Bild von Ryan Gosling mit einer Unisex-Uhr
03.05.2024    Arne Gottschalck
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Der große Geländewagen für ihn, sie fährt den kleinen Stadtwagen? Männer stahlgrau, Frauen irgendwas mit Blümchen? Von wegen! Die Zeiten haben sich geändert – auch bei den Uhrenherstellern. Schließlich gibt es genug Frauen, die kantige Modelle bevorzugen. Und Männer, die sich über eine schlanke und zurückhaltende Uhr am Handgelenk freuen. Kein Wunder also, wenn unter dem Label Unisex eine Reihe von Uhren auf den Markt gekommen ist, die für Mann und Frau gleichermaßen tragbar sind. Vielleicht eine organische Fortentwicklung aus der Modeindustrie? Schon 2014 stanzte Miuccia Prada den Journalisten nach einer Modenschau den Satz in die Notizbücher: „I think to people, not to gender.“ Etwas frei nach den drei Musketieren: Eine für alle.

Die Grenzen verschwimmen

Und anders als in der Modeindustrie lassen sich Mann und Frau in Sachen Uhren deutlich leichter auf einen geschmacklichen Nenner bringen. Denn es geht weniger um Schnitt & Co., sondern vor allem um die Größe. Nicht so groß und wuchtig wie Outdoor-Uhren und nicht so zart wie Schmuckuhren.

In Zahlen: Unisex-Uhren eint ein Durchmesser um die 40 Millimeter. Eine Größe, wie sie die meisten der Uhrenanbieter im fein tickenden Portfolio haben. Uneins ist die Branche aber über die Frage, wie deutlich man diesen Ansatz nach außen trägt. Immerhin mag es sein, dass bestimmte Kunden sich genau daran stören und Abstand vom Kauf nehmen könnten.

Kein Wunder also, wenn der Begriff Unisex eher behutsam und längst nicht so ostentativ verwendet wird wie etwa der Terminus Nachhaltigkeit. Immerhin: Die Website von Uhrenhändler Wempe bietet eine eigene Kategorie „unisex“. TAG Heuer nutzt die gleiche Kategorisierung. Und Bulova schreibt auf seiner Webpage über das Modell „Military Classic“, sie sei „zu jedem Anlass die passende Wahl für Damen und Herren“.

Chronographen auf Diät

„Die Grenzen zwischen Damen- und Herrenuhren verschwimmen immer mehr“, beobachtet Franz Linder einen generellen Trend. Der Präsident von Mido weiter: „Generell können Uhren bis 40 Millimeter immer als UnisexModelle bezeichnet werden. Darüber hinaus sind die Vorlieben für Gehäusegrößen auf den internationalen Märkten seit jeher unterschiedlich.

In Europa geht der Trend bei Herrenuhren derzeit wieder eher zu kleineren Gehäusegrößen.“ Große, schwere Chronographen auf Diät, wenn man so will – und damit für größere Kundengruppen zugänglich. Und das ist wiederum aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten ein Plus: Immerhin können so Mann und Frau gleichermaßen mit einer einheitlichen Modellgröße versorgt werden. Ein Befund, der vor dem Hintergrund einer anderen Entwicklung durchaus Sinn ergibt:

Eine Studie des Beratungshauses McKinsey konstatiert, der „midmarket“ für Uhren, also weder Luxus noch Fast Fashion, würde zwischen 2019 und 2025 um sechs Prozentpunkte schrumpfen, wenn nicht Gegenmaßnahmen ergriffen würden – Gegenmaßnahmen wie eine Uhrengröße sowohl für Mann als auch Frau zu fertigen. Das gilt für einzelne Uhren, aber auch für das gesamte Sortiment eines Hauses. Beispiel Mühle Glashütte.

„Wir fertigen vor allem gut ablesbare und sehr markante Zeitmessinstrumente“, sagt Thilo Mühle, Geschäftsführer des Unternehmens. „Damit liegt unser Fokus eher im Bereich der Herrenuhren.“ Es folgt das unternehmerische Aber: „Darüber hinaus finden sich in unserer Kollektion aber auch einige Zeitmesser, die für Damen und Herren gleichermaßen bestimmt sind: Die klassische ,Teutonia II Medium‘ mit 34 Millimeter Durchmesser ist im Gegensatz zur ,Teutonia IV Lady‘ ein gutes Beispiel dafür. Der Namenszusatz ‚Medium‘ bringt die Bestimmung als Unisexmodell dabei zum Ausdruck. Auch ,Teutonia IV BlueMoon‘ und ,Teutonia II Chronometer‘ mit jeweils 39 Millimeter Durchmesser passen gut zu dieser Uhrenkategorie.“

Unisex als stiller Trend

Der Kunde – oder die Kundin – entscheidet: Diese Maxime treibt Bucherer noch einen Schritt weiter. Man gehe davon aus, dass alle Uhren des Hauses für alle seien; die Entscheidung liege bei der Klientel, heißt es auf Nachfrage. Eine Entwicklung, wie sie sich auch in anderen Branchen beobachten lässt. Rennräder werden in aller Regel in der klassischen Diamantform produziert, aber nicht nur von Männern, sondern auch von Frauen gekauft – in der Regel halt bloß in kleineren Größen.

Von Unisex spricht niemand. Trotzdem fährt diese Klassifizierung irgendwie mit im Peloton. Ausnahme sind Hersteller wie der Branchenriese Giant, der mit „Liv“ eine eigene Marke für Frauen auf die Reifen gestellt hat. Unisex, ein Trend? Ja. Aber eben ein stiller Trend. Irgendwie passend für eine Branche, in der statt lauter Töne das stille Ticken überwiegt.

03.05.2024    Arne Gottschalck
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