Luftaufnahme eines Lkw, der auf einer Landstraße fährt
13.09.2023
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Über die Zukunft des deutschen Mittelstands wird derzeit heiß diskutiert. Die Energiekrise, Probleme beim Digitalisierungsstand wie auch die überbordende Bürokratie werden häufig branchenübergreifend als Brandherde genannt, die in einigen Fällen gar zur Abwanderung von Betrieben führen.

Übersehen werden dabei jedoch Entwicklungen, die einen gegenteiligen Trend befeuern. So haben die Coronapandemie und der russische Angriffskrieg in der Ukraine vor Augen geführt, wie wichtig die Resilienz von Lieferketten ist.

In der Krise handlungsfähig zu bleiben – das ist oberstes Gebot. Entsprechend gewinnt Nearshoring – also die Verlagerung betrieblicher Aktivitäten und Zulieferbeziehungen ins Heimat- oder nahegelegene Ausland – wieder an strategischer Bedeutung.

Der Lieferkettenkrise mittels Nearshoring vorbeugen

Fatale Abhängigkeiten wie in der Vergangenheit rücken derzeit in den Fokus der Risikomanagerinnen und -manager. Auch die heraufziehenden Handelskonflikte führen die Gefahren für die eigenen Wertschöpfungsketten einmal mehr vor Augen.

Die Resilienz der Wirtschaft und insbesondere der Lieferketten zu verbessern – das ist eines der Hauptthemen vieler hiesiger Player. Dies kann am besten durch eine gezielte Diversifizierung der Wertschöpfung sowie durch Redundanz der Produktionsstätten und Lieferbeziehungen gewährleistet werden.

Gleichzeitig müssen Unternehmen in der Lage sein, flexibel und schnell zu reagieren. Nearshoring und weiteres Outsourcing sowie das Einbeziehen von externen Dienstleistern in die Wertschöpfungskette sind die passenden Antworten auf viele der derzeitigen wirtschaftlichen Herausforderungen.

Auf den zweiten Blick wird somit klar: Für deutsche Mittelständler ergeben sich aus dem Trend zum Nearshoring auch Wachstumschancen – durch Zukäufe, aber auch durch das Einklinken in die Wertschöpfungskette von Großkonzernen, die ihre Wertschöpfungstiefe verringern wollen. Interessant sind ferner Übernahmen von Carve-outs, die nicht mehr ins Portfolio von Großkonzernen passen.

Smarte Lösungen notwendig

Ohne Herausforderungen läuft das Nearshoring allerdings nicht ab. So ist nicht zu leugnen, dass sich dadurch die Komplexität erhöhen kann, was gegebenenfalls gar Marge kostet. Allerdings ist nur so die dauerhafte Widerstandsfähigkeit sicherzustellen.

Eine erhöhte Lagerhaltung ist nicht zwangsläufig zielführend und notwendig. Vielmehr bedarf es einer intelligenten und flexiblen Steuerung der Bestände und Lieferketten. Entscheidend dabei sind nicht allein die Mengen, sondern vielmehr auch die Lagerorte.

Diese Herausforderungen werden Unternehmen in Mitteleuropa aber leicht stemmen können. Kritischer betrachten muss man hingegen die Kostenstrukturen in Westeuropa, welche den Aspekt der Wettbewerbsfähigkeit sicher beeinträchtigen können. Hier ist ein smarter Umgang mit neuen disruptiven Technologien geboten.

So helfen etwa eine konsequente Digitalisierung und die gezielte Nutzung von Künstlicher Intelligenz dabei, die Kostenstrukturen deutlich zu senken. Gerade in den teureren Staaten in Europa und Nordamerika müssen die Potenziale der Technologie schnell gehoben werden; für diese Standorte sind die Chancen immens.

Nearshoring keine Universallösung für alle Branchen

Natürlich ist nicht zu leugnen, dass Dienstleistungsunternehmen sicher im Vorteil sind gegenüber Produktionsunternehmen, die aber ihre Wertschöpfungstiefe oft bereits deutlich abgeflacht haben.

Es scheint wahrscheinlich, dass sich der Trend des Outsourcings von immer mehr Elementen der Wertschöpfungskette in den kommenden Jahren beschleunigen wird. Für viele Branchen werden die Vorteile dabei überwiegen. Im Nachteil sind jedoch Branchen wie zum Beispiel die Schwerindustrie, wo eine Verlagerung der Produktion nur mit sehr hohen Kosten und sehr langen Vorlaufzeiten möglich ist.

Fazit und Ausblick

Trotz des derzeit vorhandenen wirtschaftlichen Gegenwinds in vielen hiesigen Branchen spielt dem Standort Deutschland beziehungsweise Europa auch ein Trend in die Karten: Die geopolitischen Spannungen rund um den Globus werden dazu führen, dass Unternehmen ihre Lieferkettenbeziehungen stärker sondieren müssen.

In vielen Branchen ist zu erwarten, dass gerade Großunternehmen hier die Möglichkeiten des Nearshoring forcieren werden. Dies garantiert zum einen höhere Transparenz hinsichtlich der ESG-Vorgaben; zum anderen minimiert die Maßnahme die Gefahr abgerissener Lieferbeziehungen.

Zur Person

M&A-Berater Borys Storck

Borys Storck

ist Managing Partner bei der M&A-Beratung Marktlink in Düsseldorf. Der Diplom-Ökonom hat mehr als 20 Jahre Erfahrung in der Beratung von inhabergeführten Unternehmen, Konzernen und Private-Equity-Investoren bei der Durchführung von Firmenkäufen und -verkäufen sowie bei der Finanzierung und Bewertung von Unternehmen

Kolumnen, Kommentare und Gastbeiträge auf DUP-magazin.de geben ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors oder der jeweiligen Autorin wieder, nicht die der gesamten Redaktion.
13.09.2023
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