Ein Testament, das mit einer Schreibmaschine geschrieben wird.
27.08.2021    Martin Hintze
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Das geerbte Vermögen in Deutschland steigt rasant: Nach Angaben des Statistischen Bundesamts haben die Finanzämter für das vergangene Jahr steuerlich relevante Erbschaften in Höhe von 50,2 Milliarden Euro registriert. Das ist ein Anstieg um knapp zwölf Prozent gegenüber 2019 und eine Verdopplung im Vergleich zu 2010 (24,7 Milliarden Euro).

Zum Anstieg maßgeblich beigetragen haben vererbte Grundstücke und Immobilien. Ihr Wert kletterte 2020 im Vergleich zum Vorjahr um knapp 26 Prozent auf 21,4 Milliarden Euro. Bei Bankguthaben und Wertpapierdepots stieg der Wert um 16 Prozent auf 30,5 Milliarden Euro. Das vererbte Betriebsvermögen legte um 33 Prozent auf 3,8 Milliarden Euro zu. Der Wert der steuerlich veranlagten Schenkungen ist mit 34,2 Milliarden Euro dagegen leicht rückläufig. Seit der Erbschaftssteuerreform im Jahr 2016 gehen die Übertragungen von Betriebsvermögen zurück, weil Sonderregeln für diese Vermögen eingeschränkt wurden.

Erbschaften machen die Reichen noch reicher

Die Zahlen des Statistischen Bundesamts geben aber keine Auskunft darüber, wie viel die Deutschen insgesamt geerbt haben. Denn für Ehepartner und leibliche Kinder gelten hohe Freibeträge von 500.000 beziehungsweise 400.000 Euro. Für die meisten Erbschaften werden also keine Steuern fällig. Sie tauchen damit auch nicht in der Statistik auf.

Wer profitiert von dieser Erbschaftswelle? Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat in einer Studie ermittelt, dass die Hälfte aller Erbschaften und größeren Schenkungen an die obersten zehn Prozent der Begünstigten geht. Vermögende werden also noch reicher. Im Schnitt liegt die Höhe einer Erbschaft bei 85.000 Euro pro Person, bei Schenkungen sind es 89.000 Euro. „Der Abstand beim Vermögen zwischen denen, die erben und denen, die leer ausgehen, wird immer größer“, sagt DIW-Experte Markus M. Grabka.

Allianz-Chef für höhere Erbschaftssteuer

Die neuen Zahlen dürften die Diskussion um eine Reform der Erbschaftssteuer neu entfachen. Im Juli hatte sich beispielsweise Oliver Bäte, Vorstandsvorsitzender des Versicherungskonzerns Allianz SE, für höhere Steuern ausgesprochen. „Die Erbschaftssteuer muss steigen“, sagte Bäte der „Süddeutschen Zeitung“. „Die Vermögensanhäufung findet im Moment vor allem über Erbschaften statt, nicht durch Einkommen. Aber wir besteuern immer stärker die Einkommen. Als Steuerpolitiker würde ich viel mehr darauf sehen, was vererbt wird“, so Bäte.

Ein weiterer Beitrag zur Diskussion kommt von einigen Vermögenden selbst: Bei der Initiative „#taxmenow“ haben sich bislang 44 Millionäre zusammengetan, die eine höhere Besteuerung für sich selbst fordern – unter anderem über die Begrenzung von Sonderregeln bei Erbschaften und Schenkungen.

Das DIW plädiert für eine Abschaffung der Zehnjahresfrist, die es erlaubt, größere Summen in zeitlichen Abständen steuerfrei zu verschenken. „Würde diese Frist abgeschafft und würden große Erbschaften damit effektiver besteuert, ergäbe sich Spielraum, Freibeträge für nicht oder entfernt verwandte Personen anzuheben“, ergänzt Grabka. Dann würden vielleicht auch die weniger Vermögenden von Erbschaften und Schenkungen profitieren – und die soziale Ungleichheit sinken.

 

 

 

 

 

27.08.2021    Martin Hintze
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