Ein Portrait von Dr. Norbert Rollinger
20.12.2019    Thomas Eilrich
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Er nimmt sich Zeit, begrüßt Nachfragen, argumentiert mit Leidenschaft: Für Dr. Norbert Rollinger, Chef der R+V -Versicherung, ist die Kombination aus digitaler und persönlicher Beratung eine Frage der Zukunftsfähigkeit.

Zur Person

Portrait von Dr. Norbert Rollinger

Dr. Norbert Rollinger

ist seit 2017 Vorstandsvorsitzender der R+V Versicherung AG. Der promovierte Jurist und Betriebswirt begann seine berufliche Karriere bei McKinsey & Company. Nach diversen Führungspositionen bei DBV-Winterthur, AXA und Generali wechselte er 2009 in den R+V Vorstand

DUB UNTERNEHMER-Magazin: Sie haben jüngst das Digitalangebot für Ihre Kunden ausgebaut. Vor welchem Hintergrund?

Norbert Rollinger: Die Herausforderung ist, unser stark auf der persönlichen Beratung beruhendes Modell in die digitale Zukunft zu führen. Das tun wir als erfolgreichster Bankassurance-Versicherer Deutschlands aus einer Position der Stärke heraus. So haben wir zusammen mit dem Bundesverband der Volks- und Raiffeisenbanken ein Omni-Kanal-Modell entwickelt. Der VR-Versicherungsmanager ist ein ganz wesentlicher Baustein, um den genossenschaftlichen Gedanken mit dem zu verbinden, was die Digitalisierung heute möglich macht. Damit wiederum wird die Beratung des Kunden deutlich besser vorbereitet.

Was konkret wird geboten? Auch die komplett digitale Beratung?

Rollinger: Selbstverständlich umfasst der VR-Versicherungsmanager schon heute auch Elemente einer Online-Beratung. Der Kunde kann im Rahmen dieser Lösung seinen Versicherungsbedarf einfach und dennoch systemisch selbst ermitteln. Er hat alle Verträge im Blick und kann vergleichen. Das trifft den Zeitgeist. Aber sobald es um etwas komplexere Themen geht, sollte auch eine persönliche Beratung stattfinden. Wir haben hier keinen Robo-Advisor geschaffen und sind sicher kein reiner Digitalversicherer, aber für simple Produkte wie vielleicht eine Handyversicherung funktioniert der Versicherungsmanager bereits komplett digital. Die Besonderheit unseres Modells liegt allerdings darin, dass der Kunde – wenn er sich unsicher oder überfordert fühlt – jederzeit die direkte Gesprächsoption hat. Das macht den Charme aus und ist gleichzeitig der Erfolgsmotor. Digitale Tools in Kombination mit qualifizierter perönlicher Beratung vor Ort kommen nach unseren Erkenntnissen dem Kundenwunsch am nächsten. Er entscheidet selbst welchen Zugang er zu uns sucht – nicht wir für ihn.

Reicht das, um im Wettbewerb die Kunden an sich zu binden?

Rollinger: Fakt ist: Wir müssen die Kunden heute mindestens so begeistern, wie es Amazon oder Google mit ihrer Unkompliziertheit und Bedienerfreundlichkeit schaffen. Hier können wir sicherlich noch zulegen. In Sachen Vertrauen und persönliche Beratung hingegen macht der genossenschaftlichen Gruppe niemand etwas vor.

Ihre Lösung ist Teil Ihrer Strategie „Wachstum durch Wandel“. In welchen Bereichen transformieren Sie sich außerdem?

Rollinger: Diese Strategie hat für uns mehrere Dimensionen. Zum einen wollen wir weiterhin marktüberdurchschnittlich wachsen. Die genossenschaftliche Finanzgruppe hat mit den Volks- und Raiffeisenbanken 18,6 Millionen Mitglieder. Das sind die eigent­lichen Genossen und Inhaber unserer Gruppe. Dort gibt es noch großes Potenzial zu erschließen. Wir sind sicher, hier deutlich Marktanteile hinzugewinnen zu können. Zum anderen werden wir die Digitalisierung vorantreiben. Das heißt: Alles, was digitalisierbar ist, werden wir auch digitalisieren. Die eingangs beschriebene Weiterentwicklung des Vertriebs ist Teil davon.

Muss damit nicht auch ein Kulturwandel einhergehen?

Rollinger: Eindeutig. Und das ist eigentlich die größte Hürde, die wir zu bewältigen haben. Es geht darum, unsere 16.000 Mitarbeiter in diese neue Welt zu führen, neue Formen agiler Zusammenarbeit zu finden und viel schneller Ergebnisse zu produzieren. Und zwar unabhängig von Hierarchie-Ebene, von Ressorts und Bereichen. Das gilt auch für die Kooperation in der Finanzgruppe mit ihren 180.000 Mitarbeitern.

Wie gelingt der Wandel in den Köpfen der Mitarbeiter? Versicherer sind ja oft sehr traditionsgeprägt.

Rollinger: Sie haben vollkommen recht. Gerade in dieser Branche ist Transformation kein Spaziergang. Der Prozess bringt große Anforderungen an die Führungskräfte mit sich, die ihren Mitar­beitern hier als Leitfiguren dienen müssen. Hinzu kommt: Wir sind ein Unternehmen, das jedes Jahr um vier, fünf Prozent wächst. In erfolgreichen Zeiten einen Wandel zu vollziehen zu einem neuen – digital-persönlichen – Geschäftsmodell ist herausfordernd. Das Beharrungsvermögen ist nicht zu unterschätzen. Andersherum 
ist das aber auch Gift für Kreativität und Innovationskraft. Wie gesagt, das fordert uns. Es gibt aber auch sehr ermutigende Meldungen aus der Praxis. So werden schon über 50 Prozent unserer IT-Projekte agil gemanagt. Und natürlich bieten wir von der Personalseite aus auch Qualifizierungsprogramme. Wir machen Learning Journeys, gehen mit Mitarbeitern raus in Unternehmen, die schon weiter sind. Wir veranstalten regelmäßig Barcamps. Es 
gibt „Lernen at Lunch“ – ein Format, in dem 20 Leute zusammenfinden und einer einen Vortrag über neueste Entwicklungen im Hause hält. Auch Design Thinking ist eingeführt. Selbst die räumliche Situation verändert sich: Wir gehen zunehmend in größere Flächeneinheiten, weg von Zweier- und Dreierbüros.

Das sind viele Maßnahmen. Aber was wird tatsächlich gelebt?

Rollinger: All diese Dinge sind weit mehr als nur ein Feigenblatt. Sie dienen dazu, die Belegschaft zu mobilisieren, Appetit zu machen auf die neuen Arbeitsweisen. Da passiert Konkretes, da werden nicht nur irgendwelche Hochglanzbroschüren verteilt.

Zurück zum Point of Sale: Am Bankschalter treten Sie mit Ihren Versicherungsprodukten ja durchaus in Konkurrenz zu Fonds­lösungen innerhalb der Finanzgruppe.

Rollinger: Zweifelsohne sind wir da nicht ganz überschneidungsfrei unterwegs. Das ist aber unproblematisch, da wir mit unserer Schwester Union Investment ja auch intensiv zusammenarbeiten. Beispielsweise im fondsgebundenen Lebensversicherungsgeschäft oder in der betrieblichen Altersversorgung. Am Ende aber hat der Kunde natürlich immer nur einen bestimmten Betrag zur Verfügung, mit dem er vorsorgen kann. Und in gewisser Weise konkurriert eine Lebensversicherung auch mit einem Fondssparplan. Hier kommt es darauf an, dass der Berater die Kundenwünsche richtig erfasst. Unsere Lösungen bieten eben auch Absicherungsaspekte und die Option der lebenslangen ­Rentenzahlung. Das ist wichtig, denn wir leben im Schnitt sieben Jahre länger, als wir selbst annehmen. Übrigens: Eine Verrentung bieten wir natürlich auch in Kooperation mit einem auslaufenden Sparplan an. Und, ganz wichtig: Es gibt keine Absatzvorgaben innerhalb der Gruppe. Nicht die Produkte mit den höchsten Provisionssätzen werden dem Kunden verkauft, sondern bedarfs­gerechte Lösungen, die zu seiner Risikoneigung passen.

Welche Lösungen werden 2019 die Wachstumsbringer sein – 
vor allem wenn die Lebensversicherung weiter mit ihrem Imageproblem zu kämpfen hat?

Rollinger: Wir wachsen in allen Bereichen stark – beispielsweise in der Kranken- und Krankenzusatzversicherung. Wir sehen aber auch in der Lebensversicherung in all ihren Garantievarianten weiter große Potenziale. Zugegeben: Das Image der Lebensversicherung hat in den letzten Jahren gelitten. Und doch registrieren wir keinerlei Rückgänge im Neugeschäft. Das Thema Altersvorsorge ist durch die noch immer gute Konjukturlage, die niedrige Arbeitslosigkeit und volle Rentenkassen momentan zwar in der Öffentlichkeit nicht so präsent, aber es ist keinesfalls vom Tisch. Seriöse Berater finden hier Chancen – auch und gerade in der betrieblichen Altersvorsorge. In all den genannten Bereichen sind wir stark aufgestellt und ein bedeutender Player im Markt. Unser Geschäftsmodell basiert auf dieser Breite des Angebots. Für uns zählt, dass der Kunde daraus wählen kann, was für ihn in seiner Situation das Beste ist.

20.12.2019    Thomas Eilrich
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