Eine Person im Ärztekittel mit einem Klemmbrett in der Hand steht an einem Bett, in dem ein Patient liegt.
04.08.2023    Christian Buchholz
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Die Statistik spricht eine eindeutige Sprache: Jeder dritte Mensch über 80 Jahre wird zum Pflegefall. Und weil die Lebenserwartung in Deutschland weiter steigt, ist die Gefahr für Menschen, selbst in der Pflegebedürftigkeit zu landen, nicht zu unterschätzen. „Das kann dann schnell hohe fünfstellige Summen verschlingen – je nachdem wie lange jemand gepflegt werden muss“, warnt Stefan Reker, Geschäftsführer beim Verband der Privaten Krankenversicherung (PKV).

Insbesondere bei jungen Menschen sei das Bewusstsein für das Pflegethema oft nicht besonders groß oder gar nicht vorhanden. Dabei könnten sie schon mit kleineren Beträgen für eine private Pflegezusatzversicherung für den Ernstfall vorsorgen. Für Reker ist deshalb die betriebliche Pflegezusatzversicherung „eine sehr gute Möglichkeit, das Thema bei jungen Menschen zu platzieren, weil dann der Arbeitgeber die Entscheidung für eine Pflegezusatzversicherung trifft“.

Musterbeispiel für Arbeitgebende

Eine Branche geht in puncto betriebliche Pflegezusatzversicherung bereits mit gutem Beispiel voran. So wurde zum 1. Juli 2021 im Tarifvertrag festgeschrieben, dass die Arbeitgeber für über 400.000 Tarifbeschäftigte der chemisch-pharmazeutischen Industrie die Beiträge in die Pflegezusatzversicherung zahlen. Dadurch entfällt sogar die Gesundheitsprüfung. Zudem kann die Versicherung privat aufgestockt sowie auch auf Familienangehörige ausgeweitet werden. Tritt der Pflegefall tatsächlich ein, deckt die Versicherung bei statio­närer Pflege bis zu 1.000 Euro ab, bei ambulanter Pflege bis zu 300 Euro. 

Reker wünscht sich, dass dieses Beispiel Schule macht. Bislang gebe es aber noch zu wenige Unternehmen, die eine Pflegezusatzversicherung für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer abschließen. Und solange das so sei, müssten die Beschäftigten eben privat vorsorgen. Denn: „Die gesetzliche Pflegeversicherung ist und wird immer nur eine Teilkaskoversicherung sein. Ohne eine Pflegezusatzversicherung muss man im Pflegefall einen relativ hohen Eigenanteil zahlen, der im Bundesdurchschnitt pro Monat bei etwa 2.500 Euro liegt“, so der PKV-Geschäftsführer.

Eine stattliche Summe. Allerdings: Bei vielen Menschen reicht die Rente dafür überhaupt nicht aus. „Wenn beispielsweise ein Ehepartner zum Pflegefall wird und der andere parallel noch die Miete für eine Wohnung weiterbezahlen muss, kann es schnell zu Liquiditätsengpässen kommen“, so der PKV-Geschäftsführer. Dann drohe ein Abrutschen in die Sozialhilfe; im Zweifel würden sogar die eigenen Kinder in Regress genommen. 

Ohne private Vorsorge geht es nicht

Apropos Kinder: Die beschäftigen sich mit dem Thema Pflegezusatzversicherung meistens erst, wenn ein Elternteil wirklich zum Pflegefall wird. Doch je später man mit einer Pflegezusatzversicherung beginnt, desto höher ist der Beitrag, betont Reker.

Konkret: Wenn 35-Jährige sich für den Pflegefall zu 100 Prozent absichern wollen, kostet sie das ab 56 Euro im Monat über ein normales Pflegezusatzprodukt ohne staatliche Förderung. Bei einem Vertragsbeginn mit 45 Jahren kostet derselbe Schutz dann schon 84 Euro. Wenn man nur eine 50-prozentige Absicherung des Eigenanteils anstrebt, wird es entsprechend günstiger.

Reker: „Die Marktanalysten empfehlen für Menschen mit einer guten Altersvorsorge, dass schon die 50-Prozent-Absicherung ausreicht, um im Pflegefall halbwegs sorgenfrei alle Kosten zahlen zu können.“

Wenig Interesse an Pflegezusatzversicherung

Trotz der Fakten hat sich das Wachstum bei den Pflegeversicherungen in den vergangenen Jahren deutlich abgeflacht, aktuell stagniert die Nachfrage. Die ungeförderten Pflegezusatzversicherungen sind 2022 nur noch um 0,5 Prozent gestiegen, was einem Plus von 15.000 neuen auf insgesamt 3,2 Millionen Versicherungen entspricht. Bei der privaten Pflegevorsorge mit staatlichem Zuschuss, dem sogenannten Pflege-Bahr, sind die Abschlüsse sogar um 0,8 Prozent zurückgegangen. Das entspricht einem Minus von 7.300 Versicherungen auf knapp 910.000.

Woran das liegt? „Es ist offenkundig, dass es einen Zusammenhang mit der politischen Debatte gibt. Das zeigen die Zahlen aus der Vergangenheit“, so Reker. Er blickt gut zehn Jahre zurück: „Bevor der Pflege-Bahr 2013 eingeführt wurde, gab es politische Debatten, die den Menschen vor Augen führten, dass für das Pflegerisiko eine zusätzliche private Vorsorge angeraten ist.“ Das Problembewusstsein, dass es eine private Vorsorge brauche, sei damals durch die politische Debatte stark gewachsen. Die Anbieter verzeichneten dadurch in den folgenden sieben Jahren einen Anstieg um 72 Prozent bei den ungeförderten und geförderten Pflegezusatzversicherungen. 

Aktuell würden sich die Politikerinnen und Politiker jedoch der durch den demografischen Wandel dringend notwendig gewordenen Debatte um die Pflegezusatzversicherung entziehen, weil sie laut Reker nicht als Überbringer schlechter Nachrichten wahrgenommen werden wollen. Stattdessen hätten zuletzt die Große Koalition und die aktuell regierende Ampel-Koalition den Eindruck erweckt, der Staat würde immer stärker die Leistungen aufstocken, sodass sich die Bürgerinnen und Bürger keine Sorgen machen müssten. „So erzeugt man eine Sicherheitsillusion. Das entspricht an der Schwelle zu einer demografischen Krise aber nicht der Verantwortung, die wir jetzt haben“, stellt Reker klar.

Die wichtigsten Erkenntnisse aus der Studie „Absicherung im Pflegefall“ 

Die unabhängige Ratingagentur Assekurata hat im Mai 2023 die Studie „Absicherung im Pflegefall. Mit der Pflegezusatzversicherung zur Pflegevollversicherung“ veröffentlicht. Die wichtigsten Ergebnisse auf einen Blick: 

  • Umfragen zeigen, dass Verbraucherinnen und Verbraucher sich der Kostenrisiken von Pflegebedürftigkeit zwar durchaus bewusst sind. Aber nur wenige prüfen eine Pflegezusatzversicherung, weil sie hohe Kosten befürchten. So zeigt eine Allensbach-Umfrage, dass die Menschen dafür Beiträge von monatlich über 200 Euro vermuten.
  • Der Eigenanteil an den Pflegekosten – die sogenannte Pflegelücke – lässt sich laut Assekurata-Studie zu deutlich niedrigeren Prämien absichern als gemeinhin angenommen. Dabei gilt: je früher eine Pflegezusatzversicherung abgeschlossen wird, desto besser.
  • So kann eine Person im Alter von 25 Jahren bereits zu einem Monatsbeitrag ab 37 Euro eine Pflegetagegeldversicherung abschließen, die ihre derzeitige durchschnittliche Pflegelücke von 2.400 Euro bei stationärer Pflege komplett schließt. Im Alter von 55 Jahren ist dieses Absicherungsniveau noch für 132 Euro pro Monat zu bekommen.
  • Die individuelle Pflegelücke − und damit der individuelle Versicherungsbedarf – hängt neben regionalen von weiteren Faktoren ab. Wichtig ist insbesondere die Frage, ob im Pflegefall neben dem (Renten-)Einkommen weitere finanzielle Mittel vorhanden sind, die für eine eventuelle Pflege eingesetzt werden können oder sollen. Sind diese dergestalt vorhanden, dass sich die Pflegelücke zum Beispiel auf 1.200 Euro halbiert, ist eine Pflegetagegeldversicherung für einen Menschen im Alter von 25 Jahren schon ab 19 Euro und mit einem Eintrittsalter von 55 Jahren für 66 Euro zu haben.
  • Die Höhe der Pflegelücke schwankt von Bundesland zu Bundesland zum Teil erheblich. Sie liegt etwa in Sachsen bei durchschnittlich 1.868 Euro, im Saarland bei 2.847 Euro. Bei ambulanter Fachpflege beträgt sie nach Berechnungen der Studienherausgeber im Bundesdurchschnitt je nach Pflegegrad zwischen 375 und 2.100 Euro.
04.08.2023    Christian Buchholz
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