ein schwarzes Ausrufezeichen auf gelbem Hintergrund; Symbol für eine Warnung
21.08.2023
  • Drucken

Wie lautet Ihr Urteil über den Verein Deutsches Institut für Qualitätssicherung und -prüfung (DIQP), der mit Siegeln Orientierung geben möchte?

Jürgen Stellpflug: Ich kann zu dem Verein nur wenig sagen, weil fast nichts über ihn bekannt ist. Die Vorsitzende heißt Monika Monegel. Sie ist vermutlich die Mutter von Oliver Scharfenberg, dem Geschäftsführer von SQC QualityCert. Unsere Nachfrage, ob Scharfenberg auch Mitglied im DIQP sei, beantwortete ein von DIQP/SQC QualityCert beauftragter Anwalt mit wüsten Drohungen. So reagieren unserer Erfahrung nach Menschen beziehungsweise Institutionen, die einschüchtern wollen, weil sie etwas zu verbergen haben.

Das Deutsche Institut für Qualitätssicherung und -prüfung (DIQP) gibt Siegel heraus, die Zertifizierungsgesellschaft SQC QualityCert liefert Analysen. Was hat Sie bei der Recherche am meisten überrascht?

Stellpflug: Am meisten überrascht haben mich die Professionalität und der gleichzeitige Dilettantismus sowie die Selbstüberschätzung des DIQP. Weniger überrascht war ich von dem kampfhaften Versuch, sich als seriös darzustellen. Schon auf der Startseite von diqp.eu wird ganz prominent darauf verwiesen, dass mehrere Label des DIQP von der Website label-online.de als „besonders empfehlenswert“ eingestuft worden sind. Die Seite wird von der Verbraucherinitiative verantwortet und vom Bundesverbraucherministerium gefördert.

Auf der Website label-online.de werden Siegel nach den Kriterien Anspruch, Unabhängigkeit, Kontrolle und Transparenz bewertet. Doch kann zum Beispiel von Transparenz beim DIQP keine Rede sein. So muss ein Unternehmen für das Siegel Top Arbeitgeber (sehr gut) 80 Prozent – wovon bleibt unklar – erreichen. In das Gesamturteil fließen die Ergebnisse der Befragungen der Mitarbeiter sowie der Personalabteilung zu jeweils 50 Prozent ein. Aber man erfährt auf diqp.eu weder das genaue Ergebnis der beiden Befragungen, noch das genaue Gesamtergebnis – hat ein Unternehmen also gerade 80 Prozent bekommen, 90 oder sogar 100.

Auch wird nicht gesagt, welche Parameter konkret eingeflossen sind und wie sie bewertet wurden. Zur Mitarbeiterbefragung heißt es, sie würden „unter anderem nach ihrer Gesamtzufriedenheit und der Bereitschaft befragt, Ihr Unternehmen als Arbeitgeber weiterzuempfehlen“. Unklar ist zudem, wie viele Mitarbeiter an der Befragung teilnehmen müssen, damit sie überhaupt gewertet wird. Das gleiche gilt für die Ergebnisse des Interviews mit der Personalabteilung. Daher haben wir label-online.de gebeten, seine Bewertung noch einmal zu überprüfen. Tatsächlich sind alle Bewertungen der Label des DIQP inzwischen gelöscht.

Für Selbstüberschätzung bis hin zum Größenwahn spricht, dass sich das DIQP auf eine Stufe mit dem DIN und dem RAL stellt. So schrieb uns Frau Monegel: „Das DIQP e.V. definiert in seinen Sitzungen Standards wie zum Beispiel der privatwirtschaftlich organisierte Verein DIN e.V. – Deutsches Institut für Normung. Das DIQP e.V. führt in der Regel einmal pro Jahr eine Sitzung durch, um seine Standards bei Bedarf anzupassen. Bei einer Standardentwicklung werden auch externe Unternehmen, Personen und zum Beispiel Vereine beteiligt. Damit ist es von Ablauf ähnlich wie bei anderen renommierten Standardsetzern wie RAL Deutsches Institut für Gütesicherung und Kennzeichnung e.V. Auch dieser Verein verfügt über eine Zertifizierungsgesellschaft.“

Die Label des DIQP nutzen Unternehmen aus allen Branchen und aller Größenordnung. Sie bezeichnen die Siegel als unseriös. Warum setzen Mittelständler auf solche Label?

Stellpflug: Unternehmen erhoffen sich und haben durch Label wie Top Arbeitgeber Vorteile bei der Suche nach raren Fachkräften. Die Vorteile überwiegend noch die Furcht und die Gefahr, durch die Nutzung von unseriösen Labeln selbst in Misskredit zu geraten. So haben wir mehr als hundert Nutzer der DIQP-Label über unsere Bewertung informiert, aber nur ein Unternehmen hat sich gemeldet und will das Label nicht mehr verwenden.

Besonders kritisch sind Sie beim Label „Händler des Jahres – Bestes Preis-Leistungsverhältnis“. Ihre Vermutung: „Das DIQP hat es möglicherweise speziell für Kaufland kreiert.“ Was heißt das und was sagt Kaufland zu diesem Vorwurf?

Stellpflug: Ganz zufällig haben wir gegen Ende unserer Recherche noch das Label „Händler des Jahres – Bestes Preis-Leistungsverhältnis“ entdeckt. Wir vermuten, dass es möglicherweise speziell für Kaufland kreiert wurde. Denn die anderen Unternehmen wie dm, Hornbach oder Lidl, die es ebenfalls nutzen könnten, sind nicht einmal in der „Testergebnisse“-Datenbank auf diqp.eu zu finden. Auch haben wir keinerlei Informationen zu den Kosten des Labels gefunden. Wir wollten von Kaufland unter anderem wissen, ob das Unternehmen das Label nutzt und wenn nein, warum nicht? Eine Antwort haben wir nicht bekommen.

Das Deutsche Institut für Qualitätssicherung und -prüfung (DIQP) wird von Monika Monegel geleitet. Was sagt sie zu den Vorwürfen? Wie waren die Gespräche mit Oliver Scharfenberg? Ihr Beitrag dazu steht seit geraumer Zeit online. Wie waren die Reaktionen?

Stellpflug: Wir konnten weder mit Frau Monegel noch mit den Scharfenberg sprechen. Sie haben unsere erste Anfrage zwar schriftlich beantwortet. Aber dann meldete sich ein von ihnen beauftragter Anwalt und forderte uns auf, nur noch mit ihm zu kommunizieren. Neben anderem Unsinn kündigte er sofort an, dass „für die Beauftragung unserer Kanzlei mit der außergerichtlichen Rechtsverfolgung anwaltliche Gebühren entstehen, die wir bereits jetzt dem Grunde nach gegen Sie anmelden“.

Reaktionen auf unsere Veröffentlichung gab es seitens des DIQP/SQC Qualitycert keine – obwohl wir die Siegel als unseriös, dubios, Verbrauchertäuschung und Irreführung bezeichnet haben, die Schreiben des Anwalts als wirr und irrlichtern.

Was sind Ihre Learnings in Bezug auf DIQP? 

Stellpflug: Unsere Recherche zu SQC QualityCert und DIQP bestätigt, dass mindestens 99 Prozent aller Label und Siegel verbrauchertäuschende Irreführung sind. Leider unterbinden die Überwachungsbehörden und die klageberechtigten Verbraucherverbände – Testwatch gehört nicht dazu – das nicht. Die rechtlichen Möglichkeiten dazu sind vorhanden.

So hat das Landgericht München der Zeitschrift „Focus“ in einem noch nicht rechtskräftigen Urteil (Az. 4 HK O 14545/21) die unseriöse Ärzteliste untersagt, in der angebliche Top-Mediziner gelistet waren.

Schon im Oktober 2020 hatte das Oberlandesgericht Köln der Seite test.net untersagt, „algorithmusbasierte Produktvergleiche als Tests zu bezeichnen, wenn Grundlage des Produktvergleichs nicht Tests zu jedem einzelnen der verglichenen Produkte sind“ (Az. 6 U 136/19). Zur Begründung schreibt das OLG, dass Verbraucher sowohl durch den Domainnamen test.net wie durch die Bezeichnung „Test“ irregeführt würden. Denn „der angesprochene Verbraucherkreis“ gehe davon aus, „dass die Produkte tatsächlich getestet“ wurden und erwarte von „einem Warentest nicht nur eine statistische Auswertung der publizierten Produktinformationen und des Verbraucherechos“, heißt es in der Urteilsbegründung.

21.08.2023
  • Drucken
Zur Startseite