Pflege im Alltag: Eine Frau hilft einem älteren Herren beim Einkauf
14.03.2024
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Schnell ist es passiert: Knochenbrüche durch Stürze, die Symptome von Demenz, Parkinson und Arthrose verschlechtern sich – dazu nimmt das Seh- und Hörvermögen ab. Gut, wenn es da Hilfe aus der eigenen Familie gibt. So schleichend wie ein Hörverlust daherkommt, nimmt auch die Unterstützung aus der eigenen Familie bei der Pflege zu.

Fachkräfte gehen – teilweise oder ganz

Die aktuelle VdK-Pflegestudie zeigt, dass fast die Hälfte der befragten Pflegenden ihre Arbeitszeit um 50 Prozent oder mehr verringert haben. Über fünf Prozent hörten sogar ganz auf zu arbeiten, um die Pflege von Angehörigen zu übernehmen. Für Unternehmen ist es ein großes Problem, wenn gutes Personal in Zeiten von Fachkräftemangel kündigt oder Stellen nicht mehr adäquat besetzt werden können.

Familienfreundliche Unternehmen haben längst erkannt, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf wichtig ist. Deshalb schaffen sie Angebote für Eltern, die sich neben dem Beruf um ihre Kinder kümmern. Doch dazu gehört eben nicht nur die Kinderbetreuung, sondern – oft sogar gleichzeitig – auch die Versorgung der eigenen, älter werdenden Eltern. Das ist für die meisten Mitarbeitenden unumgänglich. Doch selbst bei familienfreundlichen Unternehmen gibt es in Bezug auf die Unterstützung für pflegende Angehörige noch Potential.

Eine schwierige Situation – gerade für Frauen. Denn überproportional häufig übernehmen die (erwachsenen) Töchter die Pflege. Die ungleiche Verteilung von Care-Arbeit zwischen Männern und Frauen, der sogenannte Gender Care Gap, ist auch bei der Pflege von Angehörigen auffällig. Für viele Frauen heißt das: Deutliche Abstriche bei Beruf und Karriere.

Pflegezeit häufig unbekannt

Den Kopf frei zu haben für die Aufgaben am Arbeitsplatz und konzentriert zu arbeiten: Diese Ansprüche stellen Arbeitnehmende an sich selbst. Doch wenn das Handy klingelt, sind die Gedanken beim Elternteil – und der akuten Situation zuhause. Pflegende Angehörige stehen vor einer Vielzahl psychischer und physischer Herausforderungen und die Pflegesituation bringt eine finanzielle Belastung mit sich. Welche Unterstützungsmöglichkeiten ihnen zustehen und wie sie diese beantragen können, ist Pflegenden kaum bekannt. Das zeigen die aktuellen Zahlen: Jährlich werden rund 12 Mrd. Euro für Unterstützungsleistungen nicht abgerufen. Im Arbeitsumfeld zeigt sich das ebenfalls deutlich. Während der Themenkomplex Elternzeit bekannt und breit akzeptiert ist, haben nur die wenigsten schon einmal vom Rechtsanspruch auf Familienpflegezeit gehört.

Ideen für die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf

Was können Arbeitgeber und Führungskräfte also tun, um pflegende Angehörige zu unterstützen? Schon kleine Maßnahmen bewirken viel:

  • Flexible Arbeitsmodelle anbieten: Akzeptanz von Remote-Arbeit und flexiblen Arbeitszeiten; Job-Sharing und Teilzeitarbeit sowie einen Notfall-Pool für spontane Ausfälle aufbauen.
  • Familienfreundlichkeit steigern: „Familie“ weiter denken als bisher und passende Initiativen fördern, zum Beispiel Kinderbetreuung am Arbeitsplatz auch während der Pflege.
  • Mitarbeitende für Pflegebegleitung ausbilden: Analog zu Erste-Hilfe-Kursen Mitarbeitende zu Pflegebegleiterinnen und Pflegebegleiter ausbilden, die im Kollegium mit digitalen und physischen Unterstützungsmöglichkeiten weiterhelfen.
  • Konkrete Hilfestellungen anbieten: Digitale Informations- und Unterstützungsangebote für die vielen Herausforderungen des Pflegealltags – auch auf dem Diensthandy.

Wir müssen das Bewusstsein für die Bedürfnisse pflegender Angehöriger in Deutschland stärken. Hierzu gehört auch das Arbeitsumfeld. Teil einer wertschätzenden Unternehmenskultur sollte es sein, Verständnis zu zeigen und ein holistisches Bild von Arbeit, Leistung sowie der Verantwortung gegenüber der Elterngeneration zu entwickeln. Genau hier können Unternehmen ansetzen und proaktiv unterstützen, um pflegenden Mitarbeitenden Orientierung im Bürokratiedschungel der Pflege zu geben. Häufig werden Hilfen nur nicht genutzt, weil den Betroffenen das Wissen darüber fehlt und die Situation sie überfordert. Mithilfe digitaler Tools, die pflegenden Angehörigen umfassende Unterstützung anbieten, können Unternehmen diesem Anspruch ebenso verantwortungsbewusst wie lösungsorientiert gerecht werden. Denn nichts ist für pflegende Angehörige wichtiger, als einen starken Verbündeten an ihrer Seite zu wissen.

Zur Person

Katharina Volkmer

ist Chief Strategy & Marketing Officer beim Digital-Care-Start-up Nui Care in München. Die gelernte Kommunikations- und Marketing-Expertin hatte zuvor ihre Karriere pausiert, um ihre Großmutter zu pflegen. Volkmer wurde unlängst vom Magazin „Business Insider“ als eine von 25 Zukunftsmacherinnen ausgezeichnet

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14.03.2024
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