Eine Satellitenaufnahme der Erde.
10.11.2021    Arne Gottschalck
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Es sei das „Greenwashing-Festival des globalen Nordens“ und nichts als „Blabla“, grollte Greta Thunberg über die bisherigen Ergebnisse des Klimaggipfels in Glasgow. Doch ganz so einfach ist es nicht, findet Jan Rabe von Metzler Asset Management. Immerhin hat sich einiges bewegt. Doch die Zeit wird knapp.

Zur Person

Jan Rabe von Metzler Asset Management

Jan Rabe

ist Co-Head Sustainable Investment Office von Metzler Asset Management. Zuvor hat Rabe im ESG-Research der Deutschen Bank gearbeitet.

Was ist Ihr Urteil über die Klimakonferenz COP26: Stimmen Richtung und Tempo?

Jan Rabe: Zur Erinnerung: Was soll erreicht werden? Im Rahmen des Pariser Klimaabkommens aus dem Jahr 2015 soll die durchschnittliche globale Erwärmung im Mittel auf 1,5 Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Niveau von 1850 bis 1900 begrenzt werden. Wir liegen bereits bei einem Anstieg von 1,2 Grad Celsius. Ändert sich nichts an den politischen Zielsetzungen, steuern wir laut dem Climate Action Tracker auf ein 2,5-2,9-Grad-Celsius-Szenario zu. Es ist also höchste Zeit zu handeln. Aber zu Ihrer Frage: Bislang zeichnet sich entlang der Verlautbarungen der 26. Weltklimakonferenz ein positiver Fortschritt ab. Allerdings sind das Tempo sowie die Durchschlagskraft der Versprechen als eher enttäuschend einzustufen.

Können Sie uns Beispiele nennen?

Rabe: Sicher. Nehmen wir die Abkehr von der Kohleverstromung: 18 weitere Staaten – unter anderem Polen, Vietnam und Chile – bekennen sich zur Abkehr von der Kohleverstromung. Enttäuschend ist jedoch: Einige der größten kohleabhängigen Volkswirtschaften der Welt, darunter Australien, China, Indien und die USA, fehlten bei dem Abkommen. Auch dürften die Fristen für den Ausstieg, die die Länder unterzeichnet haben, nicht ausreichen, um Treibhausgasemissionen in dem Maß zu begrenzen, wie es für das Erreichen des 1,5-Grad-Celsius-Zieles erforderlich wäre.

Oder ein anderes Beispiel, die Reduzierung der Methanemissionen. Eine Staatengemeinschaft aus bislang 53 Nationen, die in etwa für die Hälfte des ausgestoßenen Methans weltweit verantwortlich ist, verpflichtet sich, diese bis 2030 gegenüber dem 2020er-Niveau um bis zu 30 Prozent zu reduzieren. Methan ist eines der stärksten Treibhausgase: Laut UN-Umweltprogramm macht es 20 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen aus. Es ist 80 Mal klimaschädlicher als Kohlenstoffdioxid (CO2) und für 30 Prozent der globalen Erwärmung seit dem vorindustriellen Niveau verantwortlich. Die Berechnungen des Climate Analytics Institut zeigen, dass eine 30-prozentige Reduktion der Methanemissionen die globale Erwärmung bis zum Ende dieses Jahrzehntes um schätzungsweise 0,2 Grad Celsius verringern könnte – ein positiver aber marginaler Effekt.

Zu wenig, zu spät?

Rabe: Bei einem durchschnittlichen Ausstoß von CO2-Emissionen durch das Verbrennen fossiler Energieträger in Höhe von 42,2 Gigatonnen pro Jahr bleiben uns knapp acht Jahre, bis das CO2-Budget aufgebraucht sein wird, dass bei Überschreiten das Erreichen des 1,5 Grad Celsius Zieles höchst unwahrscheinlich macht, rechnet das Mercator Research Institut aus Berlin vor.

Wird das Einfluss haben auf die Nachfrage nach nachhaltigen Investments?

Rabe: Wir glauben, dass das die Nachfrage nach nachhaltigen Investments stärken und nicht schwächen wird. Finanzmarktakteure sind sich weitestgehend einig, wenn es darum geht Klimarisiken bei der Kapitalanlage zu berücksichtigen. Beispielsweise sind wir am 1. November der Net Zero Asset Manager Initiative beigetreten, die derzeit für ein gemeinsam verwaltetes Vermögen in Höhe von 57 Billionen US-Dollar steht. So tragen wir zum Erreichen des Ziels von Netto-Null-Treibhausgasemissionen bis 2050 bei, indem wir entsprechende Anlageprodukte entwickeln und Investitionen in Klimaschutztechnologien und -lösungen fördern.

Innerhalb der nachhaltigen Kapitalanlage sollte das Berücksichtigen von Chancen und Risiken, die mit dem Klimawandel einhergehen, an Einfluss gewinnen. Beispielsweise lassen sich Treibhausgasfußabdrücke von Unternehmen, in die wir investieren, in Erwärmungspotenziale übersetzen, mithilfe derer sich die Konformität gegenüber den Zielen aus dem Pariser Klimaabkommen überprüfen lässt.

Gibt es Hausaufgaben für die Finanzindustrie – etwa nur noch nachhaltige Investments anzubieten?

Rabe: Die größten Herausforderungen sehen wir vor dem Hintergrund des Klimawandels innerhalb des Finanzmarktes in drei Bereichen: Das sind die kreditgebenden Banken. Kreditbücher müssen nach wie vor nicht transparent darstellen, welche Klimarisiken von Ihnen ausgehen. Insbesondere bei börsennotierten Banken sind Anleger aber auf ein hohes Maß an Transparenz angewiesen, um Risiken adäquat bewerten zu können.

Zweitens die Kapitalgesellschaften im Allgemeinen: Obwohl börsennotierte Unternehmen schon viele Fortschritte im Bereich der Nachhaltigkeitsberichterstattung gemacht haben, muss weiter konsequent an der Verfügbarkeit sowie der Qualität der veröffentlichten Daten gearbeitet werden. So berichten lediglich 20 Prozent der Unternehmen innerhalb des globalen Aktienuniversums (MSCI All Country World Index) ihre Scope 3 CO2-Emissionen – Schätzungen von MSCI zu Folge machen aber genau diese Scope 3 CO2-Emissionen etwa 80 Prozent aller Kohlenstoffdioxid-Emissionen in dem Index aus.

Und die Assetmanager, also die Fondsanbieter?

Rabe: Wir hoffen, dass sich weitere Plattformen der Net Zero Asset Manager Initiative anschließen werden, um so zum Erreichen des 1,5-Grad-Celsius-Zieles beizutragen.

Unter dem Strich bedeutet das: Die Kapitalanlage nachhaltig auszurichten schränkt zwar ein, doch ist der damit verbundene ökonomische Effekt für ein Portfolio positiv zu bewerten – dies haben wir bereits in mehreren Studien gezeigt. Rückblickend stärkte beispielsweise das Meiden schwacher ESG-Profile, das Meiden von Titeln, die wiederholt negativ durch kontroverse Geschäftspraktiken auffielen oder aber das Berücksichtigen von Klimarisiken und -chancen die Rendite-Risiko-Profile von Aktienportfolios.

Grün ist also das neue Normal?

Rabe: Es sollte daher keinen Unterschied zwischen konventionellen und als nachhaltig deklarierte Finanzprodukten geben. Ist man vom ökonomischen Vorteil der nachhaltigen Kapitalanlage überzeugt, kann es nur einen Standard geben. All unsere diskretionär verwalteten Anlagestrategien tragen daher das Schlagwort „Sustainability“ im Namen – ein Zeichen dafür, dass das Berücksichtigen finanziell-materieller Nachhaltigkeitsaspekte fester Bestandteil der Anlageprozesse ist.

10.11.2021    Arne Gottschalck
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