Ein Foto vom Event: TapGig auf dem Kulturfestival Zamanand
11.03.2024    Jenny Kunz
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Violinistin Viktoria Sholupata muss los. Um 22 Uhr beginnt die Ausgangssperre. Für ihr Publikum beginnt der Abend jetzt erst so richtig. Die Zeit ist dieselbe: ein Samstag im August, 21.45 Uhr. Die Orte sind umso verschiedener: Sholupata im ukrainischen Lwiw, das Publikum vor dem Münchner Siegestor. „… zum Frieden mahnend“, steht auf dem Bauwerk. Es ist diese Kollision der Realitäten, die diesen Live-Moment zu einer einzigartigen Begegnung macht. „Wir haben ein völlig neues Format geschaffen“, sagt Till Kaestner bestimmt. „Wir“, das sind er und seine Mitgründer Rüdiger Linhof und Chris Furtner. Einer fürs Geschäft, einer für die Kunst und einer für die Technik.

Übertragung in Echtzeit

Die Liebe zur Musik und zum Live-Erlebnis teilen alle drei. Deshalb haben sie TapGig entwickelt. Das Tool ermöglicht über eine cloudbasierte Plattform und die zugehörigen Technikboxen eine professionelle Remote-Produktion zwischen den Orten A und B. Die Übertragung erfolgt dabei in Echtzeit, in beide Richtungen sowie in hervorragender Ton- und Bildqualität. Events wie Konzerte, aber auch Konferenzen und Fortbildungen werden damit ortsunabhängig, kosteneffizienter und demnach umweltfreundlicher.

Die Einschränkungen während der Pandemie waren ein Katalysator für die Probleme und Ansprüche der Veranstaltungsbranche: Die Kosten steigen enorm, Tickets werden teurer, gerade kleinere Artists, Kulturen und Themen bleiben auf der Strecke. Harry Styles füllt die Stadien, aber mittelgroße Live-Clubs schließen. Zudem weisen gesellschaftspolitische und klimatische Krisen den Event-Spaß in seine Grenzen.

TapGig: „Wir wollen Menschen zusammenbringen“

Und wie fühlt sich das für den Künstler an? „Es ist ein unglaublicher Moment“, sagt Linhof, TapGig-Mitgründer und Bassist der Band Sportfreunde Stiller. „Du stehst im Proberaum, plötzlich öffnet sich dieses Fenster und du bist innerhalb von Sekunden in Kontakt mit dem Publikum. Diese Direktheit. Auf meiner eigenen Bühne zu stehen, Menschen in die Augen zu sehen und gemeinsam Party zu machen. Plötzlich ist die Entfernung ein Schatz, der diese Begegnung zu etwas Besonderem macht.“

Dadurch, dass der Stream in beide Richtungen geht, soll sogar ein viel authentischerer und intimerer Moment entstehen, weil das Publikum das echte Umfeld des Gegenübers erfährt. „Wenn Viktoria Sholupata vor dem Siegestor auf einer Bühne gestanden hätte, hätte es nicht mal die Hälfte der Wirkung gehabt“, so Kaestner. „Aber so wurde über das gemeinsame Erlebnis ihrer Realität die emotionale Empathie angesprochen: Die spielt im Kriegsgebiet, hat Angst, weiß nicht, was morgen ist. Davon hätte sie auf der Bühne in München endlos berichten können, es wäre nicht so rübergekommen.“ TapGig will so auch anderen eine Live-Begegnung mit ihrer Audience ermöglichen: unabhängig von Größe, Ort und monetären oder organisatorischen Möglichkeiten. Von der Band bis zum Speaker.

Ein bisschen erinnert das an einen Videocall via Teams oder Zoom. Aber neben technischen Aspekten wie der professionellen Produktion oder der Klangqualität ist der größte Unterschied, dass das Publikum dennoch physisch zusammenkommt. „Wir wollen Menschen wirklich zusammenbringen“, sagt Furtner. „Dass sie einen Moment teilen, zusammenstehen und gesehen werden. Das funktioniert nicht, wenn jeder für sich auf seinen Bildschirm guckt.“

Wie wird aus einer Idee ein Erfolg?

Das klingt natürlich toll, und die Gründer können viel über die Einzigartigkeit ihrer Idee erzählen. „Die Herausforderung ist jetzt, Leute davon zu überzeugen“, so Kaestner. „Denn am Ende will man damit natürlich auch Geld verdienen.“ Die Gründer von TapGig setzen darum vor allem auf Ausprobieren. „Der beste Weg ist, ein Erlebnis zu schaffen, das die Leute selbst wahrnehmen können – denn es lässt sich nur schwer mit Worten beschreiben.“ Also tun sie das, stellen die Technik Multiplikatoren vor, übertragen Lesungen auf Brückenmauern und bringen die Box bis nach Ghana. Als Nächstes geht es darum, die Technik auch abseits von Konzerten einzusetzen.

So geht es weiter

Kaestner sieht da viel Potenzial in der Business-Live-Kommunikation. Messen, Corporate-Veranstaltungen, Kongresse. „TapGig kann das Fenster zum Unternehmen sein“, sagt er. In seiner Vorstellung steht bald der Geschäftsführer einer Lavendelfabrik in Frankreich inmitten seiner blühenden Felder und erzählt auf einer Mittelstandskonferenz irgendwo in Deutschland live etwas über Lokal-Marketing. Und das als professionelle und vergleichsweise günstige Multimediaproduktion mit der Möglichkeit, flexibel und direkt auf das Publikum eingehen zu können. „Unsere Plug-&-Play-Technik ist fertig und vereint das alles“, so Kaestner. Als nächster Schritt kämen nun Partner und Kunden, die diese für ihre individuellen Zwecke sinnvoll anwenden. Oder mit Linhofs eher metaphorischen Worten: „Wir haben eine Leinwand geschaffen – jetzt müssen wir darauf malen.“

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Zur Person

TapGig

Chris Furtner, Rüdiger Linhof & Till Kaestner sind die Gründer von TapGig

11.03.2024    Jenny Kunz
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