introvertiert sein und Karriere machen – geht das?
29.03.2022    Andreas Busch
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Zur Person

Ricarda Colditz

Ricarda Colditz

ist seit 2012 als Übersetzerin selbstständig. 2021 gründete sie einen Verlag, um Bücher für Introvertierte zu verlegen

Sie verlegen das Buch „Der Pfad der Introvertierten zum Networking – Authentisch und mit System zum Businesserfolg“ des US-Unternehmers Matthew Pollard. Woraus resultiert Ihr Interesse an diesem Thema?

Ricarda Colditz: Das Buch war der Grund dafür, dass ich überhaupt erst meinen Verlag gegründet habe. Ich war bereits seit zehn Jahren selbstständig als Übersetzerin für Englisch und Deutsch. Das hat mich nur bedingt erfüllt. Ich hatte das Gefühl, dass ich noch etwas Bedeutungsvolleres im Leben bewirken möchte. Aber ich bin selbst sehr introvertiert und gerade Netzwerken fiel mir immer sehr schwer.

Als mir dann das Manuskript des Originals noch vor der Veröffentlichung in die Hände fiel, war ich sofort Feuer und Flamme und wusste, dass das Buch in einer deutschen Übersetzung vielen Introvertierten helfen würde. Und so habe ich meine Liebe zur englischen Sprache, meine Liebe zu Büchern und das Thema Introvertiertheit kombiniert und im vergangenen Jahr einen Verlag gegründet. Aktuell übersetze ich das nächste Buch: „Der Pfad der Introvertierten zum Verkaufen“ von Matthew Pollard.

Wie können Mitarbeitende oder Selbstständige feststellen ob und wie introvertiert sie sind?

Colditz: Introvertiertheit ist nur eine Facette unserer Persönlichkeit. Es gibt im Internet zahlreiche Persönlichkeitstests. Darin finden sich einige typische Fragen, anhand derer man herausfindet, ob man eher introvertiert, ambivertiert oder extrovertiert veranlagt ist. Wie tankt man Energiereserven wieder auf – in der Gruppe oder allein? Arbeitet man lieber für sich allein an einem Projekt oder freut man sich auf das gemeinsame Brainstorming? Gerade im unternehmerischen Umfeld werden immer häufiger sogenannte DiSG-Persönlichkeitstests durchgeführt, die auch das Verhalten im Team oder Vorgesetzten gegenüber beleuchten. Introvertierte können situativ auch mal extrovertiert auftreten, aber dauerhaft laugt das aus und macht unglücklich.

Buchtipp:

„Der Pfad der Introvertierten zum Networking – Authentisch und mit System zum Businesserfolg“

Verlag Colditz, 240 Seiten, 28 Euro

Cover eines Buchs von Matthew Pollard

Welche Charaktereigenschaften hindern Introvertierte am Erfolg?

Colditz: Introvertierte denken oft geringer von sich selbst und wollen sich gar nicht so in den Mittelpunkt rücken. Deshalb wird ihnen mitunter von anderen weniger zugetraut. Auch denken sie länger nach, bis sie etwas sagen. Bei Besprechungen sind da die schnelleren Extrovertierten schon mal im Vorteil. Außerdem ist in der westlich geprägten Welt Extrovertiertheit oft höher angesehen. Man muss nur mal die Synonyme für introvertiert und extrovertiert nachschlagen. Während stille Menschen als kontaktscheu, ungesellig und spröde bezeichnet werden, werden Extrovertierte gleichgesetzt mit kontaktfreudig und aufgeschlossen.

Es gibt kaum eine Stellenanzeige, die nicht die hochgelobte Teamfähigkeit fordert. Viele Introvertierte hassen Small Talk und andere oberflächliche Gespräche; sie können oft nicht so spontan reagieren oder die eigene Leistung anpreisen. Deshalb sind auch Netzwerkveranstaltungen für sie ein Graus. Genau da setzt das Buch „Der Pfad der Introvertierten zum Networking“ von Matthew Pollard an.

Können sich Introvertierte nicht ändern?

Colditz: Dieser Charakterzug ist zu einem Großteil genetisch bedingt, aber auch durch Erziehung und Umfeld geprägt. Man kann sich nicht völlig umkrempeln, aber seine Stärken bewusster einsetzen – etwa mehr Empathie zeigen, gut zuhören. Übrigens schreibt Matthew Pollard dazu: „Der Weg zum Erfolg sieht für Introvertierte nicht so aus wie der für Extrovertierte. Wir sind anders, und das müssen wir als Vorteil nutzen.“ Introvertiert zu sein ist also nichts Falsches, was korrigiert werden müsste. Im Gegenteil: Es bedeutet auch bestimmte Stärken zu haben.

Welche Maßnahmen können helfen, trotz Introvertiertheit Erfolg zu haben und womöglich auch Führungspositionen übernehmen zu können?

Colditz: Zunächst einmal sollte man sich mit seiner Persönlichkeitsstruktur beschäftigen und sich bestimmte Dinge bewusst machen. Gerade für Selbstständige ist auch eine klare Positionierung, etwa in einer Nische, wichtig. Bestimmte Small-Talk-Themen und eigene Stories können eingeübt werden. Im Buch werden ganz konkrete Schritte benannt, die man auf sein eigenes Business übertragen kann. Matthew Pollard erklärt sie anhand von Stories introvertierter Geschäftsleute; viele von ihnen sind in Leitungspositionen oder führen ihr eigenes Unternehmen.

29.03.2022    Andreas Busch
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