Laut Statistischem Bundesamt (Destatis) sank das Bruttoinlandsprodukt im vergangenen Jahr um rund 0,3 Prozent. Für 2024 prognostiziert die Bundesregierung trotz Haushaltsstreit und internationaler Krisenfaktoren wie des Kriegs in der Ukraine ein Wachstum von 0,2 Prozent. Ökonomen des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) hingegen rechnen mit einem weiteren Rückgang von 0,5 Prozent. Als Reaktion auf dieses Konjunkturtief beschloss die Bundesregierung umfassende steuerliche Entlastungsmaßnahmen und neue gesetzliche Regelungen zur Förderung von Investitionen und nachhaltigen Unternehmenspraktiken. Entlastungspakete sollen Unternehmen neue Impulse geben und Deutschland als Wirtschaftsstandort stärken. Einige Maßnahmen fanden ohne größere Schwierigkeiten die Zustimmung von Bundestag und Bundesrat, wohingegen das heiß umkämpfte Wachstumschancengesetz erst nach einigem politischem Tauziehen finalisiert werden konnte.
Kontroverse um Entlastung und Finanzierung
Lange schieden sich am Wachstumschancengesetz die Geister. In der ursprünglichen Fassung vom Oktober 2023 umfasste die viel diskutierte Reform Subventionen von rund sieben Milliarden Euro. Unter anderem beinhaltete das Entlastungspaket die Einführung einer Investitionsprämie zur Transformation der Wirtschaft für mehr Klimaschutz, eine Freigrenze für Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung sowie diverse erhöhte Freibeträge. Insbesondere die Klimaschutz-Prämie stellte dabei einen Streitpunkt mit dem Bundesrat dar.
In der ersten Stellungnahme bemängelte die Ländervertretung, bei der Prüfung der organisatorischen und automationstechnischen Anforderungen einer solchen Prämie nicht einbezogen worden zu sein, obwohl sie durch die Finanzverwaltungen der Länder administriert werden sollte. Für die Gemeinden sei der resultierende Verwaltungsmehraufwand nicht zu rechtfertigen. Zudem kritisierte der Bundesrat die Verteilung der Finanzierungsverantwortung für die geplanten Entlastungsmaßnahmen, die zu zwei Dritteln den Ländern zugeschrieben wurde. Aufgrund der aktuell insgesamt angespannten finanziellen Situation stelle dies eine kaum tragbare Belastung für Unternehmen dar. Dennoch verabschiedete der Bundestag das Gesetz im November 2023 mit nur punktuellen Änderungen, woraufhin der Bundesrat seine Zustimmung verweigerte und das Wachstumschancengesetz an den Vermittlungsausschuss verwies.
Umstrittene Einigung beim Wachstumschancengesetz
Im Vermittlungsverfahren Ende Februar gelang es nach mehrstündiger Verhandlung, eine abgespeckte Kompromisslösung zu finden – trotz Ankündigung der Union, ihre Zustimmung zum Wachstumschancengesetz von der Fortführung der Subventionen für Agrardiesel abhängig zu machen. In dieser Hinsicht blieben die Fronten während der Bundesratssitzung am 22. März zwar weiterhin verhärtet, dennoch gelang es im zweiten Anlauf, eine Mehrheit für die geänderte Gesetzesversion zu erzielen.
Laut Einschätzung von Tanja Gönner, Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), beschränkt der Wegfall von gut der Hälfte der ursprünglich geplanten Entlastungsmaßnahmen das Gesetz nun deutlich in seiner Effektivität, dennoch können die übrig gebliebenen Investitionsanreize positive Impulse für die deutsche Wirtschaft geben. In dem circa drei Milliarden Euro umfassenden Paket entfällt zwar der Streitpunkt Klimaschutz-Investitionsprämie komplett. Weiterhin enthalten bleibt aber die Einführung einer degressiven Abschreibung in Höhe von fünf Prozent auf Wohngebäude zum einen und begrenzt auf einen Zeitraum von neun Monaten auf bewegliche Wirtschaftsgüter zum anderen. Darüber hinaus sieht das Gesetz eine auf vier Jahre befristete Anhebung des Verlustvortrags auf 70 Prozent vor. Zudem finden eine Ausweitung der steuerlichen Forschungsförderung sowie ein Abbau bürokratischer Hürden statt.
Aufschwung für Gründer und KMU
Neben dem Wachstumschancengesetz gibt es für Unternehmerinnen und Unternehmer weitere steuerliche Lichtblicke. Allen voran durch das Zukunftsfinanzierungsgesetz. Seit Anfang 2024 sorgt das Gesetz für umfangreiche Erleichterungen, insbesondere für Start-ups sowie kleine und mittelständische Unternehmen (KMU). Es erhöht sich nicht nur der Freibetrag für Mitarbeiterkapitalbeteiligungen auf 2.000 Euro, unter bestimmten Umständen ermöglicht die Neuregelung auch den Aufschub der Besteuerung solcher Beteiligungen um bis zu 15 Jahre. Dies gilt für Unternehmen, die einen Jahresumsatz von maximal 100 Millionen Euro, eine Jahresbilanzsumme von höchstens 86 Millionen Euro, weniger als 1.000 Mitarbeitende und eine Unternehmensgeschichte von nicht mehr als 20 Jahren aufweisen. Dadurch können Beschäftigte nicht nur an Erfolgen teilhaben, ohne von der Dry-Income-Problematik betroffen zu sein, Unternehmen stärken so zusätzlich ihre Wettbewerbsposition.
Gleichzeitig erhöht das ebenfalls seit Jahresanfang gültige Inflationsausgleichsgesetz den Grundfreibetrag um etwa sechs Prozent auf 11.604 Euro und passt die Einkommensgrenze für den Spitzensteuersatz an, wodurch dieser erst ab einem jährlichen Einkommen von 66.761 Euro greift. Diese Maßnahmen wirken der kalten Progression entgegen und entlasten KMU zusätzlich, da die Einkommensteuer für sie die zentrale Unternehmensteuer darstellt. Kleinstunternehmer, deren zu versteuerndes Einkommen nach Abzug aller anderen Freibeträge und Sonderausgaben unterhalb des neuen Grundfreibetrags liegt, zahlen somit gar keine Einkommensteuer.