christophe Zwaenepoel

kam 2009 zu SThree, einer Personalberatung mit Fokus auf den MINT-Markt. 2017 übernahm er seine erste Führungsaufgabe im Unternehmen als regionaler Verkaufsleiter in Norddeutschland; 2019 wurde er Head of Sales für die DACH-Region. Seit August 2022 ist er Teil des Geschäftsführerteams

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