Ein Portait von Eric Bussert
02.01.2020    Thomas Eilrich
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Digitalisierung und Beratung: Es ist die Kombination beider Themen, die reizt – vor allem wenn man, wie Eric Bussert, für jedes von ihnen Leidenschaft mitbringt. Als Vorstand der traditionsreichen HanseMerkur, eines Versicherers mit großem Vertrieb aus festen und freien Beratern, sieht er in technologischer Transformation und digitalem Wettbewerb jedoch keine Bedrohung, sondern die Keimzelle gemeinsamer innovativer Kundenlösungen.

Zur Person

Porträt von Eric Bussert

Eric Bussert

ist seit 2012 im Vorstand des Hamburger Versicherers HanseMerkur. Dort ist er für Vertrieb und Marketing zuständig. Zuvor war der Diplom-Kaufmann und Ökonom 17 Jahre für Ergo tätig

DUB UNTERNEHMER-Magazin: Ist Digitalisierung für Sie mehr Geisteshaltung oder Praxislösung?

Eric Bussert: Digitalisierung ist kein Selbstzweck, sondern immer dort sinnvoll, wo der Kundennutzen erhöht werden kann – also wo Prozesse effizienter, Dienstleistungen dadurch kostengünstiger, die Angebote eines Unternehmens schlichtweg besser werden. Zudem wird vieles in der digitalen Welt überhaupt erst möglich: So bietet beispielsweise ein Videochat mit Ärzten den Krankenversicherten einen echten Mehrwert. Ein weiteres Beispiel: mobile EKG-Geräte, die ihre Signale via Handy an Ärzte senden können. Positiv ist auch, dass die Kapazitäten für Datenspeicherung und -verarbeitung stetig steigen. Insofern handelt es sich bei der Digitalisierung sowohl um eine Geisteshaltung als auch um eine Toolbox. Im Alltag ist sie ohnehin allgegenwärtig. Gerade im Versicherungsvertrieb ist die Akzeptanz längst da. Mit der Digitalisierung haben sich viele Praxisprozesse in den letzten zwei, drei Jahren dynamisch weiterentwickelt.

Und wo kommen digitale Tools zum Praxiseinsatz?

Bussert: Sie haben einen wesentlichen Anteil an 
der Gesamtleistung des Beraters. So lässt sich dem Kunden etwa über Vergleichsplattformen transparent darstellen, wo das empfohlene Produkt im Wettbewerb steht. Daher ist es auch unsere Strategie, bei diesen Aggregatoren gut positioniert zu sein. Das wirkt sich auf alle Vertriebskanäle positiv aus. Denn die Erfahrung zeigt, dass sich das Gros der Kunden – unabhängig vom letztendlichen Weg des Abschlusses – im Vorfeld auf Vergleichsportalen informiert. Zudem kann heute generell zwischen einer analogen Beratung, die physisch im gleichen Raum stattfindet, oder einer digitalen, zum Beispiel via Co-Browsing und Video, im Internet gewählt werden. Natürlich ziehen Kunden gerade bei Standardpolicen oft den Online-Abschluss vor. Warum sollte das auch anders sein, wenn schon die Einkäufe über Plattformen wie Amazon getätigt werden. Dennoch kann sich auch hier der Weg zum Berater lohnen, weil er im Rahmen seiner Gesamtleistung natürlich ebenfalls den Kundenbedarf prüft, die Produkte dann aber zum Abschluss auf seiner Homepage anbieten kann.

Muss der Berater heute eher wie ein Coach agieren?

Bussert: Die Ansprüche steigen natürlich. Aber ohnehin sollte es so sein, dass derjenige, der in Versicherungsfragen berät, idealerweise den Stellenwert eines Steuerberaters oder Anwalts hat. An solch einem Berufsbild müssen wir als Branche arbeiten – und haben da sicher noch einen Weg vor uns. Dennoch schließt sich für mich hier ein wenig der Kreis. Denn in Zukunft kommt es stärker auf qualitativ hochwertige Beratung in komplexen Produktwelten wie der Krankenversicherung oder der Altersvorsorge an – und da braucht es Menschen, die in der Lage sind, diese Anforderungen umzusetzen.

Wie sieht heute die Beratungspraxis bei Ihnen aus?

Bussert: Wir haben bereits vor vier Jahren den Beratungsnavigator eingeführt – einen onlinegestützten Prozess, der von der Kundenkontaktaufnahme und der Bedarfsermittlung über den Versicherungsvergleich und die Online-Beratung bis hin zum Abschluss alles medienbruchfrei anbietet. Der Mehrwert aus diesem Ansatz ist für den Vertriebspartner offenkundig – er agiert effizienter und kann den Kunden mithilfe der Tools qualitativ besser beraten.

Inwieweit kooperieren Sie mit InsurTechs?

Bussert: Kooperationen im Sinne des Kundennutzens zählen zu unserer DNA. So haben wir uns schon sehr frühzeitig mit der Frage auseinandergesetzt, wie es gelingt, die Digitalisierungsthemen in Kooperation mit InsurTechs anzugehen, zu strukturieren und auf ein höheres Niveau zu heben. Vor diesem Hintergrund haben wir gemeinsam mit der Hamburg School of Business Administration und dem Alsterspree Verlag die InsurTech Werft gegründet. Wir sind hier ganz bewusst keiner Initiative beigetreten, sondern haben eine eigene etabliert, die schwerpunktmäßig mit regionalen mittelständischen Unternehmen zusammenarbeitet und anhand ganz konkreter Fälle echten Nutzen und Mehrwert für die Mitglieder generiert. Ich selbst leite das Steering Committee und achte gemeinsam mit ­meinen Kollegen sehr darauf. Diese Initiative ist kein Feigenblatt.

Wie funktioniert das im Detail?

Bussert: Im Kern bauen wir mit der InsurTech Werft ein von der Beratung bis zum Abschluss voll digitales Versicherungsunternehmen mit dem Namen Fury auf. Dabei schauen wir uns über entsprechende Teilprozesse alle Glieder der Wertschöpfungskette an und laden diejenigen InsurTechs ein, die zur Digitalisierung der einzelnen Teile einen Beitrag leisten können. Wie kann beispielsweise ein Antragsprozess digital abgebildet werden, wo kann ein Chatbot zum Einsatz kommen et cetera. Ziel ist es, innerhalb der anderthalb Tage, die unsere Treffen andauern, tatsächlich einen Teilprozess operativ umzusetzen. Zuletzt haben wir beispielsweise gemeinsam mit dem InsurTech Kasko innerhalb kürzester Zeit einen voll digitalen Antragsprozess für ein neu geschaffenes Produkt entwickelt.

Ist eine komplett digitale Versicherung ein realis­tisches Szenario für die HanseMerkur?

Bussert: Es wird Prozesse geben, die komplett digital ablaufen. Dagegen spricht ja auch nichts – ganz im Gegenteil. Dennoch bin ich nach wie vor ein großer Verfechter des personalisierten Vertriebs und glaube, dass er eine goldene Zukunft hat. Unabhängig von der Digitalisierung und dem Einsatz Künstlicher Intelligenz wird es immer Bereiche geben, in denen Bedarf an persönlicher Beratung besteht. Das liegt in der Natur des Menschen. Dieser Bedarf wird sich sicherlich stärker fokussieren – weg von Standardprodukten. Ich bin aber davon überzeugt, dass der Stellenwert individueller Beratung in Zukunft sogar höher wird – allein schon, weil sie einfach keine Selbstverständlichkeit mehr ist. Die Beratungsqualität, über die jeweiligen Kanäle hinweg, entscheidet künftig über den Erfolg.

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