Private Altersvorsorge

Wie die Riester-Rente noch zu retten ist

Die Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank und die allgemeine Stimmungslage bremsen die Lust der Bundesbürger auf Riester-Produkte aus. Erste Großanbieter haben bereits abgewunken und wollen nur noch das Bestandsgeschäft fortführen. Neukunden, nein danke? Dabei ließe sich Riester 2.0 recht einfach aus der Taufe heben.

26.07.2021

In Kürze:

  • Die Riester-Vorsorge braucht eine Überarbeitung.
  • Die Politik schiebt eine Reform schon seit Jahren vor sich her.
  • Der Umbau ist keine komplexe Operation – und Lösungsansätze liegen längst auf dem Tisch.

Im September wird gewählt. Mitentschieden wird damit auch, wie es mit der Altersvorsorge weitergeht. Nicht nur mit Blick auf die gesetzliche Rente, bei der immer wieder der Ruf nach Reformen laut wird, sondern auch mit Blick auf die Riester-Rente. Immerhin rund 16 Millionen Verträge gibt es in Deutschland – riestern ist daher beileibe kein Nischenphänomen. Doch in der Finanzbranche mehren sich die Alarmsignale.

Anbieter wie die DWS, Union Investment oder die Allianz haben sich vom Neugeschäft verabschiedet. Dabei war „Riester“ angetreten, um mit staatlich geförderter Altersvorsorge die immer weiter klaffende Vorsorgelücke zu schließen.

Warum der Rückzug für manche Anbieter nahe liegt

„Es liegt an dem Niedrigzinsumfeld und an der Politik, die in dieser Legislaturperiode doch keine Reform der Riester-Rente in Angriff genommen hat“, sagt Sebastian Mentel in der DUP Finance Week. Mentel ist Leiter Private Vorsorge und Vermögensaufbau bei der Fondsgesellschaft DWS.

Das Niedrigzinsumfeld bedeutet, dass mit vermeintlich sicheren Anlagen wie etwas Bundesanleihen kaum Geld zu verdienen ist – und nach Abzug der Kosten schon gar nicht. Doch in genau diese Richtung zielt die Bruttobeitragsgarantie, denn auch nach Abzug der Kosten soll das eingezahlte Geld garantiert sein. „Damit sind sämtlichen Anbietergruppen die Hände ziemlich gebunden“, sagt Mentel.

„Eine 100-prozentige Bruttobeitragsgarantie passt nicht zum Negativzinsumfeld“, sagt Dr. Peter Schwark. Er ist stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Versicherungsverbands GDV. Dazu komme, dass der Bundesfinanzminister den Höchstrechnungszins mit Wirkung ab 1. Januar 2022 auf 0,25 Prozent abgesenkt habe. Altersvorsorgeprodukte sind aber beratungsintensiv und haben also auch Kosten, die sich bei diesem Zinssatz aber nicht abbilden lassen. Das hat Folgen: „Wir rechnen damit, dass auch andere Anbieter ihre Produkte vom Markt nehmen werden. Das finden wir bedauerlich, gerade für Familien und Geringverdiener“, so Schwark.

Was tun mit bestehenden Verträgen?

Und was passsiert nun mit den Bestandsverträgen? „Gute Frage, aber schwer zu beantworten“, sagt Mentel. Immerhin habe die DWS rund 700.000 Riesterkunden. Und jeder hätte eine individuelle Situation, bräuchte eine individuelle Beratung. Menschen mit vielen Kindern? Für die ist Riester dank der Förderung noch immer eine Option. Wer dagegen nicht förderberechtigt sei, für den sei Riester vielleicht keine gute Idee mehr.

Für die Versicherungsindustrie mahnt Schwark: „Ich würde grundsätzlich keinem Kunden raten, einen Vertag zu stornieren.

Wie lässt sich Riester retten?

„Die Garantien müssen runter“, sagt Schwark. Außerdem muss die Produktfamilie einfacher zu handhaben sein. „Im vergangenen Jahr musste rund eine Million Mal eine Zulage zurückgebucht werden, händisch“ Das lässt sich aber lösen mit den Vorschlägen, welche die Finanzindustrie auf den Tisch gelegt hat. 2019 hatten die Verbände einen Fünf-Punkte-Plan erarbeitet, der etwa die Reduktion der Komplexität beinhaltete.

Mit einer so durchgreifenden Reform würden die Ziele erreicht.

Mentel nickt: „Wir würden gern die Entscheidung, auszusteigen, umkehren. Das wäre wünschenswert für 16 Millionen Riesterkunden. Dazu müssen aber die bestehenden Modelle flott gemacht werden für die Zukunft – es darf nicht zu einer Altersvorsorgeverdrossenheit führen.“

Für Renovieren statt Neubau spricht aus Sicht der Experten auch die Zeit. 2025 beginnen die Babyboomer in Rente zu gehen. Bis dahin sollte das System stehen. Und Beispiele wie aus Schweden zeigen, dass der Neubau eines Systems schon mal ein Jahrzehnt in Anspruch nehmen könne. Für Mentel ist klar: „Die Vorschläge liegen auf dem Tisch.“

Ob es beim Namen Riester-Rente bleiben soll? Schwark ist skeptisch, Politikernamen hätten nicht die Langfristigkeit. Und um die geht es bei der Altersvorsorge – Wahl hin oder her.