Datenströme im Gehirn, ein Patient liegt neben dem Monitor im Bett
20.08.2023    Madeline Sieland
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Ruth Hecker, Vorsitzende des Aktionsbündnisses Patientensicherheit

Dr. Ruth Hecker

ist seit 2019 Vorsitzende des Aktionsbündnisses Patientensicherheit. Die Fachärztin für Anästhesie ist zudem Chief Patient Safety Officer der Universitätsmedizin Essen

Die schleppende Digitalisierung des Gesundheitswesens ist ein Dauerthema. Was bremst die Digitalisierung weiterhin?

Ruth Hecker: Aus meiner Sicht gibt es dafür drei Gründe. Erstens: die Bewahrer im System, die nur kleine und langsame Veränderungen wollen, die sie gut kontrollieren können. Zweitens: den mangelnden Blick auf den Nutzen und die fehlende operative Unterstützung für alle Anwendergruppen. Tools zur Verfügung stellen und einmal im Umgang damit zu schulen reicht eben nicht aus. Und drittens: die mangelnden Ressourcen in der Industrie, um den Anwenderbedürfnissen zu begegnen.

Wo wird das technische Potenzial bisher noch nicht ausgeschöpft und wen sehen Sie in der Verantwortung, Innovationen voranzubringen?

Hecker: Das technische Potenzial ist bei weitem nicht ausgeschöpft, weil alles noch Stückwert ist. Intuitiv bedienbare, für den Alltag verlässliche Produkte, die mit anderen Produkten wie ein Uhrwerk ineinandergreifen, sind selten. Innovationen voranzubringen ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.

Blicken wir mal ein paar Jahre voraus: Was wird in der Medizin in fünf Jahren möglich sein, was heute noch nicht möglich beziehungsweise nicht flächendeckend üblich ist?

Hecker: Die Ermittlung von Risiko-Scores für einzelne Personengruppen sowie mehr Behandlung und Beobachtung durch telemedizinische Anwendungen zuhause.

Basis für solche Scores wären Daten. Davon werden im Gesundheitswesen viele erfasst, wirklich genutzt werden sie allerdings nicht. Damit wird Potenzial etwa zur Entwicklung neuer Therapien verschenkt. Aber sind Daten- und Gesundheitsschutz tatsächlich unvereinbare Gegensätze oder gäbe es Möglichkeiten, Gesundheitsdaten nutzbar zu machen?

Hecker: Bedeutsam ist, dass der Datenschutz gesetzlich verankert ist. Das gibt es im Gesundheitswesen nicht. Diese Dysbalance muss aufgelöst werden. Wenn Daten missbraucht werden, dann stirbt noch keiner. Wenn Daten aber nicht genutzt werden können, sterben Menschen.

Stichwort Nachhaltigkeit: Je stärker der Klimawandel voranschreitet, desto größer sind auch dessen Auswirkungen auf die Gesundheit. Wo und wie kann das Gesundheitswesen noch nachhaltiger werden, um seinen Teil zum Klimaschutz beizutragen?

Hecker: Weniger Ressourcenverbrauch! Das heißt: Weniger Fehldiagnosen und Fehlbehandlungen, weniger Krankenhausbetten, gezieltere Früherkennung und Behandlung ausgerichtet nach persönlichen Risiko-Scores, mehr Gesundheitskompetenz und weniger unnötige Arztbesuche.

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20.08.2023    Madeline Sieland
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