Standortwahl

So gelingt die Werksverlagerung für produzierende Unternehmen

Weg von Deutschland, hin nach – ja, wohin zieht es produzierende Unternehmen, die einen Standort für eine Werksverlagerung suchen? Und was leistet eine Multifaktorenanalyse bei der Wahl einer neuen Niederlassung? Das erklären Martin Hammer und Christian Zeller von Enomyc.

Werksverlagerung: Eine Illustration eines Mannes, welcher umgeben von Hochhäusern steht.

13.08.2024

 

DUP UNTERNEHMER-Magazin: Wie blickt der Mittelstand auf den Wirtschaftsstandort Deutschland?

Martin Hammer: Die Bedingungen sind unattraktiv, die Faktorkosten stark gestiegen. Hinzu kommen überbordende Bürokratie, Umweltauflagen und lange Genehmigungsprozesse. Das führt zu einem massiven Investitionsrückgang und nachgelagert zum Abbau von Arbeitsplätzen. Christian Zeller: Die Veränderung der Rahmenbedingungen lassen Unternehmen laufend ihre Standort- und Produktionsnetzwerkstrukturen überprüfen. Oft sind damit Verlagerungen verbunden. Und die gestalten sich, je nach Industrie, sehr komplex.

Welche Länder liegen bei der Standortsuche verstärkt im Trend?

Hammer: Viele Unternehmen zieht es in die USA, aber auch Vietnam und Thailand punkten zum Beispiel gegenüber Südkorea mit deutlich geringeren Arbeits- und Lohnstückkosten. Auch das hoch entwickelte demokratische Indonesien gilt in Asien zunehmend als eine gute Alternative zu China. Zeller: Im Kontext der Ukrainekrise – Stichwort Nato-Schutzschirm – liegen auch nach wie vor ost- und südosteuropäische Länder wie die Türkei, Rumänien oder Bulgarien im Trend. Außerhalb Europas ist es der nordafrikanische Raum, etwa Ägypten und Tunesien. Wir suchen aktuell Standorte für deutsche und westeuropäische Unternehmen innerhalb von ganz EMEA. Hammer: Teilweise wird aus Polen nach Marokko verlagert – von einem günstigen zu einem noch günstigeren Standort.

Welche Kriterien priorisieren Sie bei der Standortsuche?

Zeller: Es gibt keine Pauschallösung. Eine Standortsuche und -bewertung ist sehr komplex, es handelt sich ja immer um langfristige Investitionsentscheidungen und bedarf einer umfangreichen Multifaktorenanalyse. Arbeits- und Lohnstückkosten sind ein Kriterium. Logistische Anbindung und Nähe zu den relevantesten Märkten können weitere Kriterien sein. Hinzu kommen politische Stabilität, geopolitische Sicherheitsaspekte und – sehr wichtig – eine verlässliche Verfügbarkeit von Ressourcen. Befinden sich große Weltkonzerne mit Werken in der Zielregion, treibt dies oft die Arbeitskosten und verringert die Verfügbarkeit von gut ausgebildeten Fachkräften. Dies hat man sehr gut an der Entwicklung etwa um Breslau oder Bratislava gesehen. Hammer: Es sind zahlreiche Einzelfaktoren, die allesamt unterschiedlich zu gewichten sind. Die entsprechenden Möglichkeiten ergeben sich erst nach einer sehr gründlichen Überprüfung des weltweiten Standort- und Produktionsnetzwerks. Oft gibt es gerade in größeren Ländern wie zum Beispiel Polen auch starke regionale Unterschiede in Hinblick auf Arbeitskosten und Arbeitskräfteverfügbarkeit, aber auch bezüglich Subventions- und Förderungsmöglichkeiten. Zeller: Daher binden wir bei der Standortsuche versierte lokale Experten aus unserem Netzwerk von Enomyc ein, aber auch regional ansässige Partner wie die lokalen IHKs und andere Organisationen zur Wirtschaftsförderung.

Wozu raten Sie zu Beginn einer Standortsuche?

Zeller: Zu einer frühzeitigen Einbindung wesentlicher Stakeholder und Priorisierung der Entscheidungskriterien mit den einzubeziehenden Gremien, beispielsweise dem Aufsichtsrat oder Beirat. Bei einer so großen Maßnahme ist es überaus wichtig, schon am Anfang einen möglichen Konsenskorridor zu definieren. Das kann den Prozess enorm beschleunigen und viel Zeit und Geld sparen.