In Kürze:
- Tech-Unternehmen können mit einfachen Schritten ihre CO2-Bilanz verbessern.
- Investoren bevorzugen Unternehmen mit einer transparenten Nachhaltigkeitsstrategie.
- Nachhaltigkeit und Purpose sind wichtige Faktoren, um Talente zu gewinnen und zu halten.
Aus Sicht von Klimaschützern hat die Wirtschaft ein großes Problem: die „Awareness to Action Gap“. Es wird zu viel geredet und zu wenig gehandelt. Oder wie Greta Thunberg die Ergebnisse der Klimakonferenz von Glasgow zusammenfasste: „Alles nur bla, bla, bla.“
Um diese Lücke zumindest für den Bereich der jungen Tech-Unternehmen zu schließen, hat sich das Netzwerk „Leaders for Climate Action“ gegründet, dem heute mehr als 1600 Start-ups angehören. Das Ziel: Die Treibhausgasemissionen jedes Jahr um 20 Prozent reduzieren. „Wir erwarten von unseren Mitgliedern ein klares Bekenntnis zur Reduktion“, sagt Philippe Singer. Der Managing Director und Co-Founder der gemeinnützigen Organisation erklärt im Videocast „CEO-TALK: #WePowerment“, mit welchen Schritten Tech-Firmen umweltfreundlicher werden können. Drei Dinge könne jedes Unternehmen ohne großen Aufwand umsetzen:
- Erneuerbare Energien nutzen
- Geschäftsreisen reduzieren, auf Flugreisen verzichten
- Auf grüne Rechenzentren umsteigen
„Bei digitalen Unternehmen sind die Emissionen überschaubar. Wer diese drei Hausaufgaben erledigt hat, ist bereits einen großen Schritt weiter“, sagt Singer. Das Engagement sollte aber noch weitreichender sein – beispielsweise, indem Unternehmer einen positiven Einfluss auf Geschäftspartner, Investoren und Endkunden ausüben.
Wettbewerbsfähigkeit steht auf dem Spiel
Doch auch andersherum wird ein Schuh daraus: „Die Gesellschaft fordert von den Unternehmen sehr vehement eine aufrichtige und transparente Auseinandersetzung mit dem Thema Nachhaltigkeit“, sagt Fabian Kienbaum, Co-CEO der Beratung Kienbaum Consultants International. Wer das unterschätzt, laufe Gefahr an Wettbewerbsfähigkeit einzubüßen oder perspektivisch keine Relevanz mehr zu besitzen.
Dass auch der Kapitalmarkt nachhaltige Unternehmen präferiert, ist längst kein Geheimnis mehr. Immer mehr institutionelle und private Anleger wollen ihr Geld ökologisch und ökonomisch sinnvoll investieren. „Das ist ein echter Hebel für den Umbau der Wirtschaft in eine nachhaltige Zukunft“, sagt Prof. Dr. Esin Bozyazi, Professorin für Sustainable Entrepreneurship an der IU (International University Applied Sciences). Doch noch mangelt es an einheitlichen Regeln für die Klassifizierung von nachhaltigen Kapitalanlagen. Auf EU-Ebene wird darum gerungen, ob die sogenannte Taxonomie auch Atomkraft und Gas als nachhaltig anerkennt. Auch bei nicht-börsennotierten Unternehmen sind Standards momentan Mangelware.
Kapital für Klimaschutz
Die Initiative „Leaders for Climate Action“ ist auf Venture-Capital-Fonds zugegangen und hat sich dafür eigesetzt, dass sie eine Nachhaltigkeit-Klausel in ihre Verträge aufnehmen. Start-ups, die Kapital von ihnen bekommen wollen, müssen ihren CO2-Ausstoß messen und reduzieren. „25 der 35 größten Venture-Capital-Fonds in Deutschland machen mit“, sagt Singer. Doch Nachhaltigkeit allein reicht nicht, um Investoren zu überzeugen. „Ein nachhaltig aufgestelltes Start-up hat es einfacher, auf dem Kapitalmarkt an Geld zu kommen. Aber nur, wenn auch die harten Geschäftszahlen stimmen“, erklärt Singer.
Auch auf einem weiteren Gebiet haben es nachhaltige Unternehmen nach Ansicht der Experten leichter: dem Arbeitsmarkt. „Für die Unternehmen geht es nicht mehr nur darum, Kunden und Geschäftspartner mit ihrer Nachhaltigkeitsstrategie zu überzeugen, sondern auch darum, welche Menschen sie damit für ihre Organisation gewinnen wollen“, sagt Kienbaum. „Insbesondere in der Tech- und Start-up-Szene ist der Purpose extrem wichtig, weil dort in der Regel geringere Löhne als in großen Konzernen gezahlt werden“, ergänzt Singer.
Purpose oder Nachhaltigkeit? Beides!
Mit dem „Purpose“ ist der Sinn der Arbeit gemeint. Denn im besten Fall soll die Arbeit nicht nur Geld bringen, sondern ein höheres Ziel verfolgen. „Die Themen Nachhaltigkeit und Purpose werden in Unternehmen in einem engen Zusammenhang verstanden und sind ganz entscheidend für das Employer Branding“, sagt Wissenschaftlerin Bozyazi. So hat eine Umfrage des Karrierenetzwerks Xing ergeben, dass insbesondere jüngeren Menschen der Sinn bei einem Job oftmals wichtiger ist als die Bezahlung.
Doch diese Sinnsuche ist für Unternehmen nicht immer einfach. „Die Gefahr besteht darin, aus Marketinggesichtspunkten Versprechen zu machen, die in der Praxis nicht eingehalten werden können“, warnt Kienbaum. Als positives Beispiel nennt der Leadership-Experte den Mittelständler Viessmann. Mit dem Purpose „Creating living spaces for generations to come“ habe sich das Unternehmen vom Produkthersteller zum Lösungsanbieter gewandelt und es unterstreiche zugleich die langfristige und nachhaltige Ausrichtung. „Der Purpose ist wie eine Zwiebel, deren Inneres man oft erst wieder freilegen muss“, erklärt Kienbaum. „Aber er kann enorme Kraft freisetzen in Bezug auf die Mitarbeiterzufriedenheit, Kundenbindung, Innovationskraft und die Umsetzung der digitalen Transformation.“