Elektromobilität

E-Autos aus China auf dem Vormarsch

Achtung, die Chinesen(-Autos) kommen! Das Reich der Mitte strebt auch in puncto Mobilität an die Spitze – in der Volksrepublik selbst sowieso. Nun aber wollen die Asiaten, nach mehreren gescheiterten Versuchen, endlich auch in Europa Fuß fassen. Immer mehr Marken und Modelle drängen verstärkt auf das wohl heißeste Pflaster der Auto-Welt: nach Deutschland.

20.06.2023

Smarte Strategie, nachhaltige Maßnahmen, fortschrittliche Technik, langer Atem und schier unendliche Ressourcen – „made in China“ ist auf dem Vormarsch. Im Allgemeinen und im Besonderen in Sachen Mobilität. Vor allem aber in puncto E-Autos.

Gerade bei elek­trifizierten Fahrzeugen (BEV) scheint die Volksrepublik den Vorsprung der etablierten und zum Teil träge oder zumindest schwerfällig gewordenen Auto-Natio­nen zu pulverisieren. Das trifft ganz besonders auch auf die einst so dominanten deutschen Hersteller zu. Im Reich der Mitte sehen gerade Audi, BMW, Mercedes und VW bei den Zulassungen nur noch die Rück­lichter und verzeichnen herbe Rückschläge – zum Teil im zweistelligen Bereich. Weit vorn liegen dagegen chinesische Marken und Modelle, vor allem bei den Stromern.

Mehr als 20 neue Marken auf dem europäischen Markt

Die Spitzenposition in der Heimat festigen und dabei den globalen Automarkt fest im Blick haben: Nach dieser Devise gehen die Chinesen auf Eroberungszug und genehmigen sich immer größere Stücke aus dem reichhaltigen Neuwagenkuchen.

Die Offensive ist in der Geschichte der Autoindustrie bisher beispiellos. In Südostasien, Lateinamerika und Afrika nehmen die Chinesen bereits Spitzenpositionen ein, und auch die Erfolge hierzulande sind bemerkenswert. Damit aber noch nicht genug: Mehr als 20 neue oder noch nicht in Europa vertretene Marken drängen auf die hiesigen Märkte.

Und auch bei den bisherigen Exportzahlen dürfte europäischen Auto-Managern angst und bange werden. Laut dem chinesischen Automobilverband CAAM sollen sich die Auto-Exporte seit 2020 auf rund 2,5 Millionen Einheiten jährlich verdreifacht haben. Mit diesen imponierenden Zahlen sitzen die Newcomer aus Ostasien den gesetzten Autobauern bereits mäch­tig im Nacken. Nur noch Japan mit etwa drei Millionen und Deutschland mit 2,61 Millionen ausgeführten Pkw im Jahr 2022 liegen vor den Chinesen. Und der Vorsprung schmilzt kontinuierlich.

Ein blaues E-SUV (Modell BYD Atto 3) parkt vor einem Haus mit Klinkerfassade
Neuheit: Das E-SUV BYD Atto 3 ist seit Kurzem in Deutschland zu haben

Uneinholbarer Vorsprung

Dabei spielen die Transformation und Digitalisierung der Branche den Chinesen in die Karten. Das zeigen auch die Zulassungszahlen des ersten Quartals 2023.

Im heimischen Markt verzeichnen ansässige Labels einen Anteil von satten 53 Prozent – ein Plus von 5,5 Prozent. Mit weitem Abstand auf Platz zwei folgen die deutschen Hersteller mit 19,1 Prozent. Das Ver­kaufsminus beträgt bei ihnen 8,9 Prozent. An dritter Stelle liegen die Japaner mit einem Marktanteil von nur noch 15,9 Prozent und einem Rückgang von erschre­ckenden 31,9 Prozent.

Gleichwohl: Noch ist Deutschland nicht verloren. Zwar können chinesische Modelle, insbesondere E-Autos, inzwischen in puncto Technik und Design mit etablierten Marken mithalten, in Sachen Batterie und Reichweite sowieso. Dennoch gehören zum Erfolg auch viele weitere Faktoren. Und da tun sich die Hersteller aus der Volksrepublik noch recht schwer.

Bekanntheit und Vertrieb sind Schwachstellen

Aus dem Dreiklang Marketing, PR und Bekanntheit muss sich für die Neuheiten aus Fernost hierzulande erst einmal so etwas wie Neugierde, Interesse und Repu­tation entwickeln. Ist die Nachfrage dann da, benöti­gen sie, und dies ist der wichtigste Punkt, eine funktionierende Vertriebsstrategie. Da reichen stylische Showrooms an markanten Orten in den großen Met­ropolen allein nicht aus.

Potenzielle Käufer wollen nach wie vor, trotz zunehmender Digitalkompetenz und abseits von hübsch aufgemachten Websites samt Online­-Konfigurator, eine individuelle Beratung und mindestens eine persönliche Probefahrt. Auf die Schnelle lassen sich jedoch geeignete Standorte und ein leistungsfähiges Händlernetz nicht aus dem Boden stampfen. Deshalb kooperieren die neuen China­-Au­tomarken zumeist mit erfahrenen und weit verzweig­ten Autohandels­- und Serviceorganisationen, zum Beispiel dem Schweizer Großimporteur Emil Frey oder der Dello­-Gruppe mit Hauptsitz in Hamburg.

Paar am Strand mit Auto (GWM ORA Funky Cat) im Hintergrund
Funky, funky: Seit Februar ist das chinesische Elektro-Kätzchen Ora Funky Cat erhältlich

Welche chinesischen Hersteller sind hierzulande bereits aktiv?

Quasi einen offiziellen Ritterschlag gab es am Anfang des vergangenen Jahres, als das Kraftfahrtbundesamt erstmals auch chinesische Hersteller in seiner Zulassungsstatistik aufführte. Die Basispreise (vor Förderung) mit einer Spanne zwischen etwa 23.000 und 75.000 Euro liegen zum Teil merklich unter denen der internationalen und vor allem deutschen Wettbe­werber.

Welche Marken und Modellen sind aber denn nun hierzulande bereits vertreten oder wol­len demnächst auf den Markt kommen? Ohne An­spruch auf Vollständigkeit seien einige der bekann­testen kurz vorgestellt.

Da wäre zum Beispiel der aktuell weltgrößte Hersteller von E-Autos aus Shenzhen: BYD. Hinter dem Kürzel verbirgt sich die vielversprechende Botschaft „Build your Dreams“. BYD ist seit Herbst 2022 mit dem kompakten E­-SUV Atto 3, der Elektro­-Li­mousine Han sowie dem E­-Crossover Tang hierzu­lande vertreten ist.

Geely wiederum bedient sich einer zweigleisigen Eroberungsstrategie. Der Autokonzern aus Hangzhou verschafft sich über den Zukauf von etablierten Marken wie Volvo und dem inzwischen selbstständigen Elektrolabel Polestar, dem Sportwagenbauer Lotus sowie der pleitegegangenen Taxi­-Ikone London Cab, die jetzt LEVC heißt, Zugang.

Hinzu gesellen sich eigene Mar­ken wie zum Beispiel Lynk & Co mit sogenannten Clubs in Berlin, Hamburg und München. Aiways aus Schanghai dagegen versucht den Vertrieb seiner beiden Elektro­-SUVs U5 und U6 über die Elektronikkette Euronics und hat mit dem Werkstattverbund ATU einen Servicevertrag abgeschlossen.

Ein Niro ET5 in gold-gelb während der Fahrt
Schnittig: Seit Ende März wird der agile Nio ET5 ausgeliefert

Steigendes Angebot an E-Autos aus China

Die einst weltberühmte Morris Garage, kurz MG, wurde 2005 von der britischen MG Rover Group an SAIC verkauft. Der Konzern aus Schanghai ist der größte Autobauer in der Volksrepublik. Mit VW gibt es sogar ein Joint Venture. MG erzielt in Deutschland über lokale Händler mit seinen Elektromodellen MG4, MG5, ZS EV und Marvel R bereits vierstellige Zulas­sungszahlen.

Auch der Transporter­-Hersteller Maxus gehört zu SAIC und arbeitet mit konventionellem Vertrieb.

Ein weiteres Hersteller­-Schwergewicht ist Great Wall Motor. Die Marken Ora und Wey sind seit Ende 2022 in Deutschland zu haben. Verkauf und Service der E-Autos mit den putzigen Namen Funky Cat und Coffee 01 laufen über die Emil­-Frey­-Gruppe.

Ebenfalls seit Ende des vergangenen Jahres ist Nio in der Bundesrepublik vertreten. Der Hersteller aus Schanghai unterhält Showrooms in den Großstädten und hat bereits diverse Batteriewechselstationen in Vorbereitung. Nio setzt bei seinen E­-Autos auf Komfort und Premium­-Ambiente. Entsprechend hochpreisig fahren die Modelle EL7, ET5 und ET7 vor. Für die Basismodelle müssen mindestens rund 51.000 beziehungsweise 74.000 Euro (Batteriekauf exklusive) auf den Tisch gelegt werden.

In den Startlöchern steht unter anderem Geelys Vorzeigemarke Zeekr. Noch in diesem Jahr soll das durchaus ansehnliche Crossover 001 ans hiesige Netz gehen. Das Elektro­-Coupé gilt auch als Technikträger mit einem 100­-kWh­-Akku, der laut Hersteller bis zu 700 Kilometer Reichweite ermöglichen soll. Das Top­-Modell soll sogar bis zu 1.000 Kilometer weit kommen. Da wird es dann selbst für Verbrenner eng.